CHILLEN

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oder: Nachhilfe für Neulinge in Neudeutsch

Liebe angehende Freunde neudeutsch-verbalen Kulturgutes, heute möchte ich Ihnen gerne einmal einen Überblick betreffs der Bedeutung und des Gebrauches des Verbums "chillen".

Ich benutze hier bewusst die lateinische Form "Verbum", was ja soviel wie "Tätigkeitswort" bedeutet. Von einer echten Tätigkeit kann allerdings bei "chillen" weniger die Rede sein, denn es bedeutet primär soviel wie "ausruhen, entspannen". Oder eben auch abhängen, wobei nicht eigentlich etwas abgehängt wird, keine Wäsche, kein Filetstück, kein Anhänger, kein Delinquent, kein Weihnachtsbaum nach dem Dreikönigstag.

Es ist zumeist ein Mitbürger im postpubertären Alter, der dieser Tätigkeit frönt, und was er abhängt, ist er sich selbst. Oder die Uhr an der Wand, damit er nicht gleich sieht, wann damit Feierabend ist.

Tatsächlich wird das Wort „chillen“ vorwiegend von Angehörigen der jüngeren global-anglophilen Generation genutzt, und es beliebt wird im Großen und Ganzen, in seiner Bedeutung von "rumhängen, nichts tun, faulenzen" in Anspruch genommen zu werden. Wir, die Teens der Siebziger, hatten bestenfalls „relaxt", wenn’s denn schon in Englisch sein musste.

Ein Angehöriger dieser Zielgruppe sagte mir neulich, gerade weil "chillen" auch mit dieser Aussage des schwerpunktmäßig praktizierten Muskelschonens belegbar ist, habe sich, so Besagter, das Verhältnis von ihm zu seiner Mutter deutlich verbessert. Wenn sie früher angerufen und gefragt habe, was er gerade so mache, und er ihr erklärt habe, er tue gerade einmal nichts und wieder nichts und sei dabei, sich davon auszuruhen und zu entspannen, so sei die Mutter indigniert und eingeschnappt gewesen, da die wusste, dass er für gewöhnlich ohnehin nichts brauchbar Aktives zustande zu bringen gewillt war. Und auch nichts wirklich Brauchbares zustande brachte., Seitdem er jedoch pro Anruf obiges Wort dazu eingesetzt und gesagt hatte, er sei kräftig und umfangreich dabei zu chillen, seien die Reaktionen der Mutter darauf weitaus versöhnlicher geworden, ja geradezu erfreuter bis manisch-euphorischer Natur, denn sie habe ja nun den Eindruck, dass er etwas absolut Produktives täte. Eben als "Chiller".

Ja eben! Gerade diese "Chiller" waren uns bislang nicht bekannt. Wir wussten zwar, dass sich vornehm-betuchte Damen aus besseren Kreisen früher gerne um die Schultern einen pelzigen Chiller aus China legten, einen so genannten "Chin-Chiller". Oder dass sie sich bestenfalls beim Friseur modische "Chiller-Locken" ondulieren ließen. Auch dass die etwas bescheideneren Herren gerne unter dem Sakko ein "Chillé" trugen. Oder "Chiller-Locken" aßen, egal wie fettig. Oder Chill-Kröten-Suppe. Mit oder ohne Chilli-Pepper, vom Chillsitter Scheibenkäse ganz zu schweigen.

Kulturell gesehen lernt heute keiner mehr "Chiller’s Glocke" von vorn bis hinten auswendig, und die Menschen chillen auch nicht mehr nach dem Glück, nur noch nach dem schnellen Erfolg. Oder achten gesetzestreu als Autofahrer auf wichtige Verkehrs-Chiller im großen, unübersichtlichen Chillerwald.

Man schläft auch heute nicht mehr in der Kirche ein, man chillt höchstens in the Church, gehört damit zu den Church-Chillern und liegt voll im Trend; in England war Churchchill schon mal ganz up to date, auch unter Politikern.

Ja und was sonst noch? Vergessen wir nicht Walter Chiller und Nadja Chiller, das beliebte, wenn auch nicht müde Schauchiller- hm - Schauspieler-Ehepaar. - Und wenn Sie dieser Text nun so gelangweilt hat, dass sie kurz vor dem Einschlafen sind: kaufen Sie im Zoogeschäft eine Packung "Chill"-Sittich-Futter mit den beliebten Jod-S-11-Körnchen, das aktiviert Ihre Chill-Drüse und Sie können wieder mal wie ein Vöglein bei der Hochzeit das lustige "Chillirallala!" anstimmen.

Mit freundchillen Grüßen,
Ihr Chill Eulenspiegel.