DE 2011 Freundliches Wiedersehen mit Hamburg - Page 5

Bild zeigt Willi Grigor
von Willi Grigor

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das das Wunderland bereits durchwandert hatte. Die Frau schnaufte die Treppe hinab und ich hörte sie sagen: "12 Euro pro Person! Für das Geld hätten wir die Große Hafenrundfahrt machen können!" Ich wurde skeptisch.
Oben angekommen erfuhren wir, dass wir ca. 45 Minuten auf unseren Einlass warten mussten. Es dürfen nur maximal 800 Personen gleichzeitig in der Anlage sein. Wir gingen wieder hinaus, setzten uns auf eine Bank auf der anderen Seite des Binnenhafens und sahen eine alte DC3 in geringer Höhe über uns fliegen während wir unsere mitgebrachten Äpfel aßen.
Der anschließende Durchgang durch die Anlage in verschiedenen Räumen auf mehreren Etagen war, verglichen mit unserer Erwartung, eine Sensation. Es handelte sich nicht um eine riesige Modelleisenbahn sondern um die verkleinerte Wiedergabe der Wirklichkeit in verschiedenen Ländern, wobei die über neunhundert Züge nur einen kleinen Teil ausmachen.
Überall ist Bewegung: Autos fahren, Flugzeuge starten, Löschzüge rücken aus. Auf dem erst vor drei Tagen eröffneten Verkehrsflughafen "Knuffingen Airport" bewegen sich bis zu 40 Flugzeuge in verschiedenen Positionen, mit Originalbeleuchtung und realistischem Sound. Es gibt 90 fahrende und 4500 stehende Autos sowie 15 000 Figuren auf diesem neuen Flughafengelände. Wahrscheinlich bewirkte dies zu einem Teil den großen Besucherstrom.
Auf der gesamten Anlage sind zur Zeit insgesamt 215 000 Figuren in alltäglichen Gruppierungen aufgestellt und es scheint als gäbe es keine Dubletten.
Ca. alle 10 Minuten wurde die Anlage abgedunkelt und mehr als 300 000 kleine Lichter gaukelten die Nacht vor.
Es war toll! Ich hätte das hier nicht mit einer noch so großen "Großen Hafenrundfahrt" eintauschen wollen!

Nun hatten wir das Bedürfnis auf einige ruhigere Stunden. Wir nahmen die U-Bahn Richtung Messegelände, um von dort den - nach Stadtplan kurzen - Spaziergang zum zentral gelegenen Park Planten un Blomen zu machen. Wir sind wahrscheinlich eine Haltestelle zu früh ausgestiegen. Dieser Spaziergang (eher Irrgang) in der Vorsommerhitze durch ein altes Industriegebiet bis zum ansehnlichen Fernsehturm war eher eine Plage und ich wurde etwas ungeduldig. Nun endlich sahen wir den Park rechts von uns aber eine Mauer lag dazwischen. Der Eingang nur etwas weiter vorn war wegen Umbauarbeiten geschlossen. Also weiter längs der stark befahrenen Straße vorbei am Fernsehturm bis zum nächsten Eingang. Wir gingen hindurch und hinein ins Paradies, wie es uns schien. An einem kleinen Parksee, inmitten einer großartige Blütenpracht unter blauem Himmel, "feierten" wir Gullans Geburtstag bei Kaffee und Kuchen.

Gestärkt und bester Laune gingen wir weiter durch den herrlichen Park. Ich erinnerte mich an eine positive Begebenheit im Zusammenhang mit Planten un Blomen als ich in Hamburg wohnte und arbeitete: Hier wurde 1963 die Internationale Gartenbau-Ausstellung durchgeführt. Möblierte Mietwohnungen waren schwer zu bekommen und teuer. Wir erhielten deshalb vom Arbeitgeber die Wohnungsmiete bezahlt, die eigentlich schon in der Auslösung enthalten ist.
Wir setzten uns auf eine Bank am See mit der "toten" Lichtorgel. Wir waren nicht vorbereitet als das grandiose Lichtorgelschauspiel nach einigen Minuten begann. Ein wahres Geburtstagsgeschenk! Wie die Stadt Hamburg erfahren hat, dass Gullan an diesem Tag 70 wurde, werden wir nie erfahren. Die abschließende Wanderung durch den Japanischen Garten war nicht minder beeindruckend.

Bei der Heimfahrt machten wir wieder einen kurzen Einkaufsstopp an der Haltestelle Osterstraße. Das Geburtstagsessen wollte ich in Susannes feiner Küche selbst zubereiten: Schweinefilet mit italienischer Soße und frischer Pasta á la Schwiegersohn Anders, dazu Salat und Dornfelder Rotwein. Es gelang wie immer und wir hatten einen schönen, entspannten Abend allein in der großen Wohnung.
Zum Abschluss sahen wir die erste von drei DVDs, die ich über Internet gekauft hatte und direkt an Susannes Adresse schicken ließ. Die Filmserie von 1985 erzählt das unglaubliche Überlebensdrama von zwei jungen deutschen Fliegern, die 1932 bei ihrem Weltflug im Norden von Australien notwassern mussten. Nach unsäglichen Strapazen wurden sie nach 50 Tagen von Aborigines gefunden. Was mich an dem jungen Piloten Hans Bertram, dessen Buch ich vor einigen Jahren in Schweden mit Begeisterung gleich zweimal gelesen hatte, so faszinierte war, dass er die Kraft und die Energie besaß danach sein Flugzeug wieder in Ordnung zu bringen und trotz weiterer Probleme und Havarien alleine wieder nach Hause flog.

