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23. April 2013
Das Große Barriere-Riff ist ein Naturphänomen, das nur mit Superlativen beschrieben werden kann (die folgenden Fakten sind aus der offiziellen Website http://www.gbrmpa.gov.au):
Es ist ca. 2300 km lang, besteht aus über 3000 Korallenriffen, ca 1000 Inseln und unzähligen Sandbänken. Mit 345000 km2 ist es größer als Großbritannien, Schweiz und Holland zusammen. Es ist der Lebensraum von (bisher entdeckten) 600 verschiedenen Korallenarten, 1625 verschiedenen Fischarten, 3000 Varianten von Weichtieren und hunderten anderen Tierarten.
Das Große Barriere-Riff wurde in tausenden von Jahren von Korallen (koloniebildende Nesseltiere) "gebaut". Am bekanntesten sind die Steinkorallen, die den Hauptanteil an der Entstehung der Korallenriffe haben. Hier finden sie ideale Lebensbedingungen (Wasser ständig zwischen 20 und 30 Grad warm und nicht tiefer als ca. 50 Meter). Steinkorallen bilden durch Einlagerungen von Kalk Skelette, durch die Korallenbänke und schließlich Korallenriffe bis zur Meeresoberfläche entstehen, da totes Skelettmaterial fortwährend von lebendigem Gewebe überwuchert wird.
Die vielen Riffe, die Größe variiert zwischen 50 m2 und 50 km2, bilden eine für Schiffe fast undurchdringliche Barriere, deshalb der Name. Es gibt nur wenige sichere Passagen. Das musste James Cook 1790 erfahren, der als erster die australische Ostküste befuhr und dabei mit seinem Schiff Endeavour auf ein Riff auflief.
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Einschiebung
David Attenborough erzählt in seiner neuesten Filmserie über das Great Barrier Reef eine interessante Geschichte über die Entstehung des Riffs, wie sie noch heute von den Nachfahren der damals dort lebenden Aborigines mittels eines Tanzes "erzählt" wird. (Schriftliche Überlieferungen kennen Aborigines nicht.) Er sprach mit einem Nachfahren, während eine Gruppe den Tanz vorführte. Dieser Tanz "berichtet", dass das Meer damals das Küstenplateau überflutete und die dort seit Jahrzehntausenden lebenden Ureinwohner Australiens sich in höheren Lagen zurückziehen mussten.
Dies deckt sich mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen: Das Schmelzwasser am Ende der letzten Eiszeit (vor 15-10000 Jahren) ließ den Meeresspiegel ansteigen.
Dieses mehr als 2000 km lange Küstenplateau liegt um die 50 Meter unter dem Meeresspiegel. Zusammen mit der beständigen Wärme und Sonneneinstrahlung die ideale Bedingung für die kleinen Nesseltiere, die das Riff (das aus vielen kleinen Riffen besteht) in den zurückliegenden Jahren "bauten" und immer noch baut.
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Nur einige wenige Korallenriffe sind für den Besuch von Touristen freigegeben. Das kleine Airlie Beach (2700 Einwohner) und das größere Cairns (fast 100000 Einwohner) haben mit zusammen 80% den Löwenanteil an diesem Geschäft. In Airlie Beach kann man sich per Boot, Hubschrauber oder Kleinflugzeug zum "Hardy Reef" bringen lassen. Ungefähr 2 Millionen Menschen besuchen jährlich eines dieser Riffe.
(2013 kamen nach meiner Berechnung ca. 0,002 Promille aller Besucher aus der Kleinstadt Åmål, Schweden, nämlich meine Frau Gullan und ich.)
Das Hardy Reef liegt ca. 75 km von Airlie Beach entfernt. Es ist ca. 2 x 10 km groß. Dass die Korallen hier an der Ostküste Australiens einen riesigen und zugleich perfekten Lebensraum haben, zeigt die Tatsache, dass das zweitgrößte Barriere-Riff der Welt, das Belize Reef in der Karibik, "nur" 290 km lang ist. Es gibt aber auch schon Anzeichen, dass die Bedingungen aufgrund menschlicher Eingriffe sich versculechtern.
Ein früherer Wohnungstauschpartner gab uns die Möglichkeit eines Zwei-Wochen-Aufenthaltes in Airlie Beach, indem er uns seine beiden Ferienwohnungen überließ (eine für Gullan und mich, die andere für Tochter Karin mit Familie).
