Gestern, am lichten Tag, nah' einem blühenden Roggenfeld,
sah ich den Mond umherstreunen: ein vagabundierender Kosmonaut. -
Er segelte mit den Wolken hoch droben am Himmelszelt;
einem bleichen Drachen gleich, den sich ein Schulkind gebaut.
Gestern, im Nachmittagslicht, las ich das mystische Werk eines Poeten;
es erinnerte mich an gespenstische, unablässige Klagen,
darin Heerscharen von braven Mönchen herunterbeten:
Choräle und Psalmen - aus geheimnisumwobenen Sagen.
Gegen Abend starb auch der gestrige Tag -
wie 's im Leben geschieht allemal,
wie so manche leidenschaftliche Liebe früh zu sterben pflegt ...
Die feierliche Nacht, rätselhaft und von mancherlei Schatten bewegt,
senkte sich dunkel und sanft über Dörfer, Hügel und Tal.
Bald zeigte sich der Mond erneut – in seiner schönsten Pracht:
erhob sich - wie eine leuchtende Seele - aus dem Nichts,
überstrahlte die Finsternis, als segnete er die Nacht
durch Verströmen seines glanzvollen Silberlichts.
Und mit einem Mal kehrte das Lied des jungen Poeten zurück;
die Melodie erfüllte mein Herz; ich öffnete all meine Sinne,
lauschte der Anmut lyrischer Worte, erlag dem Bann seiner Minne …
Es war wohl das Mondlicht, das mir verhalf zu jenem nächtlichen Glück.
'Daylight und Moonlight' heißt dieses Gedicht im Original - von Henry W. Longfellow. Diesmal ist mir die Übersetzung in Versen gelungen, worüber ich mich freue. Die Übersetzung ist nichtsdestotrotz authentisch, zwar nicht, was jedes einzelne Wort betrifft - man sollte immer versuchen, noch treffendere Worte, bzw. die 'besten' Worte in der eigenen Sprache zu finden, ohne überheblich sein zu wollen - aber doch insofern, was das Thema, den Inhalt, die Aussagen betreffen. Interessant ist, wie prächtig der Mond sein kann - bei Nacht und welche Assoziationen oder auch Sinneswandel er weckt bzw. bewirkt - wenn wir Angelegenheiten, Dinge, 'im richtigen Licht' betrachten - oder auch in "a right ... good or bad mood", mit der richtigen: guten oder schlechten Laune (Stimmung).