Bürgersteige oder autofreie Strassen in Einkaufszonen sind öffentliche Gehwege für alle. Hierzulande sind sie meistens mit teurem Pflaster versehen, alles vom Feinsten, denn wir sind ein reiches Land. Überall stehen Abfallbehälter, die Aufforderungscharakter haben und regelmäßig geleert werden. Warum aber landet der Müll trotzdem immer öfter auf der Straße und nicht im dafür vorgesehenen Behälter? Was habe ich da alles schon liegen sehen? Ganze Sätze von Werbezeitungen, die dann vom Wind verweht werden, weggeworfene Fahrradlenker, Untertassen, alte Antennen, Monitore, Plastiktüten, leere Kartons, Verpackungen aller Art, die man loswerden möchte. Abfallbehälter zu suchen ist zu mühselig, also nichts wie weg, ist ja nicht strafbar. In Kneipen besteht Rauchverbot, also genießt man sein Zigarettchen auf der Straße. Die von mir Ümpel genannten Rauchwarenreste mit und ohne Lippenstiftmarkierung werden ungeniert auf die Straße geworfen, nach uns die Sintflut. Sollen die Müllmänner den Kram wegkehren, was interessiert es mich, ich zahle schließlich Steuern. Wer das Rauchen ganz aufgegeben hat, kaut stattdessen. Soll gesund sein für die Zähne und für’s Hirn. Die ausgekauten Chewinggums werden auf die öffentlichen Wege gespuckt. Und der nächste Passant tritt sie platt. Schwarze Placken überall. Rücksichtslos. Ekelhaft, nur schwer wieder zu entfernen. Warum nur? Wer sind „sie“? Du etwas? Niemals! Ich auch nicht, never! Aber – wer dann? Nicht besser geht es in öffentlichen Parks zu und an den Stränden von Seen und Meeren. Schaut euch um, es wird schlimmer.
Die Folgen der wachsenden Egomanie zeigen sich aber nicht nur in unserem Land, sondern weltweit. Denken wir an die Ozeane der Welt. Cirka 70 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Doch heute schwimmen in jedem Quadratkilometer Meerwasser hunderttausende Teile Plastikmüll. Seevögel verenden qualvoll an Computerteilen in ihrem Magen, Fische halten kleinste Plastikteilchen für Plankton, Schildkröten verwechseln im Wasser schwebende Plastiktüten mit Quallen. Es gibt noch mehr von uns Menschen durch grenzenlosen Egoismus verursachte Katastrophen mit weltweiter Auswirkung wie die Abholzung der Regenwälder. Man benennt, bedauert und bemängelt es ununterbrochen, es wird gefordert, man müsste, man sollte, doch es ändert sich wenig. Auf den großen internationalen Konferenzen wird viel darüber geredet, aber wenig beschlossen und das meiste vertagt. Jeder Staat hat in erster Linie seine egoistischen nationalen Ziele meistens im Zusammenhang mit der nächsten Wahl im Sinn.
Wir müssen grundsätzlich umdenken und dabei nicht nur das eigene Land, sondern die Zukunft der Erde im Blick haben. Der internationale Gemeinsinn muss trainiert werden. Dieser Begriff ging offenbar verloren in dieser vom weltweit verbreiteten Smartphone ermöglichten Selfiewelt, in der man nur sich selbst betrachtet. Ich und der Kölner Dom! Ich und der Eifelturm! Ich und mein neues Tattoo! Schaut mich an, hört mir zu, ich bin ja sooo wichtig! Alle Welt muss es lesen, sehen und mit einem Klick loben. Man modelliert sein Ego permanent und bespiegelt sich selbst. Man schottet sich ab und tauscht sich lieber mit virtuellen als mit realen Freunden aus. Teilt Sorgen und Freuden mit Wildfremden, verwechselt das mit Freundschaft. Und vergisst dabei, dass keiner von denen auf der Matte steht, wenn du krank bist oder Kummer hast. Man kommuniziert mit unbekannten Menschen, die ihre Identität verschleiern, und misst sich mit einer ständig wachsenden Zahl an virtuellen und oft digital retouchierten Idealkörpern. Es sind nicht nur die Promis dieser Welt, die via Facebook, Instagram, Pinterest, Snapchat oder WhatsApp die Welt mit Fotos überschwemmen. Nein, es ist Jedermann, Jedefrau. Die Sucht nach Selbstdarstellung ist allgegenwärtig.
Die Begriffe Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn scheinen ihre Wirkkraft verloren zu haben. Das „liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ ist leider nicht mehr „in“. Solche Ich-Modellierung durch permanente Selbstinszenierung führt mit Sicherheit in eine narzisstische Gesellschaft und letztendlich zur Entsolidarisierung, zu sozialer Kälte. Es ist gefährlich, wenn sich eine ganze Generation von Heranwachsenden nur noch selbst bespiegelt. Unsere demokratische Gesellschaft ist doch darauf angewiesen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger nicht nur darauf beschränken, alle paar Jahre wählen zu gehen. Wir müssen mitdenken und handeln und Verantwortung übernehmen. Das muss schon im Kindesalter trainiert werden. Wie wär’s statt Ich und meine neueste Jeans mit: Ich und die Menschen, mit denen ich zusammenlebe? Ich und das Stückchen Papier in der Hosentasche für den Zigarettenrest oder das ausgekaute Chewinggum? Ich und meine Umwelt? Ich und der Hunger in der Welt? Oder läuft es nicht über Einsicht und wir brauchen harte Strafen, so wie in Singapur? Dort ist es blitzsauber, ein achtlos hingeworfenes Taschentuch und erst recht ein ausgespucktes Kaugummi kann mit einer hohen Geldstrafe geahndet werden. Wenn es nicht anders geht, dann eben so? Müll aus dem Autofenster 500 Euro? Kaugummi auf die Straße 100 Euro? Und so weiter, und so fort? Aufpasser in Uniformen stehen überall und kassieren sofort? Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose werden zu Hilfspolizisten umgeschult und zu diesem Job zwangsverpflichtet? Ein Polizeistaat quasi, in dem letztlich jeder jeden bespitzelt? Will ich das? Hatten wir das nicht schon einmal vor wenigen Jahrzehnten?
Was kann ich selbst tun außer mich bemühen, in meinem Alltag Regeln einzuhalten, über alles nachdenken, mir und euch Fragen zu stellen und immer wieder darüber zu reden?
(Verfasst und eingestellt am 3. Juli 2017)