Story XIII: Luzifers Schatten und Dackelsches Fußabdruck - Page 5

Bild von Q.A. Juyub
Bibliothek

Seiten

Trunkenbold tatsächlich zu besagter Lokalität, brach aber da in gnädiger Ohnmacht zusammen. In der Notaufnahme kurz zusammengeflickt, reichte man den selbstverstümmelnden Zerstörer alkoholhaltiger Getränke rasch an die Psychiatrie weiter. Erstaunlich, nicht wahr. Das beschriebene Ereignis könnte eventuell damit zusammenhängen, dass in der Notaufnahme ein alter Amigo Dr. Jungfreuds seinen Dienst verrichtete, der ihn auch gerne mit Patienten versorgte. In diesem Fall war ein möglichst schnelles Vorgehen notwendig, damit die alkoholbedingte Verwirrung Hiobsknecht des Jüngeren nicht etwa verflog. Für den psychiatrischen Paracelsus stellte der naive und unterwürfige Claudio einen echten Glücksfall dar, da er an dem Selbstmörder wider Willen allerlei neuartige Psychopharmaka ausprobieren konnte und fette Provisionen dafür kassierte; an Kassenpatienten verdient man ja sonst nix.
Der Psychiater fixierte seine illustren Besucher mit einer Miene, die routinierte Ärzte vermutlich für unheilbar Kranke reservierten, kurz bevor diese den Todeskandidaten ihr unglückliches Schicksal offenbarten.
‚Ich fürchte, meine Herrschaften, Ihr Sohn ist ein Onanist!‘
Von der Grabesstimme des Doktors irritiert sah Hiobsknecht Senior von Jungfreud leicht verwirrt an.
‚Ich verstehe nicht Herr Doktor! Der hat vorher noch nie Orgel gespielt!‘
Der Seelenreparateur schwieg zunächst völlig perplex, um dann amüsiert aufzulachen.
‚In der Tat, Ihr Filius orgelt sich gelegentlich einen ab. In Ihren Kreisen bezeichnet man das, so glaube ich, auch mit einen herunterholen.‘
Willis Augen versprühten einen dermaßen gewaltigen Feuersturm, der sich durchaus mit dem Odem Fafnirs des mythologischen Drachen der Siegfriedsage, vergleichen ließ.
‚Die Sau!‘
Der sympathiebedürftige Seelenarzt rieb sich hingegen rein psychisch die Hände.
‚Denken Sie nur an die gesundheitlichen Schäden, die durch die sexuellen Ausschweifungen Ihres lasterhaften Sohnes entstehen können: Erblindung, Demenz, äh, Verblödung und all das Andere!‘
Krimhildes simples Gemüt realisierte in der Zwischenzeit den Sinn der psychologischen Expertise und erbleichte in Fassungslosigkeit.
‚Oh nein, diese Schande. Dieses verkommene Kind! Nein, nein, das darf nicht sein! (...)‘
‚Ruhe Frau! Diesen Wichser werde ich schon zur Räson bringen! Ich habe da einige Sachen früher bei der Hitlerjugend gelernt. Ich muss darauf bestehen, Herr Doktor, dass Sie mir den Perversen ausliefern, um ihm seine kranken Angewohnheiten mit bewährten, deutschen Mitteln auszutreiben und ein Strafgericht zu halten!‘
Allmählich begann der gar fürsorgliche Vater dem abgebrühten Chefarzt Angst einzujagen. Normalerweise machte die sexuelle Schiene das kleinbürgerliche Spießerlein mundtot und fügsam, aber bei diesem Typen stimmte zwar die Richtung, aber leider nicht das gewünschte Resultat. Jungfreud beschloss seine ultimative Wunderwaffe einzusetzen!
‚Das ist leider noch nicht alles! Es schmerzt mich Ihnen das offenbaren zu müssen: Ihr Sohn ist latent homosexuell!‘
Vor Grauen erstarrte förmlich der Körper des gealterten Hitlerjungens, während seine Frau mit untypischer Schnelligkeit den Sinn des gesagten erfasste und einen fürchterlichen Schrei ausstieß, der dem bevorzugter Opfer in von ihr präferierten Horrorfilmen glich.
‚Der muss krank sein, krank sein im Gehirn! Das Schwein kastrier ich, wie einen läufigen Kater. Kann man den nicht am Kopf operieren oder Stromschläge geben!‘
Ob des Übervaters cholerischen Ausbruchs lächelte der Meister aller imaginären, mentaler Störungen maliziös, endlich verlief die Konversation in gewohnte Bahnen.
‚Sie meinen natürlich Elektroschocks oder eine Lobotomie – eine sehr reizvolle Vorstellung! Ich denke aber eher an eine medikamentöse Therapie mit ganz ausgezeichneten Psychopharmaka der Firma Meyertod. Das sind ganz neue, wirkungsstarke Produkte mit unwesentlichen Nebenwirkungen wie katatone Schizophrenie. Weil Sie so tolle Eltern sind, bekommt Ihr kranker Sohn auch als aller erster die Medikation. Ich habe hier schon eine Einverständniserklärung vorbereitet, die alles Weitere regelt. Unterzeichnen Sie einfach und Sie haben mit der ganzen, hässlichen Angelegenheit inklusive Ihres psychotischen Abkömmlings nichts mehr zu tun!‘
