noch ist Sommer und Hoffnung, und ich erzähl’ Dir, was war, bis ich heiser bin, wenn Du so lange schweigst,
ein Haus war da, eins mit stets offenen Fenstern und Türen, aus rotem Stein war es, darauf ein spitzes Schindeldach mit
großen und kleinen Schornsteinen, die immerzu rauchten, es stand im Hellen, im Grünen, aus und ein gingen viele, die wir liebten,
auch ich und Du, als wir Kinder waren und heimlich unter dem schwarzen Flügel hockten zur Nachtzeit und lauschten,
wie die Einen verzückt musizierten und die Anderen, in behutsames Flüstern gehüllt, mit Silberlöffelchen in zierlichen Tassen rührten,
obwohl kein Zucker in dem Tee war, der nach Brennnesseln schmeckte, wir atmeten Veilchenduft ein, der die Tanten umwehte,
schmiegten uns aneinander und schliefen ein, Hand in Hand, eingelullt von himmlischen Tönen, Du bist nicht mehr da,
doch jener besondere Geigenklang ist mir geblieben und hat noch immer den bittersüßen Geschmack der Erinnerung
Kommentare
Nicht auf Papier steht Dein Gedicht,
Da es doch duftet, klingt und spricht ...
LG Axel
Und doch entstand es auf Papier,
das, lieber Axel, schwör' ich Dir ...
Danke und LG
Marie
Was für eine poetische Reise in die Welt dieser Erinnerungen, bildreich, tiefsinnig und berührend. Herzlichst- Ingeborg
Liebe Ingeborg, ich danke Dir für Deine guten Worte, über die ich mich gefreut habe - und grüße Dich sehr herzlich zurück.
Marie
... und wunderschön muss es gewesen sein, den Musizierenden zu lauschen unterm Flügel, der Schutz bot. Ein Haus, dessen Türen und Fenster geöffnet waren für Freunde und jene, die es werden wollten ... eine schöne Vorstellung. Und er, der Dich verlassen hat, hat es gewiss nicht mit Absicht getan, sondern ist abberufen worden von der Erde, so denke ich mal. Hat mir sehr gut gefallen, Dein Text, liebe Marie, und mich erinnert - an uralte Bücher von Marie von Felseneck, die ich als Kind gelesen habe.
Liebe Grüße und danke für diese bittersüße, aber schöne Erinnerung,
Annelie
Danke, dass Du Dich gemeldet hast, Annelie. Einer guten Erinnerung auf die Spur zu kommen – ist für mich ein heilsames Mittel gegen die Horrorbotschaften über den bedrohlichen Zustand der Erde, mit denen ich mich ständig und genau so intensiv befasse, wie jeder denkende, fühlende Mensch. Und mit der Backfischliteratur der Marie von Felseneck, die seit mehr als 90 Jahren tot ist … die mich auch als Kind nicht die Bohne interessiert hat … lasse ich das, was ich schreibe, nicht gerne vergleichen.
Liebe Grüße - Marie
Liebe Marie, wenn Du sie nicht gelesen hast, weißt Du ja auch nicht, was drinsteht. Und ich habe nicht nur Backfischliteratur gelesen, die ich geschenkt bekam, sondern eigentlich alles. Ich war froh, wenn ich etwas zu lesen bekam. Ein kleiner Auszug, wie Du das Milieu beschreibst, wurde ziemlich genau von Marie von Felseneck in manchen Büchern so beschrieben - und was ist eigentlich dabei? Immerhin war sie zu Ihrer Zeit eine sehr erfolgreiche, bekannte Autorin. Ich fühle mich kein bisschen minderwertig, weil ich diese Jugendbücher gelesen habe, falls Du beabsichtigt hast, Dich irgendwie hervorzuheben. Ich habe u.a. auch Marlitt, Simmel und Kishon gelesen. So weiß ich wenigstens, was dringestanden hat. Im Übrigen: Die Frau, die sie mir damals geschenkt hat, war Ärztin, ihr Mann Studienrat für Mathmatik (er hat meinen Schwager damals am Gymnasium unterrichtet). Weshalb hätte ich die Bücher nicht lesen sollen, wenn sie mir doch von einer Ärztin empfohlen wurden ...
LG Annelie
Ehrlich gesagt, weiß ich über die Schriftstellerin nur das, was ich unter Wikipedia fand, und das schien mir nicht sehr schmeichelhaft, ich dachte an den Nesthäkchenstil .... wenn Du aber selber gute Erfahrung mit der Literatur gemacht hast, dann - fasse ich es im Nachhineinals als Kompliment auf - und grüße Dich herzlich in den kommenden Tag!
Liebe Grüße - Marie
Zu Felsenecks Zeit (etwa Weimarer Republik) waren diese Bücher sehr populär. Später hat mich dann interessiert, wie die "höheren Töchter" (mal sehr reich, mal im Mädchenpensionat, mal verarmt) gelebt, geliebt und gedacht haben; denn das hat sie ganz gut geschildert. Auch heute noch kommen solche Schicksale, z.B. in der High Society, vor. Ich habe diese Bücher halt geschenkt bekommen und nicht gesagt: "Nein, solchen Scheiß lese ich nicht" (die schon etwas ältere Dame meinte es ja auch gut mit mir), was mir, von allem einmal abgesehen, auch sehr schlecht bekommen wäre, wenn ich da an meine Mutter denke, nein, ich habe die Geschenke dankbar an mich genommen und sie gelesen. Aber eigentlich war ich mehr für Bücher wie "Ich spucke gegen den Wind", "Robinson Crusoe" und speziell die Bücher meines Papas haben mich mehr interessiert (B. Traven: Das Totenschiff, Camus, Böll etc.); eigentlich habe ich als Kind alles gelesen, was mir unter die Augen kam. Fest steht, dass die Felseneck sehr fleißig gewesen ist - wenn auch fast immer in etwa nach dem gleichen Muster.
Liebe Grüße - Annelie
Auch habe unter Vermeidung der süßlichen Kinderliteratur heimlich im Bücherschrank der Erwachsenen geräubert und so manches Verbotene teilweise unverstanden mit großem Vergnügen verschlungen, Annelie ...
liebe Grüße zurück
Wunderschöne Eindrücke, Marie, mit denen ich mich identifizieren kann …
Herzliche Grüße
Soléa
Danke für Deine lieben Worte, Soléa,
herzlichste Spätabendgrüße zu Dir -
Marie