Dieser kleine, idyllisch gelegene Ort, ca. 1000 km nördlich von Brisbane, hat sich zu einem der beliebtesten "Eingangstore" zum Großen Barriere-Riff entwickelt. Das liegt auch daran, dass er gleichzeitig der nächste Nachbar mehrerer traumhafter Insel-Nationalparks (u. a. den bekannten "Whitsundays") ist.
Am 23. April machten Gullan und ich einen Tagesausflug an das Hardy Reef. Am Riff selbst waren wir nur 4 Stunden. Die Fahrt mit dem Boot hin und zurück dauerte ca. 6 Stunden.
Um 7:10 Uhr sollten wir mit einem Bus an unserem Resort abgeholt werden, der uns zum Schiff am Hafen Abel Point bringen sollte. Vier Damen standen mit uns und warteten. Pünktlich um 7:10 Uhr bog ein Minibus in den Parkplatz vor unserem Resort ein. Die vier Damen durften einsteigen, Gullan und ich nicht. Die Damen hatten eine ganz andere Tour gebucht. Als um halb acht immer noch kein Bus aufgetaucht war wurde ich unruhig und rief ich die Reederei an. "Bus unterwegs, kommt gleich". Das fing ja gut an. Als wir dann im Bus saßen machte der Chauffeur eine ausschweifende Rundfahrt um weitere Passagiere abzuholen. Nun war der Bus voller junger Leute, zwei davon waren über siebzig Jahre alt. Kurz vor acht waren wir dann endlich am Hafen. Zu Fuß wären wir in 15-20 Minuten da gewesen. Wir sind diese schöne Strecke entlang der Strandpromenade schon öfters gegangen.
Mit einem Schiff, das bis zu 400 Passagiere befördern kann, machten wir die 3-stündige Reise zum Hardy Reef. Laut Mitteilung des Kapitäns waren an diesem Tag 215 an Bord. Das Wetter war perfekt, 30 Grad und kaum Wind.
Nachdem Tochter Karin vor einigen Tagen nach ihrem Tauchgang (an der Hand einer Instrukteurin) zurückkam und den emotionalen Satz "Ich bin glücklich" sagte, entschloss ich mich spontan, dass ich das auch machen wollte. Ich habe nie in meinem Leben ans Tauchen gedacht und bei einem eventuellen Besuch am Riff wollten Gullan und ich durch Schnorcheln (auch noch nie gemacht) die Unterwasserwelt erleben. Auf die Idee, dass auch Gullan es Karin nachmachen wollte wäre ich nie gekommen. Sie ist weder spontan noch abenteuerlich veranlagt. Am Tag vor unserem Ausflug kam sie jedoch mit der Frage: "Meinst du ich sollte auch den Tauchgang wagen?" Wir buchten ihn!
An Bord kamen wir mit einem netten, jungen Mann ins Gespräch. Er war 20 Jahre alt, hieß Jan, kam aus Hamburg und war einer der vielen Backpackers (Rucksacktouristen), die nach dem Schulabschluss ein Jahr in Australien verbringen, bevor das Studium oder die Lehre beginnt. Er hatte einen Tauchschein und bei der Reederei "Cruise Whitsundays" für die Hauptsaison einen Job als Tauchinstrukteur bekommen. Was er danach macht wusste er noch nicht, "eventuell besuche ich die Region Kimberley im Norden von Western Australia".
Als wir erzählten, dass wir einen Tauchgang gebucht hatten, wollte er uns bei den Vorbereitungen helfen. Das erste was gemacht werden musste, war das Ausfüllen eines umfangreichen Formulars (persönliche Angaben, eigenes Risiko, Gesundheitszustand..). Ich kenne das von meinem Sprung vom Sky Tower in Auckland, Neuseeland und dem Fallschirmsprung in
© Willi Grigor, 2013 (rev. 2016)
Zugehöriges Gedicht:
literatpro.de/gedicht/090616/am-great-barrier-reef
Kommentare
Hallo Willi,
ich habe Deinen Bericht mit großem Interesse gelesen. Zeile für Zeile. Du hast so lebendig geschrieben, dass ich sehr schöne Bilder vor meinem inneren Auge hatte. Vielen Dank, dass Du uns an diesen Erlebnissen teilhaben lässt.
LG, Susanna
Liebe Susanna,
Deine Aussage freut mich ungemein. Hat mich doch die erste Australienreise 2006 zu meinen ersten Schreibversuchen gelockt. In Hobart 2013 bekam ich dann einen magischen Anstoß zum Dichten (AU 2013 01 Schlüsselerlebnis in Hobart). Vielleicht hast Du das ja auch gelesen.
Viele Grüße
Willi
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