Vor etwa drei Monaten hatte ich auf „der Zeil“ eine sekundenkurze Begegnung, die mir eben wieder einfiel. Ich schreibe sie auf, weil sie mir in jedem Detail in Erinnerung ist. Die Zeil ist Fußgängerbereich und Haupteinkaufsstraße meiner Stadt Frankfurt am Main und eine der umsatzstärksten deutschen „Shoppingmeilen“. Wie in allen großen Städten der westlichen Welt ist es dort bunt und schrill und man trifft auf Männer und Frauen aller Altersstufen aus aller Welt, auf Straßenmusikanten, fliegende Händler, Bettelnde. Auch wenn es dort laut und hektisch zugeht, bummele ich ab und an gerne über diese mit Platanen begrünte Einkaufsstraße, genieße die internationale Atmosphäre und betrachte neugierig Menschen, die mir begegnen. Mit offenen Augen und Ohren dort unterwegs kam mir an einem Oktobervormittag eine größere Gruppe schwarzhaariger junger Männer entgegen. Sie redeten lebhaft in einer Sprache miteinander, die ich als arabisch einstufte. Ausweichen konnte ich ihnen nicht, also blieb ich stehen und ließ sie rechts und links an mir vorbeifluten. Als ich noch einmal einen bewundernden Blick zurück auf diese Schar ansehnlicher morgenländischer Männerexemplare warf, dreht sich der letzte von ihnen zu mir um und rief mir grinsend ein sehr deutsches Wort zu – Wellenbrecher. Das hat mich verblüfft und erfreut, denn man muss die deutsche Sprache gut beherrschen, um diesen Begriff am richtigen Ort und zur richtigen Zeit anwenden zu können. Diese kurze Begegnung hat sich mir eingeprägt. Unvermutetes Zusammentreffen mit fremden Menschen - nur einen Augen Blick lang - ist für mich Lebenselixier.
Wellenbrecher
von Marie Mehrfeld
Prosa in Kategorie:
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Noch mehr von der Persönlichkeit → Marie Mehrfeld