Ernten, was man sät ...?

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

"Predigt" am Donnerstag: Der Mensch erntet, was er sät ... Dieser Slogan von Saat und Ernte … sollte – wie jeder Spruch – hinterfragt werden: Er hat einen bitterbösen Beigeschmack. Zu viel Selbstgerechtigkeit schwingt darin – und er ist völlig aus dem „Kontext“ des Lebens gerissen. Opfer werden zu Tätern, Gott zum Rächer stilisiert, der den Menschen all jene Ergebnisse präsentiert, die sie angeblich ganz allein verschuldet haben. Ausschlaggebend ist allein, dass jeder mit seiner Ernte zufrieden ist oder zufrieden wird oder seine Lehren daraus zieht. Das ist meiner Meinung nach viel wichtiger, als aufgrund eines guten Karmas ohne den geringsten Zweifel gesät und geerntet und dabei auf all jene herabgeschaut zu haben, denen das Pech bereits in die Wiege gelegt wurde.
Und ganz nebenbei möchte ich noch dazu bemerken, dass fast jeder, der dieses Zitat in den Mund nimmt, vor Selbstzufriedenheit trieft, sich auf die eigene Schulter klopfend; aber seine Ernte kann noch so „gut“ und „wohlgeraten“ ausgefallen sein: Es wird – glücklicherweise – immer Menschen geben – die skeptisch sind, Zweifel hegen und sich andere Ernteerträge für die Welt wünschen, nämlich solche, die nicht ganz so reibungslos, dafür jedoch menschlicher abgelaufen und weitaus nachhaltiger sind.

Die Ernten, die ich angesprochen habe, sind andere als jene, die in diesem Sommer zwar nicht ins Wasser gefallen, deren Einbußen jedoch zu einem nicht geringen Teil der Hitze geschuldet sind. Der Klimawandel könnte schuld daran sein. Aber auch der Klimawandel ist zu hinterfragen. Das Fragen und Infragestellen darf nicht aufhören. Trotz guter Saat kann es schlechte Ernten geben – nicht allein in der Landwirtschaft. Und trotz guter Ernten schmeckt nicht jedes daraus resultierende Produkt wie der Leib Christi. - Deshalb, liebe Freunde: Kopf hoch und nicht traurig, sondern zuversichtlich sein, falls eure Ernten nicht so glänzend ausgefallen sind wie die einiger Mitmenschen und wie ihr sie euch erhofft habt. Alles unterliegt dem Wandel, auch EURE Ernten, die andere aufgrund ihrer Überheblichkeit für Missernten halten.
Wer gestern auf "Arte" den preisgekrönten, aufwühlenden Film "Hitlerjunge Salomon" gesehen hat, weiß, wie sehr auch der Mensch dem Wandel unterliegt, unterliegen muss, um in dieser Welt überleben zu können: in besagtem Film dem Wandel vom jüdischen Kind zum jugendlichen Bolschewiken, vom Hitlerjungen wiederum zum jungen Bolschewiken, dann zuletzt wieder Hitlerjunge und am Erschießungstod noch einmal vorbeigeschrammt, um endlich wieder Jude sein zu dürfen.

Eigene Gedanken nach dem Lesen einer Predigt im Internet.

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