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Sie erzählten uns, dass an diesem Abend ein kostenloses Freilichtkonzert mit dem Melbourner Symphonieorchester im nahegelegenen Park gegeben wird. Dies sei sehr beliebt. Die Leute kommen sehr früh, machen Picknick mit Wein oder Sekt vorher und es herrscht immer eine gute Atmosphäre. Open Air-Konzerte mögen wir wirklich und wir beschlossen, diese Gelegenheit nicht zu verpassen. Ich sage es schon jetzt: diese Konzerte mit dem Drumherum (es werden jedes Jahr vier gegeben, zwei konnten wir miterleben) waren für uns der Höhepunkt unserer zwei Wochen in Melbourne.
Nach dem Kaffee wanderten wir alle vier in Richtung des Parks, der ganz in der Nähe der City an der anderen Seite des Flusses liegt. An der Brücke verabschiedeten wir uns und wir gingen in den Park. Ein Blick auf die Karte zeigte, dass mehrere Parks und der besonders imponierende Botanische Garten zu einem einzigen, imponierenden Parkgelände zusammengebunden ist. Wir haben fast alles durchwandert und uns auch die "Schüssel" (Myer Music Bowl), wo die Freikonzerte gegeben werden, durch den Zaun angesehen.
Jetzt wollten wir nach Hause, um uns etwas auszuruhen. Geduscht und ausgeruht fuhren wir danach mit der Straßenbahn wieder Richtung Innenstadt. In dieser machten wir die Bekanntschaft mit zwei älteren Damen - eine 102-jährige mit ihrer Tochter. Daraus entwickelte sich eine weitgreifende, nahezu unwahrscheinliche Geschichte, die ich in einem separaten Bericht erzähle, siehe
literatpro.de/prosa/140716/au-03-2008-melbourne-strassenbahnbekanntschaft
Wir hatten eine Flasche Wein, Weißbrot und Käse zum Picknick mit. Als wir die große Gedenkstätte für die in verschiedenen Kriegen gefallenen australischen Soldaten sahen, stiegen wir aus, weil dort das Parkgelände beginnt. Wir folgten dem Strom der anderen Besucher, die vollgepackt waren mit Campingstühlen und Picknicktaschen. Am Eingang der Anlage wurden die Taschen wie auf dem Flugplatz untersucht (nicht sehr genau). Es waren bereits sehr viele Leute da und hatten bereits mit dem Picknick begonnen. Die große, nach hinten ansteigende Rasenfläche war bereits voll. Direkt vor der Bühne waren feste Stuhlreihen für ca. 2000 Leute, alle schon besetzt. Nach einer Zeit hörten wir die Durchsage, dass die Tore geschlossen werden; die Maxzahl von 13 000 Besuchern war erreicht. Mehrere Tausend weitere hörten sich das Konzert im Park an, sahen aber nichts. Die meisten hatten eine große Auswahl von Vorspeise, Hauptspeise, Nachspeise, Wein, Sekt und Bier mit. Es war wie ein riesiges Treffen von Freunden und Familien.
Wir setzten uns etwas links von der Bühne und lauschtem dem Australischen Jugend-Symphonieorchester, das bis eine halbe Stunde vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung spielen sollte. Die Nachbarn rechts glaubten wohl, dass wir nichts Ess- und Trinkbares mithatten und baten uns Hühnerkeule an. Wir dankten und hoben unseren Käse und Wein hoch. Ich fragte mich, ob diese gemütliche Picknickatmosphäre nicht das Musikerlebnis schmälern würde. Dem war nicht so. Als die Musiker die Bühne betraten, änderte sich alles. Die Leute hörten auf mit Essen, Trinken und Gerede und es wurde fast so still wie in einem Konzertsaal.
Um 19 Uhr, es war noch hell, begann das Melbourner Symphonieorchester zu spielen: je ein Stück von Nielsen und Elgar. Nach einer Pause sollte dann Scheherazade von Rimsky-Korsakov als Abschluss kommen. In der Pause stand ich auf, um einige Bilder im Dämmerlicht zu machen. Ich stellte mich ganz oben direkt vor die Bühne und war vom Anblick begeistert: Links der Park, dann die Skyline der Innenstadt, in der Mitte die imposante Freilichtbühne mit der Menschenmenge davor und rechts eine weitere Skyline, ganz rechts die Rod Laver-Tennisarena; alles im schönsten Dämmerlicht.