Sonntag 8. Mai
Unseren letzten Tag in Hamburg wollten wir dem HSV widmen, das war ich meinem Freund und HSV-Fan-Kollege Günter Kohnen in Düsseldorf schuldig.
Die HSV-Fußballarena im Volkspark war nicht allzu weit entfernt, also entschlossen wir uns für einen Fußmarsch.
1963-64 wohnte ich in Hamburg und war regelmäßig im Volksparkstadion. 1963 wurde übrigens die Bundesliga gegründet und ich erinnere mich noch genau an das Spiegel-Titelblatt, auf dem ein Fußball abgebildet war. Rudolf M., Projektleiter und mein Chef, war Spiegelleser. Mit diesem Spiegelexemplar begann meine Laufbahn als ein solcher.
Das letzte Mal im Volksparkstadion war ich zusammen mit Günter 1972 beim Abschiedsspiel von Uwe Seeler. Dieses Stadion gibt es jetzt nicht mehr, es wurde umgebaut und ist nun ein modernes Fußballstadion. Dieses wollten wir uns also heute anschauen.
Fußmarsch Koppelstraße, Sportplatzring, Volksparkstraße. Es war Sonntag, wenig Straßenverkehr. Unter die A7, danach schmale asphaltierte Wanderwege durch den nördlichen Teil des Volksparks bis zum Stadion, das jetzt Imtech-Arena heißt. Ein Bronzeabguss des rechten Fußes von Uwe Seeler ist in überdimensionaler Größe vor dem ansehnlicher Bau als besonderer Blickfang aufgestellt. Wir meldeten uns für eine Rundführung an und nutzten die Wartezeit für einen Durchgang durch das HSV-Museum.
Ein gemütlicher Herr Berndt Maier, um die 60, verstand es, die Führung durch das Stadion so unterhaltend zu gestalten, dass die zwei Stunden wie im Nu verflogen. Er zeigte und beschrieb uns die Stellen und Räume, zu denen sonst nur die Spieler, Trainer, Journalisten, Funktionäre und andere wichtige Personen Zutritt haben: Spielerbank, VIP-Räume, Kommentatoren- und Interviewräume, Umkleide-, Dusch- und Baderäume. Ich saß am Tisch mit der Reklamewand im Hintergrund, wo der Trainer nach dem Spiel befragt wird. Gullan war auch in Form, sie setzte sich auf den Trainerstuhl am Spielfeldrand und mimte Spieleranweisungen. Der HSV ist Eigner der Arena. Wir erfuhren, dass die Jahresmiete für einen VIP-Raum 85 000 – 250 000 € beträgt und das diesbezügliche Jahreseinkommen ca. 23 Millionen €.

Dieser Abstecher zur HSV-Arena war nicht das aufregendste Erlebnis in Hamburg aber ein notwendiges.

Nach der Rückkehr zu unserem temporären Wohnort am Tierpark Hagenbeck gingen wir noch ein Stück durch das parkartige Waldgebiet Niendorfer Gehege, das Susanne uns empfohlen hatte. Es war noch zu früh und das Wetter zu schön um in die Wohnung zu gehen. Es waren viele Leute in diesem Naherholungsgebiet. Wir liefen nicht sehr viel sondern setzten uns auf eine Bank und fühlten uns wohl.
Bald spürten wir jedoch, dass wir hungrig und müde waren, schleppten uns nach Hause, duschten. Das Essen war schnell zubereitet: Reste vom Schweinefilet-Essen gestern. Später sahen wir dann die zwei restlichen DVDs des Bertram-Films.

Montag 9. Mai
Letztes Frühstück auf der blumigen Terrasse von Susanne und Andreas. Wir hinterließen ein kleines Geschenk an die unbekannte nette Nachbarin, die uns ihren Garagenplatz benutzen ließ, und einen Eintrag in Susannes Gästebuch:

Liebe Susanne, lieber Andreas
Immer wenn wir bei schönem Wetter in einer interessanten Stadt für einige Zeit über eine tolle Wohnung in ruhiger Lage disponieren dürfen, fühlen wir uns wohl. Im farbenprächtigen Frühlings- Hamburg und in Eurer schönen Wohnung hatten wir wieder dieses Gefühl und die Energie für tägliche Stadtwanderungen und etliche Besichtigungen.
Der Hafengeburtstag an der Elbe mit allen diesen schönen Schiffen, der Besuch im Miniatur-Wunderland (Klasse!) und des Parks "Planten un Blomen" waren die perfekte Einrahmung für Gullans 70. Geburtstag am 7. Mai.
Wir danken Euch für diesen unseren ersten Wohnungstausch in Deutschland und freuen uns auf Euren Rückbesuch bei uns in Schweden.
Willi und Gullan

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Mein Hamburg

Mein Hamburg hat mich in die Welt eingeführt,
dorthin wo das Leben pulsiert.
In Hamburg erst hab ich das Leben gespürt,
vor dem ich mich bisher geziert.

Mein Hamburg erst hat mich zum Manne gemacht,
mir gerne gezeigt, was es hat.
Ich lernte es lieben bei Tag und bei Nacht,
hab Dank, meine lehrreiche Stadt.

Mein Hamburg am Ende Gewissheit mir gab:
"Wohin dich das Leben auch schickt,
belohnt wird auch der mit dem Holzwanderstab,
wenn froh er vom Lebensbaum pflückt.
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© Willi Grigor, 2011 (Rev. 2017)

Siehe auch
literatpro.de/gedicht/031218/von-hamburg-zum-horizont
literatpro.de/gedicht/150519/liebe-freunde-ich-bin-reich
literatpro.de/gedicht/021017/spur-in-einem-wanderherz

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