Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 165

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und eine Hose, die rückwärts derart geöffnet war, daß ihre Körper nicht minder allen Angriffen Rolands ausgeliefert waren. Acht Tage vergingen, ohne daß Roland erschien. Am neunten Tage kam er, um nach der Arbeit zu sehen, und da er fand, daß Justine und Suzanne das Rad zu wenig kräftig drehten, gab er einer jeden fünfzig Schläge mit dem Ochsenziemer.

In der darauffolgenden Nacht trat der Niederträchtige bei Justine ein, um ihre Wunden besser betrachten zu können. Der Schuft küßte sie zuerst, und da ihn diese Vorarbeiten sehr erregten, steckt er ihr bald sein Glied in den Hintern, dazwischen stach er ihr in den Busen und richtete Worte an sie, die die Natur zum Schaudern gebracht hätten. Als er endlich entladen hatte, benutzte Justine den Augenblick, ihn um Gnade zu bitten. »Mit welchem Recht,« antwortete Roland, »forderst du, daß ich deine Ketten lösen soll; vielleicht deshalb, weil ich mich eben an dir befriedigt habe? In dem, was ich tat, war von Liebe keine Rede. Sieh mein Glied an, Justine, ich habe die feste Absicht, dich zu ermorden, und daher ragt es steif in die Luft; nur das Verbrechen bringt einen Wüstling, wie ich es bin, in Geilheit, und alles, was nicht verbrecherisch ist, ist langweilig.« – »Was Sie da sagen ist schauderhaft,« erwiderte Justine, »aber unglücklicherweise habe ich bereits Beispiele davon erlebt.« – »Ich könnte dir noch tausende aufzählen, wenn dies einen Sinn hätte.« Bei diesen Worten schlang Roland einen Strick um den Hals Justinens, und während er sie von hinten bearbeitete, zog er den Strick so fest zusammen, daß sie das Bewußtsein verlor. Und das Ekel zog sich, ohne sich um die Folgen zu bekümmern, ruhig zurück.

So verging ein Jahr, während dessen drei Mädchen hingeopfert wurden. Stets fand sich Ersatz, aber wie erstaunt war Justine, als sie diejenige sah, welche die Stelle einnahm? Es war Madame Delisle, die interessante Wirtin, bei der sie sich von dem niederträchtigen Weibe getrennt hatte, das sie in Lyon prostituieren wollte. »Oh, Madame,« rief Justine aus, als sie sie sah, »Sie, die die Natur so sanft und so gut geschaffen hat, Sie hat nun auch dieses grausame Schicksal ereilt! Oh, belohnt der Himmel so die Keuschheit, die Gastfreundlichkeit, die Wohltätigkeit und alle die anderen Tugenden der Menschen.«

Die Reize Madame Delisles erhitzten Roland derart, daß er sie noch am selben Abend besuchte. Man kann sich leicht vorstellen, daß er sie nicht mehr schonte, als Justine, und so wurden[397] die beiden durch das gemeinsame Unglück noch fester aneinander gekettet. »Oh, liebenswürdige Frau,« sprach Justine, als die Delisle ihr die ausgestandenen Greuel schilderte, »was gäbe ich darum, wenn ich Ihnen die Wohltaten, die Sie an mir begangen haben, erwidern könnte; aber ach, in bin selbst unglücklich und kann Ihnen zu nichts nützen. Wie würde ich mich beeilen, Ihre Ketten zu brechen, wenn ich selbst frei wäre, aber ich glaube, jede Hoffnung ist unnütz und wir werden diesen Ort niemals mehr verlassen.« – »Der Niederträchtige,« sprach die Delisle, »er hat mich blos so behandelt, weil er mir Geld schuldet; seit drei Jahren macht er in meinem Hause ungeheure Zechen ohne mich jemals zu bezahlen. Letzthin lud er mich zu einem Spaziergang ein, im Walde lauerten uns zwei seiner Leute auf, sie banden mich und schleppten mich auf einem Maulesel hieher.« – »Und ihre Familie?« – »Ich habe nur ein Kind, das noch in jungen Jahren ist. Mein Gatte starb vergangenes Jahr und überdies bin ich Waise. Das Ungeheuer wußte alle diese Dinge wohl, sonst hätte er den Streich nicht gewagt. Ah, was wird aus meinem unglücklichen Kinde werden? Ich habe diesen Schuft gebeten, mich wenigstens schreiben zu lassen, aber auch das hat er mir nicht gestattet!« Und Tränen rannen aus den schönen Augen dieses interessanten Geschöpfes. – »Und hat er sich an Ihnen ebenso befriedigt, wie an allen anderen Opfern?« forschte Justine weiter, und statt aller Antwort zeigte das verschämte Geschöpf Justine ihren Hintern. – »Ah, ich bin noch ganz zerrissen,« sprach sie, »oh, mit welchen Lastern ist dieses Scheusal begabt!«

So lagen die Dinge, als in dem Schlosse bekannt wurde, daß der Streich Rolands gelungen sei. Das war das neue Beispiel, das die Vorsehung Justine vorführte. Nochmals besuchte Roland Justine. »Beruhige dich,« sprach er diesmal, »du hast nichts zu befürchten.« Und als sich die Türen geschlossen hatten, fuhr er fort: »Teures Mädchen, nur dir allein im Hause wage ich mich anzuvertrauen. Ich habe wohl an die Delisle gedacht, aber so anständig sie scheint, ich halte sie für rachsüchtig und meiner Schwester hingegen ziehe ich dich vor.« Voll Ueberraschung bat Justine Roland, sich näher zu erklären. »Höre,« sprach der Wüstling, »mein Glück ist gemacht, allein ich könnte bei der Ueberführung meines Geldes überfallen werden, und wenn das der Fall ist, dann habe ich den Strick zu erwarten. Ich bin überzeugt, daß dieser Tod sehr süß ist, aber da die Frauen, an denen ich die ersten Todesängste auf diese Weise erprobte, mir niemals die Wahrheit gesagt haben, so möchte ich an meiner eigenen Person das Experiment machen. Ich möchte wissen, ob bei dieser Todesstrafe tatsächlich eine Ejakulation eintritt; wenn ich mich einmal überzeugt haben werde, daß dieser Tod nur eine Spielerei ist, werde ich nur umso kühner dem Schicksal trotzen, denn nicht das Ende meines Lebens erschreckt mich, ich fürchte die Qualen eines grausamen Todes und möchte nicht beim Sterben leiden.«[398] – »Oh, mein Herr,« sprach Justine, »trotzdem lieben Sie es, die anderen zu quälen.« – »Nicht trotzdem, sondern gerade eben deswegen. Stellen wir also einen Versuch an. Du sollst alles an mir tun, womit ich dich gequält habe. Ich werde auf diesen Schemel steigen, mich nackt ausziehen, du wirst das Seil um meinen Hals schlingen, während ich mich dabei kitzle, dann, sobald du an mir einen Ständer siehst, wirst du den Schemel zurückziehen und ich werde aufgehenkt bleiben. Du wirst mich solange daran hängen lassen, bis du entweder Schmerzensäußerungen sehen wirst, oder einen Wollusterguß. Im ersteren Falle wirst du das Seil sofort abschneiden, im zweiten Falle wirst du die Natur handeln lassen und mich erst ablösen, wenn ich entladen habe. Nun,

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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