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Tyrann mißhandelt zwar einige Leute, das ist ein geringes Uebel; ein ohnmächtiger Fürst aber schädigt die Gesamtheit« ... »O mein Herr,« sagte ich, und küßte die Hand des Prinzen, »wie ehrlich diese Ansichten.«
Der Prinz von Preußen ließ mir als Zeichen seiner Gunst 25.000 Franks auszahlen und verließ fast nicht mehr unser Haus. Ich half ihm Männer suchen und da ich nicht so wählerisch war wie er, begnügte ich mich mit denen, die er nicht wollte. Auf diese Weise lernten während der zwei Jahre, die wir in der Stadt blieben, fast zehntausend Schwänze meinen Arsch kennen. Kein Volk der Welt hat soviel tüchtige und gefällige Soldaten. Und wenn man es nur versteht, bekommt man so viele, daß man sie zurückweisen muß. Wir konnten mit Leichtigkeit heimlich einige hohe Herrn empfangen. Und der Graf von Reinberg teilte lange Zeit mit dem Bruder seines Herrn die Geliebte, ohne daß er es wußte. Reinbergs Unzucht bewegte sich in anderer Richtung, er vögelte regelrecht Josefine, während zwei Frauen ihn prügeln, eine dritte ihm in den Mund pischen mußte. Doch entlud er nicht in die Fut, die er gevögelt, sondern er erwies diese Ehre derjenigen, die ihm in den Mund gepischt. Deshalb mußte diejenige, welche er vögelte, jung und hübsch sein, und die andere alt, häßlich und stinkend. Dies dauerte achtzehn Monate und hätte noch länger gedauert, wenn ich nicht hätte Berlin verlassen müssen. Dies aber kam so: Ich bemerkte schon seit längerer Zeit verschiedenes, was mir Sorge einflößte; doch war ich noch schwankend, als ein mir gemachter Vorschlag zur Entscheidung führte. Das erste, was ich bemerkte, war eine gewisse Erkaltung des Prinzen gegenüber Josefine. Die Unbeständigkeit ist eine Folge der Ausschweifung, je mehr man sich sättigt, desto rascher wird man satt. Das zweite, was mich besorgt machte, war, daß ich bemerkte, wie Josefine langsam meinen Händen entglitt. Sie hatte sich in einen jungen Kammerdiener des Prinzen verliebt, mit welchem sie wiederholt in Gegenwart des Prinzen verkehrt hatte. Und ich fürchtete, sie könnte meine Ketten ganz abschütteln. So standen die Dinge, als ich durch einen Brief folgenden Vorschlag erhielt: Sie erhalten fünfmal hunderttausend[198] Franks, wenn Sie Josefine ausliefern. Es gilt einen Geschmack zu befriedigen, der ihr das Leben kosten wird. Die Stellung, dessen, der dies verlangt, ist eine derartige, das Sie ein verlorener Mann sind, wenn Sie nicht folgen. Wenn Sie einschlagen, bekommen Sie morgen Mittag die verlangte Summe und fünfhundert Gulden Reisegeld. »Doch müssen Sie Preußen für immer verlassen.« Hierauf antwortete ich: »Wenn mich der Schreiber besser kennen würde, so hätte er die Drohung sich erspart. Nur verlange ich, der Ermordung meiner Schwester beigezogen zu werden, oder wenigstens zu erfahren, wie dieselbe vor sich gehen wird. Im Uebrigen halte ich es für wichtig, zu bemerken, daß Josefine im dritten Monate schwanger ist!« Darauf erhielt ich folgenden Brief: »Sie sind ein reizender Mensch und nehmen aus Berlin die Achtung und Protektion des Schreibers dieser Zeilen mit. Zur Marter Ihrer Schwester können Sie nicht beigezogen werden, doch mag es Ihnen genügen, daß sie zwanzig Stunden dauern wird, und das es das Schrecklichste und Außergewöhnlichste sein wird, was jemals ein Geist erdacht. Ein Sachverständiger wird morgen den Zustand ihrer Schwester prüfen, und wenn es wahr ist, daß sie schwanger ist, so erhalten Sie hunderttausend Franks mehr. Betreten Sie nie wieder Berlin, doch seien Sie sicher, daß wo immer Sie sind, eine mächtige Hand Sie beschützen wird.« Diesen Abend supierte ich mit Josefine und schlief das letztemal mit ihr. Niemals hatte ich noch ein solches Vergnügen beim Vögeln genossen. Dieser entzückende Körper, wie schade, das er bald den Würmern zur Speise dienen wird! Und dies ist mein Werk, denn ich könnte Sie retten. Bei meiner Geistesbeschaffenheit waren solche Gedanken wohl imstande, die höchste Extase zu erzeugen. Und es gab keinen Tempel, dem ich nicht in dieser Nacht opferte. Am nächsten Morgen kam der Arzt und ich sagte Josefine, der Prinz sei von ihrer Schwangerschaft verständigt und biete ihr seine Hilfe an. Josefine leugnete zuerst, aber durch die Untersuchung überwiesen, bat sie den Arzt sie nicht zu verraten. Er versprach ihr alles, stellte aber fest, das sie am Ende des vierten Monats der Schwangerschaft sei. Hierauf nahm er mich auf die Seite, gab mir die versprochenen 600.000 Franks und 500 Gulden Reisegeld, und prägte mir ein, vor Abend Berlin zu verlassen. Ich wollte ihm 10.000 Franks geben, er aber wies sie zurück. Ich fragte ihn, was mit Josefine geschehe: »Sie wird das Opfer von Ausschweifungen sein« ... »Und werden diese sehr grausam sein?« »Es gilt eine neue Methode zu erproben, die so schrecklich ist, daß das Opfer jedesmal ohnmächtig wird und immer wieder zum Bewußtsein zurückgerufen wird« ... »Und fließt das Blut?« »Nur sehr langsam, es ist eine Vereinigung aller Martern, erfunden von der Inquisition« ... »Das muß ein reicher Mann sein, der sich diesen Spaß erlaubt?« »Ich kenne ihn nicht« ... »Kennt er Josefine?« »Ich weiß es nicht.« Und damit entfernte er sich, ohne daß ich ihm noch etwas entlocken konnte. Ich teilte Josefine mit, daß man sie allein haben wolle, sie bat mich zitternd, sie zu begleiten. »Ich kann es nicht« ... »O mein Geliebter, eine Ahnung[199] sagt mir, daß ich dich nie mehr wiedersehen werde!« »O Josefine, welche Uebertreibung, Mut, man kommt.« Der Arzt kommt und bietet ihr die Hand, ich helfe ihr in den Wagen und sie entschwindet meinen Blicken, während meine ganze Wollust sich in den Abschiedsblick vereinigt.
Schluß des zweiten Bandes
Dritter Band.
Fortsetzung der Geschichte Jeromes.
Das erstemal, da man sich allein befindet, nachdem man recht lange zu Zweit war, scheint es, als ob dem Dasein etwas fehle. Die Toren halten das für die Wirkungen der Liebe; sie täuschen sich. Der Schmerz, den man durch diese Leere empfindet, ist nur die Wirkung der Gewohnheit, die durch eine entgegengesetzte Gewohnheit schneller schwindet als man denkt. Am zweiten Tage meiner Reise dachte ich schon nicht mehr an Josephine; wenn ihr Bild in meinen Gedanken auftauchte, so geschah es mit der Empfindung einer Art grausamen Vergnügens, das viel wollusterregender war als das der Liebe oder des Zartgefühls. »Sie ist gestorben,«