Gefährlicher Sommer (Teil 29; Text 1)

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von Annelie Kelch

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Feuer,
aus Blut die Lockung;
der schöne Mensch. Und wie Schlaf
das Vergangene, Träume
an Flüssen hinab,
auf den Wassern,
segellos in der Strömung.
...
Dort
war ich. In alter Zeit.
Neues hat nie begonnen. Ich bin ein Mann,
mit seinem Weib ein Leib,
der seine Kinder aufzieht
für eine Zeit ohne Angst.
(Johannes Bobrowski; „Absage“)

Befreiung und Verhör

„Hab keine Angst, Katja. Wir holen dich da raus.“

Das war eindeutig Krögers Stimme, die ich vor Grauen und Ekel auf Anhieb nicht sofort erkannt hatte.

„Ja, Katja, gleich bist du frei. Es dauert nicht mehr lange.“
Helge! Was hatte der hier noch zu suchen Ich konnte es kaum fassen und begann augenblicklich wieder zu zittern. Kröger musste doch allmählich begriffen haben, dass der Hoferbe ein ausgemachter Halunke war.

„Einen Augenblick noch, Helge.“ – Das ist wieder der Gutsinspektor …, registrierte ich. Eine unglaubliche Spannung hatte mein Herz gepackt und in Bann genommen.

„Ich muss nur noch schnell das Seil an der dicken Eiche befestigen.“

Zwei Minuten später ließ sich Kröger in mein Verließ hinab und befreite mich mit einem Taschenmesser von den Fesseln. Ich rieb meine tauben Hand- und Fußgelenke, die mir vorkamen, als seien sie nur geliehen.

„Wer?“, flüsterte Kröger mir unten in der Grube zu.

„Helge – und ein Komplize“, wisperte ich.

„Das habe ich mir bereits gedacht. Na, der kann was erleben, wenn ich wieder oben bin“, sagte er. Sein Mund berührte mein Ohr.

Ich schrak zusammen bei dem heftigen Gebell, das plötzlich wie ein Orkan über dem Erdloch erscholl: Luchs – auch er war zu meiner Rettung herbeigeeilt, oder hatte Kröger ihn mitgebracht? Helge wäre er jedenfalls nicht freiwillig gefolgt, der gute Hund.

Wie ein Bergsteiger kletterte Kröger aus der Grube, nachdem er mir gezeigt hatte, wie ich am besten wieder auf den Boden der nackten Tatsachen käme. Ich hielt mich haargenau an seine Anweisungen, packte das Seil, stemmte mich mit den Füßen gegen die Erdwände, und hievte mich langsam nach oben. Kröger nahm mich in Empfang und trug mich zu seinem Jeep; meine Beine waren eingeknickt.

„Da bist du ja endlich, Katja. Du machst vielleicht Sachen“, ließ Helge, an der Fahrertür gelehnt, in aller Harmlosigkeit verlauten.
Was für ein durch und durch scheinheiliger Kerl! Vermutlich hatte er sich freiwillig gemeldet, um Kröger in die Irre zu führen, damit er mich nicht fände. Das zumindest war jedenfalls gründlich danebengegangen, liebe Christine.

Kröger holte mit der Faust aus und versetzte Helge einen gepfefferten Kinnhaken. Der Hoferbe stürzte augenblicklich zu Boden. Sein Kopf prallte gegen die Autotür. Er hob seinen rechten Arm, streckte ihn Richtung Oberkörper, als wolle er nach einer Wunde tasten, ließ ihn aber sogleich wieder auf das Erdreich sinken. Sein fieser Dickschädel fiel zur Seite und rutschte ins Moos. Luchs, der neben mir stand, kläffte wieder. Diesmal hörte sich sein Gebell triumphierend und beinahe glücklich an.

Kröger fesselte Helge an Händen und Füßen, hob ihn vom Boden auf und warf ihn nach hinten auf den Jeep; mich setzte er auf den Beifahrersitz. Luchs sprang auf meinen Schoß und machte es sich dort gemütlich.