Ich holte Gullan und wir hörten Scheherazade oben im Stehen an. Es war ein bewegend grandioser Abschluss. Das Publikum war begeistert und erklatschte sich eine Zugabe.
Wir waren dankbar, dass wir diesen Tipp von unseren Tauschpartnern heute Morgen bekommen hatten.
Im Programmheft lasen wir, dass es sich um eine Serie von vier solcher kostenloser Veranstaltungen innerhalb von zwei Wochen handelt. Wir hatten gerade die zweite erlebt, die dritte sollte am Mittwoch und die letzte am kommenden Samstag folgen. Wir beschlossen, auch bei den nächsten zwei dabeizusein. Am Mittwoch hatten wir unseren Regentag in Melbourne aber die letzte Chance nutzten wir. Dieses Abschlusskonzert war der populären Klassik und Operette gewidmet. Wir standen nach der Pause wieder ganz oben in der Mitte und waren happy. Einige Paare tanzten bei der Abschlussmusik von Johann Strauss.
Danach drehten wir uns zufrieden um, um zur Straßenbahnhaltestelle zu wandern. Im selben Augenblick erschreckte uns ein riesiger Knall und ein darauffolgendes grandioses Feuerwerk vom angrenzenden Park, direkt vor unserer Nase. Eine Abschiedsüberraschung, die es in sich hatte.
Wie gesagt: Wir erfuhren von diesen Konzerten rein zufällig. Aber auch wenn wir einen Besuch vorher geplant hätten: die Stimmung und Atmosphäre an diesem Platz hätten wir uns so nicht vorstellen können.
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Melbourne-Fakten
Melbourne ist die Hauptstadt des Bundesstaates Victoria in Australien. Sie ist mit ca. fünf Millionen Einwohnern nach Sydney (ca. 5,3) die zweitgrößte Stadt des australischen Kontinents. Die Einwohner von Melbourne werden im Englischen Melburnians genannt. Melbourne wurde 1837 nach dem damaligen britischen Premierminister Lord Melbourne benannt.
Die Bevölkerung der Stadt besteht zum größten Teil aus Einwanderern, die u.a. chinesischer, britischer, griechischer, italienischer und irischer Herkunft sind.
Das Gebiet der heutigen Stadt Melbourne war seit etwa 35.000 Jahren von ca. 20.000 Aborigines besiedelt. Für sie war das Gebiet ein bedeutender Treffpunkt und stellte darüber hinaus eine wichtige Quelle für Wasser und Lebensmittel dar. Im Jahre 1803 wurde das Gebiet erstmals von Europäern erkundet und 1835 siedelten europäische Siedler von Tasmanien über und gaben der Bucht den Namen Port Phillip.
Als 1901 sechs britische Kolonien sich zum "Australischen Bund" zusammenschlossen, war die Rivalität zwischen Melbourne und Sydney so groß, dass keine der Städte es akzeptiert hätte, wenn die andere Hauptstadt geworden wäre. Man einigte sich schließlich darauf, dass irgendwo zwischen Melbourne und Sydney eine neue Hauptstadt gebaut werden sollte. 1909 einigte sich das Parlament auf den Standort der neuen Hauptstadt, das heutige Canberra.
Als Gründer von Melbourne gelten John Batman und John Pascoe Fawkner. Batman kaufte 1835 den ansässigen Aborigine-Stämmen vertraglich rund 240.000 Hektar Land ab und gründete an der Nordseite des Yarra-Flusses eine Siedlung. Im Oktober.
Melbourne war im Gegensatz zu anderen Siedlungen im Südosten Australiens nie eine Strafkolonie, sondern wurde von Anfang an als Wohngebiet mit breiten Straßen und weitläufigen Parks geplant. Um 1840 lebten bereits über 10.000 Menschen in der Region rund um Melbourne.
Im Jahre 1851 wurde Melbourne die Hauptstadt der neu gegründeten britischen Kolonie Victoria. Melbournes größte Wachstumsperiode begann in den frühen 1850er Jahre, als im Binnenland Victorias Gold entdeckt wurde. Zu dieser Zeit entwickelte sich die Stadt zum Handels- und Geschäftszentrum der aus Übersee herbeiströmenden Goldgräber.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Stadt ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt, ihr Hafen wurde ausgebaut und bedeutende Industriebetriebe siedelten sich an. Nach der Gründung des Australischen Bundes im Jahre 1901 war Melbourne zunächst Sitz der australischen Bundesregierung, bis 1913 Canberra zur neuen Bundeshauptstadt wurde. Der Regierungsumzug wurde jedoch erst 1927 vollzogen.
