Gefährlicher Sommer (Teil 17; Text 1)

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von Annelie Kelch

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Wir sind die Kegler.
Und wir selbst sind die Kugel.
Aber wir sind auch die Kegel, die stürzen.
Die Kegelbahn, auf der es donnert,
ist unser Herz.
(Wolfgang Borchert, Die Kegelbahn)

Das Konzert (Kapitel 17; Text 1)

„Wir brauchen unbedingt die Akten der Staatsanwalt­schaft“, verkündete Hannes, der mich mit einem Pfiff in den Hof beordert hatte, nachdem ich Mutti kurzerhand versetzt, Axel Kröger zu den Pferden geschickt und das Geschirr vom Abendessen allein abgewaschen hatte. Ich kenne den Lachauer Park bereits in- und auswendig, Christine, und hatte außerdem nicht die geringste Lust auf Muttis nervtötende Vorträge über die neuesten Modefum­mel.

„Ich bin ganz scharf darauf zu er­fahren, wo Helge gesteckt hat, als Knut er­mordet wurde“, sagte Hannes, nachdem wir uns in die Laube gesetzt hatten.
„Für heute Nachmittag hat er jedenfalls kein hieb- und stichfestes Alibi“, stellte ich fest. „Er soll in aller Herrgottsfrühe nach Lübeck gefahren sein – wegen einiger Ersatz­teile für diesen Lanz ...?“
„Lanz-Bulldog“, ergänzte Hannes.
„Richtig. Merkwürdiger Name. Mein Opa sagt, er sei erst gegen Abend heimgekommen. Jetzt reite er angeblich auf ,Herkules'.“
„Wer, dein Opa?“, fragte Hannes und tat erstaunt.
„Unsinn. Lass die blöden Witze. Helge natürlich.“
Hannes grinste von einem Ohr zum anderen.
„So wird das nichts, Hannes“, sagte ich. „Man muss schon mit dem nötigen Ernst bei der Sache sein.“
„Mein Gott“, seufzte er und verdrehte die Augen. „Man wird doch wohl noch einen Witz machen dürfen.“
„Nicht auf Kosten von Opa und Knut“, stellte ich klar. „Davon mal abgesehen, wird es nicht so einfach sein, an die Akten zu kommen. Es sei denn ...“
„Ja?“, fragte Hannes und sah mich erwartungsvoll an.
„Es sei denn, wir fahren nach Lübeck und steigen ins Gericht ein.“
„Weshalb eigentlich nicht? Das müsste doch zu schaffen sein. Schließlich geht es um das Wohl unseres Dorfes. Wer weiß, was sonst noch alles passiert.“ Hannes holte tief Luft. „Und außerdem möchte ich dir beweisen, dass mein Vater mit der ganzen Sache nicht das Geringste zu tun hat.“
Das weiß ich längst, wollte ihn beruhigen, aber ich befürchtete, dass er nach dieser Neuigkeit noch weniger darauf erpicht wäre, den wahren Mörder von Knut zu finden.
„Warte mal“, überlegte ich laut. „Bei Mord handelt es sich um ein Kapitalverbrechen. Das wird anhängig bei der Staatsanwaltschaft bei dem für den Bezirk zuständi­gen Landgericht.“
„Mensch, Katja“, staunte Hannes. „Was du alles weißt.“
„Es wäre doch mehr als dämlich, wenn wir die Registratur im falschen Gericht knackten.“
„Ja“, hauchte Hannes aner­kennend. Ich sonnte mich ein wenig in seiner Bewunderung und setzte noch eins obendrauf:
„Selbstverständlich stei­gen wir dort auch nicht ein, sondern lassen uns einschließen. Das ist weniger nervenaufreibend.“
Hannes nickte ergeben, dachte einen Moment nach und meinte: „Das würde allerdings bedeuten, dass wir dort nächtigen müssen.
„Aus der Traum“, seufzte ich, „über Nacht vom Hof wegzubleiben, das erlauben mir Mutti und Oma nie und nimmer.“
„Habt ihr denn keine Bekannten in Lübeck, wo man mal übernachten könnte?“, wollte Hannes wissen.
„Doch“, sagte ich, „Tante Sarah und ,Onkel Hör mol'n beeten tau'.“