Schweigend rumpelten wir durch den Lachauer Forst. Ich hörte Helge herumstöhnen, empfand aber angesichts der Tatsache, dass ich mehrere Stunden lang bei Nacht in einem Erdloch verbracht hatte, nicht das geringste Mitleid mit ihm.

Es war kurz vor Morgengrauen, als wir in die Kastanienallee einbogen. In den Ställen auf dem Hof brannte Licht, und auch das Herrenhaus trug Festbeleuchtung. Vor den Pferdeställen parkte ein Streifenwagen der Polizei. Kommissar Fuchs befand sich also auf Lachau. Ich fand das außerordentlich beruhigend.

***

Wir standen uns im Saal gegenüber: die gesamte Hofbesetzung mitsamt Herrn Fuchs, im fast vollendeten Kreis. An Helges und Heiners Handgelenken blitzten stählerne Fesseln.

„Er lügt, dieser Schuft, und Knut hat er auch auf dem Gewissen.“ Heiners braune Augen schwammen in Tränen.

„Der hat mich dazu angestiftet“, fuhr Heiner fort; er deutete auf Helge. Wenn ich Knut nicht erschossen hätte, hätte der dafür gesorgt, dass ich von der Gnädigsten entlassen worden wäre. Und den kleinen Bauernhof, unser einziges Hab und Gut, das unsere Eltern mir und meiner Schwester Lina hinterlassen haben, wollte er in Brand setzen und meine Schwester darin umkommen lassen. Um mir zu beweisen, dass er keinen Scherz gemacht habe, hat er im Frühjahr sämtliche Osterglocken zertrampelt, die Lina im Hofladen verkaufen wollte.“

„Wissen Sie auch, wer das kleine Mädchen durch den Wald gehetzt und an einen Baum gebunden hat?“, fragte Herr Fuchs.

„Welches Mädchen?“, staunte Hannes und warf mir einen verdutzten Blick zu.
„Klar, weiß ich das!“, regte Heiner sich auf. „Das war unser Knut. Er wollte dem Kind eine Lektion erteilen. Knut machte sich große Sorgen um die Kleine, die oft davonlief und ganz allein im Forst umherspazierte. Er hat damals ja auch gleich die Dorfpolizei verständigt. – Katja, du weißt ja, wie Knut war. Dich hat er doch letztes Jahr in den Ententeich geworfen“, wandte er sich an mich.

Ich grinste, obgleich mir zum Heulen zumute war. Mein alter Kumpel Knut war der Schurke gewesen. Unfassbar!

Herr Fuchs runzelte die Brauen.
Typisch Knut, dachte ich und erinnerte mich mit leichtem Schaudern an die mir erteilte Lektion wegen des zugenähten Pyjamas. Es gab für mich nicht den geringsten Grund, an Heiners Worten zu zweifeln. Ich fragte mich lediglich, weshalb ich nicht schon längst darauf gekommen war, was nicht heißt, dass ich Knuts Verhalten billige (ich verabscheue es eher, liebe Christine), zumindest nicht in diesem Fall, obwohl er aller Wahrscheinlichkeit nach gute Absichten hegte.

„Knut mochte das Kind. Er liebte Kinder über alles. Nicht, wie Sie jetzt vielleicht denken ...“, schob Heiner mit beschwörender Stimme nach, als wollte er seinem ermordeten Freund einen letzten Dienst erweisen.
„Katja kann das bestätigen.“
Heiners Bass war auf piano pianissimo geschmolzen, seine Stimme erstarb fast, sein Kopf war auf die Brust gesunken. Ich nickte heftig.

„Das ist richtig. Knut liebte Kinder über alles – und den Wald, die Tiere, die Pflanzen ... Er war ein typischer Einzelgänger. Fast wie ein richtiger Förster“, pflichtete ich Heiner bei. Helge verzog spöttisch den Mund.

„Dann erzählen Sie uns mal alles von Anfang an, Herr Kendler“, wandte sich Herr Fuchs an Heiner, dessen langes Gesicht mit einem Mal blutleer, ja fast bläulich aus dem grauen Arbeitsanzug ragte. Er sah aus,

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