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Es war ein Gefecht zweier Städte -
die Siegerin wird "Königin".
Die eine war hübsch, eine nette,
die andere gesetzt, seriös.
Der Kampf war ein Kampf von Bedeutung:
Das Land gibt der Sieg'rin die Macht
und damit, welch schöne Begleitung,
als Hauptstadt mehr schillernde Pracht.
Auch Städte sind Menschen - sie streiten,
weil jede die bessere ist.
Die Missgunst, der Neid sie begleiten,
beraten von Tücke und List.
Dem Land wollte dies nicht gefallen
und meinte: "Jetzt ist es genug!"
Im Nachhinein, alles in allem:
Die Lösung am Ende war klug.
Den Kampf zwischen Melbourne und Sydney
gewann ein Stück "Nichts", tief im Land.
Man gab ihm den Namen Canberra -
die Hauptstadt im Buschland entstand.
Nach fast, ja, unendlichen Jahren
im Busch es stand, das Parlament.
Am Anfang die Einwohner waren
nicht mehr als von Dörfern man kennt.
Auch Melbourne und Sydney sind Sieger:
Die beiden sich teilen die Pracht.
Das schlichte Canberra ist klüger,
trägt würdig die Bürde, die Macht.
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Einige weitere interessante Besuche in Kurzform:
Frankston
Wir hatten eine Wochenkarte gekauft, mit der wir Straßenbahn, Bus und Zug unbegrenzt innerhalb Melbourne benutzen konnten. Am Wochenende sogar noch viel weitere Strecken. Also wählten wir als ersten längeren Ausflug einen möglichst weit entfernten Ort, nämlich Frankston. Er liegt direkt an der Bucht vor Melbourne und hat sicherlich einen schönen Strand. Wir fuhren ca. eine Stunde im klimatisierten Zug. Die Außentemperatur war bestimmt über 30 Grad. Trotzdem gingen wir nach der Ankunft in sengender Sonne eine lange Strecke zu Fuß. Der Vorort Frankston war größer als wir dachten. Am Strand konnte man es nur im Wasser aushalten, was auch die meisten taten. Man musste allerdings weit hinauswaten, um schwimmen zu können. Badesachen hatten wir allerdings gar nicht mit, wir wateten, wie die Strandvögel.
Wir suchten und fanden schließlich einen Park. Dort legten wir uns in den Schatten eines Baumes. Die Rückwanderung zum Bahnhof war anstrengend da uninteressant und zu warm.
Fitzroy Park
Nur einige Minuten zu Fuß von der City. Hier steht das “Cooks Cottage”, das Elternhaus von James Cook. (Für die Australier der Entdecker Australiens.) Eine Privatperson hat es gekauft und von England hierher verfrachtet.
Tennisanlage im Olympia Park
Jedes Jahr schauen wir uns im Fernsehen das Grand Slam Tennisturnier in Melbourne an.
Nun hatten wir die Möglichkeit, diese grandiose Anlage zu besichtigen. Wir nahmen an einer Führung teil, bei der wir auch alle interessanten Räume der Rod Laver-Arena besichtigten. Ich saß kurz auf dem Interview-Stuhl, auf dem Roger Federer und alle anderen nach dem Spiel ausgefragt werden. Viel zu sagen hatte ich nicht.
Immigrationsmuseum
Nur einige Minuten zu Fuß von der Innenstadt. Ein imposantes Gebäude aus der Gründerzeit. Ein altes Bild zeigt, wie auf dem Yarra River vor dem Gebäude die Segelschiffe entladen wurden. Wir besuchten das Immigrationsmuseum, um mehr von der Einwanderungsgeschichte Australiens zu erfahren. Es war sehr interessant. Mehrere Einzelschicksale werden geschildert. 1:1-Modelle von Passagierkabinen verschiedener Schiffe von Beginn des 19. bis Anfang 20. Jahrhunderts. Fotografieren war nicht erlaubt.
Station Pier
Ca. 15 Minuten mit dem Nahverkehrszug bis zur Innenstadt.
Der Schiffsverkehr und die Schiffe für den Yarra River wurden zu groß. Ein großer Pier wurde Mitte des 19. Jahrhunderts an der Meeresbucht gebaut. Hier endete für die meisten Einwanderer die lange Seereise nach Australien.
