- oder die Welt der Fantasie
Die du aus Schönheit und Behagen
ein himmlisch reines Urbild bist!
Ich sah dich - und von diesem Tage
auf dieser Welt bloß dich es gibt.
Tot die Natur sich vor mir zeigte,
gefühllos lag in tiefem Tod -
dann kam ein Wind aus hoher Weite,
und Leben, Licht der Erde bot.
Und es kam Licht, es kam das Leben,
in starre Masse Seele floss;
ein Antlitzzug ward ihr gegeben,
ein Klang sich in mein Herz ergoss.
Im Raum sich neue Himmel streckten,
die Erde neue Kleider trug,
Erkenntnisse die Klugheit weckten,
die Schönheit sich erhob und flog.
Da meine Seel' sich fand getragen,
von Etwas, das von Gott selbst kam,
sah die Natur und ihre Wunder,
wie die Vernunft sie nie vernahm.
Nicht einzig Größe und das Reine
und Glanz und In-Bewegung-sein;
nicht nur im Tale tief das Kleine
und bloße Höh auf Berggestein.
Doch deutlich ich im Ohre hörte
der hohen Sphären Harmonien;
vom Berg der Engel Harfentöne,
und wie aus Dunkel Geister schrien.
Der Friede freute sich auf Feldern,
der Schreck umschlich das Jammertal,
und fröhlich zeigten sich die Wälder,
und Kargland seufzte seine Qual:
Und Zorn war in des Meeres Wellen,
und Zartheit in der Quelle Tanz,
und Würde in der Sonne Flammen,
und Schlichtheit in des Mondes Glanz.
Die Rache schärfte Blitzespfeile,
Mut schüttelte des Meeres Arm,
die Zeder weitete den Wipfel,
die Blume öffnete sich warm. -
Oh lebender Verstand der Dinge!
Oh Schöpfergeistes Heimlichkeit!
Und wer begriff dich, Schönheit! - niemand,
nur jener, der zu lieben weiß.
Und du, der die Natur kann malen
mit Licht den Himmel ohne Fehl,
was bist du? - reflektierte Strahlen
von Hilmas Bild in meiner Seel'.
Sie ist in meiner Seel' der Stempel,
der Freude in die Schöpfung mischt.
Die Erde ward zu einem Tempel,
in dem sie eine Gottheit ist.
Die du aus Schönheit und Behagen
ein himmlisch reines Urbild bist!
Ich sah dich - und von diesem Tage
auf dieser Welt bloß dich es gibt.
Wie spür ich doch auf deinem Bilde,
was ewig neu ist, ewig gleich!
Dein Wuchs ward der der Lilie - ihrer,
der frische Glanz auf deinem Leib.
Dein Blick sich mischt mit der der Sonne,
die Nachtigall singt deinen Sang,
wie Duft von Rosen ich dich atme,
der Westwind hat von dir den Gang.
Du selbst das Grauen noch entzückest
du füllst den Grund mit deinem Schein;
du Wüsten bunt mit Blumen schmückest
und glättest der Ruinen Stein.
Wenn die Gedanken fröhlich wimmeln
und fliehn, und suchen dauerhaft,
zu finden auf der Erd', im Himmel
den Staub, den Er erschaffen hat.
Und frag ich mich, wie man den Satz setzt,
dass zart und gut und froh und mild
als größte Ehrfurcht man denn wertschätzt?
Da zeigt Er sich in deinem Bild.
Im Königsschloss, in Dörfern, Städten
seh ich trotz Tausende nur dich;
sobald ich in die Heimstatt trete,
bist du schon da und blickst auf mich.
Ich ging die Weisheit zu erringen;
dein holdes Bild zeigte sie mir.
Ich ging die Heldenlieder singen;
die Zither spielte nur von dir.
Zu höchsten Ehren schreiten wollt' ich,
doch fand in deiner Spur das Glück.
Die feinsten Schätze finden wollt' ich,
sie zeigten sich in deinem Blick.
Die du aus Schönheit und Behagen
ein himmlisch reines Urbild bist!
Ich sah dich - und von diesem Tage
auf dieser Welt bloß dich es gibt.
Stets deine Blicke muss ich jagen,
nur die Gedanken mich verstehn:
Der Traum von dir, in mir getragen,
lässt auf der Welt mich dich bloß sehn.
© Willi Grigor, 2018
Übersetzung/Übertragung von "Den nya Skapelsen" des Schwedischen Dichters Johan Henric Kellgren (1751-1795)
Dieses 24-strophige Gedicht ist das meist gelesene und gepriesene von Johan Henric Kellgren. Ein Liebesgedicht, das nicht unbedingt an eine wirkliche Person (Hilma) gerichtet ist. Die Liebe zu Hilma wird im Gedicht als Grund zu einer Verwandlung, einer neuen Schöpfung angegeben, aber das Thema kreist eher um die Lebensanschauung als die Liebe.
Die geschilderte "Wirklichkeit", die für die trockene Weisheit nicht zugänglich ist, existiert nur in der "Welt der Fantasie", was im Untertitel des Gedichts zum Ausdruck kommt.