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4. - 9. Mai 2011
Mein Hamburg hat mich in die Welt eingeführt,
dorthin wo das Leben pulsiert.
In Hamburg erst hab ich das Leben gespürt,
vor dem ich mich bisher geziert.
(Das ganze Gedicht am Ende des Berichts.)
Notwendige Vorbemerkung
Montag der 1. April 1963 war mein erster Arbeitstag nach der Lehre als Technischer Zeichner bei der Firma Paul Kahle Rohrleitungsbau in Düsseldorf. Zusammen mit Projektleiter Rudolf M. und dem bereits erfahrenen Kollegen Rudi D. fuhr ich mit dem Zug nach Hamburg, um als frischer Mitarbeiter bei einem Rohrleitungsprojekt (Vorplanung zum Umbau des Kraftwerks Tiefstack) erste praktische Erfahrungen zu sammeln. Ich war 20 Jahre alt und meine Eltern mussten meinem Arbeitgeber ihre schriftliche Erlaubnis geben. Damals war man erst mit 21 Jahren mündig.
Ich war gerne Hamburger von April 1963 bis April 1964 und bei einem zweiten Einsatz von März bis Juli 1965. Hamburg hat mich während dieser Zeit in gewisser Weise beruflich und persönlich geprägt. Die vorhandene Unsicherheit wurde durch ein Freiheits- und Selbstständigkeitsgefühl ausbalanciert. Dies wiederholte sich jedes Mal bei den vielen Außeneinsätzen in Deutschland und Schweden, die noch kommen sollten.
Zusammen wohnten wir Drei in einer großen aber fast leeren Wohnung, in Barmbek glaube ich war es. Bei der Ankunft wurden wir von einer älteren, sich vornehm gebenden Dame begrüßt. Sie hieß von Klinkowström und erwähnte, dass sie einem alten Adelsgeschlechts aus Schwedisch-Pommern angehört. Ihr Mann ist gestorben, deshalb vermietet sie zwei ihrer Zimmer. Sie selbst wohnt in einem privaten Flügel. Von einem adligen Flair spürten wir aber nichts. Ein Bett, eine Couch, in der ich schlief, ein Schrank, ein Tisch und vier Stühle war das hauptsächliche Meublement im "Blauen Salon" in dem Rudi und ich wohnten bzw. schliefen. Unser Projektleiter logierte im "Grünen Zimmer". Trotz der spärlichen Möblierung sah man fast nichts von den Farben der Tapeten. Die Wände waren zugestellt von alten Büchern mit Schutzumschlägen aus Plastik. Die adlige Dame hat sie von ihrem Mann geerbt, der einen Buchverleih betrieb.
In Hamburg wurde ich HSV- und Uwe-Seeler-Fan und steckte damit Freund Günter Kohnen in Düsseldorf an. Ich glaube es war 1966 als wir - zusammen mit Freund Dieter und Arbeitskollege Erich - nach Hamburg fuhren um im alten Volksparkstadion das Bundesligaspiel HSV gegen Fortuna Düsseldorf zu sehen. Am nächsten Tag rief Günter spontan von einer Telefonzelle Uwe Seeler in seinem neuen Haus in Norderstedt an und fragte, ob wir ihn sehen dürften. Uwe sagte zu und wir trafen ihn mit seiner kleinen Tochter am Gartentor. Ein großes Erlebnis. Siehe meine Biografie über den verstorbenen Freund Günter unter
literatpro.de/prosa/070916/ein-freund-uwe-seeler-heino-und-ich
Am 1. Mai 1972 spielte Uwe Seeler sein Abschiedsspiel im Volksparkstadion. Günter und ich waren dabei. Ich wohnte damals bereits mit meiner heutigen Frau Gullan in Königstein im Taunus. Wir fuhren nach Düsseldorf von wo aus Günter und ich nach Hamburg flogen. Beim Warten auf den Rückflug sahen wir den legendären Sportreporter Harry Valérien eine Stuhlreihe weiter sitzen. Günter ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, setzte sich neben ihn und hatte ein ziemlich langes Gespräch mit ihm. Die Kontaktaufnahme mit vor allem Sportgrößen wurde ein Markenzeichen für Günter.