Als fast gebrochener Mann und voller Verzweiflung sah der Archetyp aller väterlichen Gewalten den großen Wohltäter an.
‚Ich glaube, Herr Doktor, es ist wirklich das Beste, wenn Sie diesen Geisteskranken behandeln. Hilde, du Miststück, warte bis wir daheim sind, dann kannst Du was erleben, der kann unmöglich von mir sein!‘
Während die gescholtene Ehefrau leicht schüttelfrostartig bei dem Gedanken an zukünftige Zärtlichkeiten zitterte, lehnte sich der große Experimentator zufrieden in seinem exquisiten Chefsessel zurück.
‚Ich werde sogleich die Unterlagen von einer Assistenzärztin holen lassen. Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten, draußen haben wir ganz ausgezeichnete Kaffeeautomaten für unsere Hilfskräfte von der Firma Muckefuck.‘
‚Sehr nett von Ihnen, Herr Doktor, aber ich mag keinen Kaffee und meine Frau bekommt keinen!‘
Jungfreud feixte verständnisvoll und bediente gleichzeitig die Sprechtaste des Inerkoms.
‚Frau Dr. Nightingale bringen Sie mir doch die Unterlagen für diesen Hiobsknecht! Die haben Sie doch hoffentlich schon ausgefüllt?‘
‚Natürlich Dr. Pill(…), Herr Doktor Jungfreud!‘
‚Dann aber pronto und melden Sie sich danach bei der Personalabteilung!‘
Heiteren Gemüts angesichts der kommenden Aufmerksamkeiten der Firma Meyertod ließ sich der großzügige Chefarzt herab, den nach immer leicht aufgewühlten Hiobsvater anzulächeln.
‚Das Personal heutzutage ist wirklich unmöglich und diese Frau mit Ihrem kontraproduktiven Verständnis für psychisch Kranke werde ich in Bälde entsorgen. Seien Sie beruhigt, Herr Hiobsdreck, ich werde mich schon um Ihren Sohn in profitabler Form kümmern. Wissen Sie, ich sehe mich nämlich als coolen Humanisten!‘
Luzifer interveniert:
Wie ihr euch vermutlich denken könnt, verstand unsere Zierde jeglicher Vaterschaft so ungefähr die Hälfte von den vorhergehenden Äußerungen.
‚Herr Doktor Kumanis, Sie haben bestimmt sehr lange auf der Akamie studieren müssen, um diesen Titel zu bekommen. Ich bin sicher das kranke Arschloch ist bei Ihnen sehr gut aufbewahrt!‘
‚Sie sind so herrlich erfrischend Herr Hiobsrecht! Ah, da sind Sie ja Nightingale (…)
In bewährter Manier kürzen wir auch hier ab:
Natürlich unterschrieben die treusorgenden Eltern -Hilde natürlich nur auf ordre de mufti- das Dokument und bescherten dem ungeliebten Filius einen 20-jährigen Aufenthalt in allerlei psychiatrischen Anstalten. Aufgrund einer Gesundheitsreform äußerst sozial und christlich denkender Parteien, die zwar offiziell Inklusion propagierte, aber natürlich nur wieder Kostenersparnis bei den Schwächsten bewirken sollte, entließ man Claudio in die freie Wildbahn, in der er dann nach sechs Jahren als Obdachloser verschied.
Dackelsche reagiert:
(…) ich sehe mich nämlich als coolen Humanisten!‘
Hiobsknecht sprang wie ein kleines Springteufelchen von seinem unbequemen Sitzplatz auf und schlug zum Entsetzen unseres Menschenfreunds ganz gewaltig mit der Faust auf den edlen Schreibtisch.
‚WAS, ein schwuler Kommunist! Fast wäre ich auf Dich hereingefallen, Du verfluchter Bolschewik! Hilde, wo ist das Hackebeil! Du hast den kleinen Bastard verführt und meine Ehre besudelt, Dir werde ich es zeigen!‘
(…)
Okay, machen wir wieder einen Shortcut:
Der väterliche Choleriker hechtete mit einer außerordentlichen, hochspringerischen Leistung über den Schreibtisch, um den missverstandenen Doktor samt krokodilledernen Sitzmöbel zu Boden zu

Pünktlich zum Juni und zu eurem Vergnügen. Eigentlich keine richtige SF, aber hoffentlich trotzdem unterhaltsam.
Cheerio
Euer
Q.A:

Veröffentlicht / Quelle: 
Nonsense 2_D

Seiten

Interne Verweise

Kommentare

01. Jun 2019

Lange Texte haben's schwer -
Hier lohnt das Lesen freilich sehr!

LG Axel

02. Jun 2019

Du bist ein Wortmagier. Sei nicht zu stolz drauf, sonst öffnen sich die Portale
und deine Ungeister kommen dich besuchen.
HG. Olaf
Lucifer würde ohnehin sagen: Du gleichst dem Geist, den du begreifst. Nicht mir !!!

03. Jun 2019

Hoffen wir, dass meine Magie kein fauler Zauber eines Lehrlings ist und man die Geister auch wieder loswird.
LG
QA

Seiten