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Heptarchie‘ eine beeindruckende Leistung hinzulegen. Trotz der unausräumbaren Ressentiments gegen seinen ungeliebten Schützling sah sich der engagierte Hochschullehrer widerwillig gezwungen, die Arbeit mit ‚befriedigend‘ zu bewerten und das brillante Werk unter eigenem Namen in diversen Fachzeitschriften zu veröffentlichen. So weit, so ungut! Am heutigen Tage kam ein weiterer Moment der Wahrheit für unseren Meisterschüler, denn dieses Mal sollte der angehende Historiker ein mündliches Referat zu dem überaus forschungsrelevanten Themenkomplex ‚Aborttechnik in der Zeit König Offas von Mercia und deren Auswirkungen auf den Stuhlgang plündernder Wikinger‘ halten. Guillots Haltung war angesichts dieses Ereignisses von einer gewissen Ambivalenz. Natürlich hoffte der uneigennützige Gelehrte aus den Erkenntnissen seines begabten Studenten Nutzen zu ziehen, andererseits keimte im professoralen Innern die übergroße Versuchung, den verachteten Kleinbürger zu vernichten. Seiner rhetorischen Schwächen durchaus bewusst, hatte sich Hiobsknecht bis ins kleinste Detail auf seinen großen Auftritt vorbereitet und alle Eventualitäten bedacht – natürlich ist man nie vor dem Unerwarteten sicher, aber sein Irrglaube gab unseren Freund eine gewisse Selbstsicherheit. So konnte der eifrige Student das 1000-seitige Standardwerk ‚Chronicles of Anglosaxon Shitholes and the indigestion of Prince Aethelwulf‘ vom mittelalterlichen Geschichtsschreiber Marcellinus Latrinicus beinahe auswendig rezitieren. Da war natürlich auch Valerie Messalina, die Hochgeschätzte. Seine schöne Kommilitonin mit dem südländischen Temperament becircste den unbedarften Claudio förmlich, indem sie einfach nur freundlich mit ihm umging und sogar leichtes Interesse zeigte; fairerweise sollte hier erwähnt werden, dass die wundersamen Ereignisse nach Vortrag und Abgabe bewusster Hausarbeit erfolgten. Wie es auch immer beschaffen sein mag, zumindest gab die ungewohnte Zuwendung einer Angehörigen des anderen Geschlechts – Genderisten mögen mir verzeihen- dem jugendlichen Galan eine Art von fragilem Selbstbewusstsein. Eigentlich dürfte es überflüssig sein zu erwähnen, dass die bisherigen sexuellen Erfahrungen des jugendlichen Liebhabers ausschließlich in den Freuden des Onan bestanden; ‚das Heu vor der Scheune abladen‘ ist aber damit nicht gemeint! Aber genug des Settings, setzen wir unsere Geschichte fort.
Hiobsknecht erreichte ungeschoren die als Ziel vorgesehene, architektonische Widerwärtigkeit und schlich in beschriebener Manier durch die muffigen Korridore und erreichte -ungeachtet der vorgesehenen Akademischen Viertelstunde- pünktlich auf die Minute den Seminarraum und erblickte seinen Kommilitonen Martin Sanktus, der gemächlich von der anderen Seite in Richtung Seminarraum schlenderte. Claudio lächelte, der gutmütige Sanktus war eine der wenigen Personen, mit denen er wirklich gerne plauderte. Auch jetzt hätte sich unser Musterstudent gerne mit dem hilfsbereiten Martin unterhalten, aber dem gegenüber stand der anerzogene, kleinbürgerliche Pünktlichkeitswahn.
Luzifer ändert die Sequenz:
Mit einem gigantischen Kater schleppte sich Martin mit betont vorsichtigen Schritten dem Seminarraum entgegen. Innerlich verfluchte er sich, dass er damals diese total sinnfreie Veranstaltungsreihe bei diesem arroganten Arsch von Prof im Stadium fortgeschrittener Trunkenheit belegt hatte. Zu allem Überfluss erblickte er jetzt auch noch Claudio, den alten Eierkopf, der ihn regelmäßig mit seiner langweiligen Fachsimpelei volllaberte; darauf hatte der restalkoholgeplagte Theologiestudent im Nebenfach nun wirklich keinen Bock. Umso erstaunter war unser komischer Heiliger über seine eigene Reaktion: Er sprach doch tatsächlich aus einem Impuls heraus den Unwillkommenen freundlich an.
‚Claudio, Du alte Wursthaut, alles frisch im Schritt?‘
Mindestens ebenso ausgeprägt wie die Manie unter allen Umständen nicht zu spät zu kommen, war dem Angesprochenen die ebenfalls anerzogene, unterwürfige Höflichkeit des Untertanen eigen, die schließlich die Oberhand behielt.