Danach waren Gullan 1974 und ich für ein Wochenende in Hamburg. 1975 zogen wir nach Schweden. 1983 machten wir mit unseren Kindern eine Deutschlandreise und übernachteten bei Miro V. und seiner Frau an der Elbchaussee in Hamburg. Miro (ehemaliger Boxer und jugoslawischer Handball-Nationalspieler) war 1981-82 mein Arbeitskollege auf der KKW-Baustelle in Oskarshamn, Schweden.
Danach kam eine lange Hamburg-Abstinenz, die durch einen langgezogenen Zufall beendet wurde. Andreas und Susanne, ein Ehepaar aus Hamburg, hatte Lust auf ein paar Berufsjahre in Schweden und mieteten 2005 das Elternhaus meiner Frau in Åmål.
2008 zogen sie wieder zurück nach Hamburg. Sie waren uns gute Nachbarn und Bekannte und halten ihre Åmål-Kontakte bis heute am Leben.
Susanne kam Anfang 2011 mit dem Vorschlag eines Wohnungstausches zu uns. Wir sind geübte und begeisterte Wohnungstauscher seit unserer ersten Australienreisen 2006 und sagten spontan zu. Vom 4. - 10. Mai wohnten wir in ihrer wunderbaren Parterrewohnung am Tierpark Hagenbeck und erlebten Hamburg von seiner schönsten Seite.
Im folgenden Reisetagebuch versuche ich, dies zu beschreiben.
Mit Susanne und Andreas hatten wir ausgemacht, dass wir Mittwoch den 4. Mai am späten Nachmittag bei ihnen eintreffen und am Montag wieder abreisen werden. Andreas und Susanne hatten für Freitag früh eine Flugreise nach Venedig gebucht. Wir konnten also zwei Abende zusammen verbringen.
Mittwoch 4. Mai 2011
Wir hatten die Stena-Fähre von Varberg in Schweden nach Grenaa in Dänemark gebucht. Abfahrt 8:55 Uhr, Ankunft in Grenaa vier Stunden später. Fahrt non-stop durch Dänemark. Kurzer Zwischenstopp in Flensburg. Sonnig aber ziemlich kühler Wind. Wieder zurück zur Autobahn, A7 Richtung Hamburg. Abfahrt Stellingen, Kielerstraße, Sportplatzring, Koppelstraße, Hagenbeckstraße, am Ziel. Null Probleme trotz fehlender Übung im Feierabendverkehr einer Millionenstadt. Wir hatten eine präzise Wegbeschreibung von Susanne, die meine Kartenleserin Gullan fachmännisch vorlas.
Ich parkte am ersten freien Platz am Straßenrand voller parkenden Autos. Im schmucken Wohnviertel auf der anderen Seite musste sich Susannes und Andreas Eigentumswohnung befinden. Ich lief Slalom zwischen den langsam fahrenden Autos auf die andere Seite und stand auch schon vor einem großen Gittertor. Ich fand den Namen unter der Sprechanlage, drückte den Knopf, Susanne meldete sich und war nach höchstens 15 Sekunden am Tor, freundschaftliche Begrüßung. Susanne kam mit der überraschenden und willkommenen Mitteilung, dass sie einen Parkplatz in der Tiefgarage für uns organisiert hat. Sie selbst hatten kein Auto "braucht man in Hamburg nicht". Die Einfahrt war gleich nebenan. Wir fuhren in die große unterirdische Garage zu unserem Platz, der direkt neben der Tür zum Haus mit der Wohnung von Susanne und Andreas führte. Ein kurzer Gang hinter dieser Tür, eine Treppe hoch und wir standen schon vor der Tür ihrer Parterrewohnung. Höchstens zehn Minuten sind vergangen, seit wir von der A7 abgefahren sind!
Wir wussten schon vorher, dass S & A eine schöne 5-Zimmer-Wohnung in guter Lage besaßen, die sie vermietet hatten als sie in Åmål wohnten. Jetzt durften wir hier einige Tage wohnen. Wir traten ein in einen langen Flur, der nach rechts zu drei Schlafzimmern, einem Arbeitszimmer und zwei Badezimmern führt. Links der Eingang zu dem großen Wohnzimmer mit moderner, integrierter Küche. Dieses Wohnzimmer war wirklich
© Willi Grigor, 2011 (Rev. 2017)
Siehe auch
literatpro.de/gedicht/031218/von-hamburg-zum-horizont
literatpro.de/gedicht/150519/liebe-freunde-ich-bin-reich
literatpro.de/gedicht/021017/spur-in-einem-wanderherz