„Hör moln beeten, was?“, fragte Hannes entgeistert.
„So nennen wir Onkel Ludwig, weil er jeden zweiten Satz mit ,Hör moln beeten tau' beginnt.“
„Feine Verwandtschaft“, sagte Hannes. Seine Miene war skeptisch.
„Onkel Ludwig und Tante Sarah sind in Ordnung. Tante Sarah ist übrigens Halbjüdin.“
Ich sah ihn ge­spannt an.
„Du bringst das in einer Art und Weise hervor, als wolltest du hören, ob ich Vorurteile hätte“, sagte Hannes vorwurfsvoll.
„Nicht?“, fragte ich. „Um so besser. Jedenfalls gibt es keinen Grund, weshalb wir bei Tante Sarah und Onkel Ludwig übernachten sollten, und wenn wir die Akten der Staatsanwalt­schaft lesen wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns über Nacht in der Registratur einschließen zu lassen. Aber mir kommt gerade eine viel bessere Idee. Sieht Konny nicht jetzt schon wie ein typischer, potentieller Jurist aus? Wir müssen ihn einweihen“, beschwor ich Hannes. „Mit euch beiden könnte es klappen.“
„Wie denn?“, fragte Hannes wenig motiviert.
„Ihr spaziert ins Ge­richt, hört euch irgendeine Verhandlung an, und später dann fragt Konny einen Beam­ten, ob ihr die Registratur besichtigen dürft; er wolle Richter werden und es interessiere ihn brennend, wie die Akten registriert und gelagert werden."
„Aber ...“, begann Hannes.
„Lass mich bitte zu Ende reden. Natürlich müsst ihr den Raum wieder mit ihm verlassen, aber ihr wisst dann zumin­dest, wo sich die Registratur befindet. In einem günstigen Moment schleicht ihr euch hinein und lasst euch über Nacht einschließen. Was sagst du dazu?“
Ich ließ mich erschöpft in die Efeuwand sinken.
„Hmhm“, machte Hannes zu meinem fantastischen Vorschlag. „Und wie sollen wir meinem Vater und Tante Selma erklären, weshalb wir außer Haus nächtigen müssen?“
„Ihr wollt eine Radtour machen und in einer Jugendherberge übernachten. Es wäre einen Versuch wert, Hannes, und darüber hinaus die einzige Chance, an Helges Alibi zu kommen. Wenn wir wissen, wo er zum Tatzeitpunkt gewesen sein will, sind wir einen riesigen Schritt weiter. Vielleicht ist er überhaupt nicht gefragt worden oder die Kripo­beamten haben sein Alibi nicht korrekt überprüft.“
„Und was machen wir, wenn der zustän­dige Richter die Akten mit nach Hause genommen hat?“, wandte Hannes ein.
„Der Fall ist doch längst abgeschlossen. Außer uns denkt doch kein Mensch mehr an Knut“, sagte ich.
„Ich würde sogar behaupten, dass du der einzige Mensch bist, der unablässig an Knut denkt, aber na gut“, knurrte Hannes.
„Zeitgleich, liebe Katja, ist ein zweiter Brief an den guten Helge fällig. Das ist d e i n e Aufgabe. Und ich bin froh, dass ich jenseits des Hofes sein werde, wenn er ihn bekommt.“
„Gut! Dann lass uns jetzt zu Konny gehen, um ihn in unseren Plan einzuweihen.“
„Hoffentlich übernehmen wir uns dabei nicht, Kindchen; ich habe so ein unangenehmes Gefühl“, seufzte Hannes. Er nahm meine Hand und drückte sie ganz fest.
„Keine Sorge Kumpel; es wird schon schiefgehen“, lächelte ich und zog ihn aus der Laube.
„Katja!“, schrie Leni hinter uns her, als wir über den Hof liefen. Sie stand vor der Veranda und gestikulierte aufgeregt mit den Armen.
„Die Gnädigste lässt fragen, ob du morgen früh mit ihr, Ulla und deiner Mutter nach Lübeck fahren willst. Ihr wolltet doch auch noch bei Tante Sarah und Onkel Ludwig reinschauen.“
„Hör mol beeten

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