Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 84

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Wir wuschen die Blutspuren weg und versteckten den Leichnam in einem Blumentrog bei meinem Zimmer.

Am nächsten Tag erhielt Moldane einen fingierten Brief, worin ihr die bewußte Freundin mitteilte, daß seine Frau, bei ihr schwer erkrankt Victoire, zu Pflege wünsche; dieselbe verschwand, nachdem sie erst Schweigen gelobt und gut gezahlt worden war. Nach acht Tagen verschlimmerte sich die Krankheit Frau von Moldanes derart, daß es unmöglich war sie nach Hause zu transportieren. Endlich nachdem Moldane und seine Kinder wiederholt unter dem Vorwand die Kranke zu besuchen, fortgefahren waren, starb dieselbe und wir trugen Trauer. Aber Moldane besaß nicht Kraft genug, die Gewissensbisse zu unterdrücken. Er bat mich, die Ursache seiner Tat zu unterdrücken und seine Kinder wieder auf den Tugendweg zurückzubringen. Ich versprach es ihm und schlug zur Verwirklichung meiner eigenen Ziele einen neuen Weg ein. Ich lag Sulpice in den Ohren, daß sein Vater nur daran denke die Spuren seiner Tat zu vernichten. Zuerst habe er Victoire eingesperrt, dann würde er das gleiche mit Sulpice und Josefine tun, um sie dann durch Gift aus dem Weg zu räumen. »Fliehen wir, aber zuerst soll er durch uns gestraft werden. Wäre seine Tat ruchbar, so müßte er unter dem Schwerte sterben. Vollführen wir das Gesetz und befreien wir die Welt von diesem Scheusal. Er läßt sich von niemand anderem als von dir bedienen, weil er in jeder anderen Hand einen Dolch zu sehen glaubt. Darum vollziehe du das Urteil und räche das Andenken deiner Mutter. Sie schwebt als ruheloser Schatten über deinem Haupt und nicht eher wird sie Ruhe haben als bis ihr Tod gesühnt ist. Wenn du nicht mitschuldig sein willst, so mußt du sie rächen und zwar so rasch als möglich.« Nach einigen Tagen schon gelingt es mir den Jüngling zu überreden, ich selbst gebe ihm das Gift und er tat was ich verlangte. Nach dem Tode seines Vaters wurde ich, da ich es verstand das Vertrauen des Familienrates zu gewinnen, zum Verwalter des Vermögens und[190] Erzieher der Kinder ernannt. Nachdem ich frei mit allen Geldern schaltete, schritt ich zur Vollendung meines Planes. So wie ich mit Sulpice vorgegangen, handelte ich auch mit Josefine. Ich enthüllte ihr die Ermordung ihres Vaters durch Sulpice, ich beschuldigte denselben, daß er allein die Ursache des Todes ihrer Eltern sei, und jetzt trachte er nach ihrem eigenen Leben. Sie habe kaum mehr acht Tage zu leben, denn er trachte von ihm Gift zu erlangen. Dieses Gift wolle er lieber ihr geben damit sie zu gleicher Zeit ihre Eltern rächen und sich selbst beschützen könne. Josefine war nicht nur dazu zu überreden, sondern sie gestand mir ein, daß sie mich liebe, daß sie meine Frau werden wolle; ich solle bei ihrem Vormund um sie anhalten. »Wenn man sie dir verweigert, so raffen wir alles Geld zusammen und fliehen in die Schweiz. Nur unter dieser Bedingung willige ich in das Verbrechen ein.« Dies paßte mir natürlich sehr gut in meinen Kram und am nächsten Tage vergiftete sie ihren Bruder mit einer Chocolade, er starb unter furchtbaren Zuckungen und Josefine, mutiger als ich geglaubt habe, verließ sein Bett nicht bis er kalt war. Doch ich blieb nicht auf halbem Weg stehen, nachdem ich mit Josefine, die in meinen Augen durch das Verbrechen ungemein gewonnen, zwei wollüstige Nächte verbracht hatte, teilte ich ihr mit, daß ich um sie angehalten aber in Anbetracht des Mißverhältnisses unseres Standes und unseres Vermögens einen Korb erhalten habe. »Wolan,« sagte Josefine, »dann fliehen wir, denn ich will keinen anderen Gatten wie dich« ..... »Nichts leichter als das, hier ist ein Wechsel über hunderttausend Francs, den mir dein Vormund gegeben hat um ein Gut für dich zu kaufen. Nehmen wir das Geld und fliehen wir.« ...... »Ich bin die deine, doch versprich mir eines!« .... »Was denn?« .... »Daß du niemals an die Opfer vergessen wirst, welche ich dir gebracht, daß du mich nie verlassen wirst.« Man kann sich vorstellen, daß ich die Versprechen mit leichtem Herzen gab, obwohl ich sie nie zu halten gedachte.

Wir verschwanden und kamen am siebenten Tage nach unserer Abreise nach Bordeau, wo wir einige Tage bleiben wollten, um dann nach Spanien zu gehen, wo Josefine die Ehe schließen wollte. Nachdem aber infolge der späten Jahreszeit der Uebergang über die Berge erst im Frühjahr möglich war, schlug mir meine Gefährtin vor uns hier trauen zu lassen. »Mein Engel,« sagte ich zu ihr, »ich halte es für viel besser, wenn wir auf diese unnötige Zeremonie verzichten und als Bruder und Schwester gelten. Wir beide lieben zu sehr die Ausgaben, als daß wir mit unserem Geld auskommen könnten. Darum mußt du dich prostituiren, damit wir von deinen Reizen leben können.« »O, mein Freund, was für ein abscheulicher Vorschlag.« .... »Es ist der einzig vernünftige und nur zu diesem Zwecke habe ich eingestimmt dich zu entführen. Die Liebe, mein Kind, ist Chimäre, das Gold allein hat einen Wert« ...... »Ist das die Liebe die du mir geschworen?« ..... »Lerne mich kennen, mein Schatz, Liebe kenne ich nicht. Ich ergötze mich an den Frauen, aber ich liebe sie nicht. Im Gegenteil, sobald ich meine Lust an ihnen gebüsst, verachte ich[191] sie. Ich dulde sie nur in meiner Gesellschaft, wenn sie mir etwas eintragen. Verlange darum nicht mehr und verlasse dich ganz auf mich. Du sollst durch mich von Abenteuer zu Abenteuer fliegen und durch meine Ratschläge wirst du die berühmteste Hure unserer Zeit werden.« ..... »Ich und Hure?« ..... »Warst du es nicht deinem Vater, deinem Bruder und auch mir? Wahrlich, Zartgefühl wäre sehr schlecht am Platze.« Josefine suchte durch Tränen und Zärtlichkeit mich umzustimmen, ihre Verzweiflung war wirklich groß. Doch als sie sah, daß ich unbeweglich blieb, willigte sie, verliebt wie sie in mich war, in meinen Plan ein, weil sie dadurch hoffte mit mir vereint zu bleiben. So gingen wir an die Durchführung unseres göttlichen Planes. Ich sage göttlich, denn es gibt nichts schöneres als seinen Luxus mit der Leichtgläubigkeit anderer au bestreiten. Die Dummheit der Menschen verschafft denen, die sie auszunützen verstehen, Reichtümer wie sie nicht einmal die Goldminen von Peru

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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