Heute ist der Pier fast 1000 Meter lang und mehrere große Kreuzfahrtschiffe können gleichzeitig anlegen.
Docklands
"Docklands" ist das Gebiet der ehemaligen Dock- und Werftanlagen. Heute gehört es zum City-Bereich und wurde komplett modernisiert. In der Gründerzeit fuhren die Segelboote bis in das heutige Zentrum und deren Last wurde in langen Hallen, “Sheds”, gelagert. Nur eine einzige dieser Sheds ist noch vorhanden und wird hoffentlich für die Zukunft bewahrt.
Im Mittelpunkt steht die riesige Allzweck-Halle mit Rasenplatz und Schiebedach. Das Fernsehen machte schon jetzt, Monate im Voraus, Reklame für Andre Rieu und sein Orchester.
Southbank
Eine moderne Flaniermeile mit Geschäften und Testaurants am südlichen Ufer des Yarra River. Vor gar nicht so langer Zeit waren hier veraltete Fabriken aller Art aus der Gründerzeit. Nichts davon ist mehr da. Einige Gedenktafeln zeigen, wie es hier noch vor einigen Jahren aussah.
Yarra River Walk
Eine schöne, ca. 5 km lange Wandertour entlang des nicht besonders breiten Yarra Rivers von der Innenstadt bis zu unserer Wohnung an der Grange Road im Stadtteil Toorak. Ruderboote (Einer, Zweier, Vierer, Achter) sieht man ständig. Die Trainer fahren mit dem Fahrrad am Ufer entlang und geben Anweisungen über Megafon.
Um einen zusammenhängenden Wander-/Radweg entlang des Ufers zu bekommen, liegt er teilweise auf dem Wasser.
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Ein zweiter Höhepunkt der zwei Wochen in Melbourne war die Tagestour zur Great Ocean Road. Diese Tour hat einen eigenen Bericht verdient - und auch einen bekommen, siehe:
literatpro.de/prosa/080816/au-2008-04-melbourne-great-ocean-road
Donnerstag der 28. Februar war ein besonderer Tag. Wir flogen von Melbourne nach Brisbane um Sohn Axel, Schwiegertochter Cheron und Enkelkind Isaac in Brisbane zu treffen. Sie waren ja das eigentliche (Zwischen-)Ziel unserer langen Reise.
© Willi Grigor, 2008 (Rev. 2019)
Zugehörige Berichte:
literatpro.de/prosa/140716/au-03-2008-melbourne-strassenbahnbekanntschaft
literatpro.de/prosa/080816/au-2008-04-melbourne-great-ocean-road
Kommentare
Immer wieder lesenswert,
Was so von Fahrten man erfährt!
LG Axel
In welche Richtung man auch fährt -
ein jeder Ort hat seinen Wert.
Doch ist die Fahrt uns nun erschwert,
beziehungsweise ganz verwehrt.
LG
Willi
Danke für Text und Bilder - und dass Du mich wieder teilnehmen lässt an Deinen wunderbaren Erinnerungen, die Fernweh auslösen und Lust auf Reisen wecken, die zurzeit leider nicht möglich sind, lieber Willi ...
Liebe Grüße - Marie
Liebe Marie,
es freut mich außerordentlich, dass Du meinen Berichten von unseren Australienreisen folgst.
Diese vier Reisen durch sämtliche australischen Teilstaaten haben aus mir einen anderen Menschen gemacht. Dort begann die Lust zum Schreiben.
Danach haben uns keine Reiseziele mehr gelockt. Mehr und besser brauchte es nicht werden.
In dieser Beziehung hat das Coronaunglück uns nicht wehgetan. Aber schlimm ist es wohl für die vielen jüngeren mit Reiseblut in den Adern.
Ich bin jetzt fast mit meinen Berichten am Ende. Was fehlt, ist der Bericht von der ersten Reise 2006, doch er wird kommen. Ich habe damals keine Notizen gemacht, aber ich habe das Tagebuch von meiner Frau, meine Bilder und Erinnerungen. Diese drei Monate in einem schönen Haus nicht weit weg von Brisbane (die Besitzer wohnten gleichzeitig in unserem schneebedeckten Haus), die überwältigenden Ausflüge zum Uluru mitten in der roten Wüste und zur magischen Stadt Sydney gaben den Anstoß zu den folgenden Reisen.
Liebe Marie, ich hoffe es geht Dir gut.
Herzliche Grüße aus einem kalten Mai in Schweden schickt
Willi
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