‚Klar alles senkrecht!‘
Nun war es an Claudio über seinen reaktiven Spruch erstaunt zu sein, da der rhetorisch eher unbeholfene Studiosus sich nicht gerade durch Schlagfertigkeit auszeichnete. Sein Gegenüber wiederum grinste ihn erfreut an.
‚Nicht schlecht! Sag mal Claudio, Du hast doch heute Deinen großen Tag. Ich bin echt gespannt darauf, was Du uns präsentieren wirst, Deine letzte Arbeit war ja nicht von schlechten Eltern!‘
‚Ich weiß nicht Martin, ich bin schon ziemlich nervös. Ich habe wirklich Angst davor, die Sache zu versemmeln und Professor Guillot zu enttäuschen‘
Hiobsknecht verstand die Welt nicht mehr. Normalerweise hätte er selbst Martin gegenüber aufgrund seiner Sozialisation nie eine Schwäche zugegeben, sondern irgendeinen leicht schwachsinnigen Machospruch abgelassen. Sein Eingeständnis wiederum ließ Martin Sanktus seelsorgerische Ader anschwellen.
‚Mensch Claudio, mach Dir mal keine Sorgen. Wenn irgendeiner hier eine gute Arbeit hinlegt, dann bist Du das! Und was dieses arrogante, abgehobene Arschloch von Guillot angeht, so wissen wir alle, dass der Dich bei Deiner Hausarbeit beschissen hat, denn die war Spitze und hätte mit einer Eins bewertet werden sollen! Also bleib ruhig und wenn Dir Seneca, die alte Pissnelke, blöd kommt, dann bin ich auch noch da. Kopf hoch, Du wirst das Kind schon schaukeln!‘
Die ermunternden Worte hätten schon bei den meisten anderen Zeitgenossen eine positive Wirkung entfaltet, aber der Effekt auf Claudio war phänomenal. Sein Sicherheitsgefühl steigerte sich enorm und zum ersten Mal in seinem Leben kam es ihm in den Sinn, dass es nicht unbedingt immer sein Fehler sein musste, wenn ihn jemand diskriminierte. Fast erschien es dem Hochgelobten so, als wenn jemand einen Schalter in seinem Verstand umgelegt hätte. Freunde, das nenne ich einmal ein Aha-Erlebnis!
Jedenfalls betraten der jetzt mit dem Ansatz ein Rückgrades Versehene und sein Seelsorger
den überfüllten Seminarraum. Positiv überrascht erblickte Claudio die direkt am Tisch gegenüber der Tür sitzende schöne Messalina, auf die wiederum heiter ihre beste Freundin, Sabine Poppaea, einredete.
‚..schöne Bitch!‘
Hiobsknecht, in dessen naivem Gemüt sich die Annahme manifestierte, dass sich die soeben beendete Konversation um Hundezucht drehte, grüßte Valerie mit neugewonnenem Selbstbewusstsein; man möge unserem Helden verzeihen, in jenen Zeiten hatten ‚Bitches‘ noch nicht so recht Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden. Messalina wiederum lächelte unergründlich und zwinkerte dem glücklichen Claudio freundlich zu. (…)
Kürzen wir hier doch einmal dezent ab:
Die aus dem komplexbehafteten petits-bourgeois im Enstehen begriffene Person hielt über das unappetitliche Thema ein wirklich geiles Referat, das nicht nur Guillot dazu motivierte, auf das Schlachten dieses güldenen Esheks der Geschichtswissenschaften zu verzichten und diesen besser nach Kräften auszubeuten, sondern auch die Kommilitonen -mit Martin Sanktus als Vorreiter- zu Ovationen veranlasste. Claudio und Messalina kamen sich näher und führten zum Erstaunen der sonstigen Studentenschaft eine Beziehung, die aber tragisch endete. Hiobsknecht beendete sein geisteswissenschaftliches Studium mit Auszeichnung, fand aber keinen Arbeitsplatz und endete schließlich als Taxifahrer in Tübingen…
Dackelsche bemerkt die Änderung und pariert:
(..‚) ‚Claudio, Du alte Wursthaut, alles frisch im Schritt?‘
Hiobsknecht beschlich mit einmal eine mehr als gewöhnlich übliche Furcht, zu
Pünktlich zum Juni und zu eurem Vergnügen. Eigentlich keine richtige SF, aber hoffentlich trotzdem unterhaltsam.
Cheerio
Euer
Q.A:
Kommentare
Lange Texte haben's schwer -
Hier lohnt das Lesen freilich sehr!
LG Axel
Da sagt QA doch einfach: Vielen Dank für die Blumen!
Du bist ein Wortmagier. Sei nicht zu stolz drauf, sonst öffnen sich die Portale
und deine Ungeister kommen dich besuchen.
HG. Olaf
Lucifer würde ohnehin sagen: Du gleichst dem Geist, den du begreifst. Nicht mir !!!
Hoffen wir, dass meine Magie kein fauler Zauber eines Lehrlings ist und man die Geister auch wieder loswird.
LG
QA
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