Ein Einakter
(Schauplatz: ein Straßencafé in einer x-beliebigen D-Stadt)
Grund der Unterhaltung: ein „Männergespräch“ …
Vater: „Sag mal Junge, du bist doch jetzt über 16. Bist du verliebt?“
Sohn: „Nein, keinesfalls!“
Vater: „Was, du denkst nicht an Frauen?“
Sohn: „Das habe ich nicht gesagt. An Männer denke ich jedenfalls nicht, wenn du das meinst …“
Vater: „Sei ehrlich – hattest du schon einmal Sex?“
Sohn: „Logisch!“
Vater: „Und das hat dir nicht gefallen?“
Sohn: „Doch!“
Vater: „War es eine verkommene, ungewaschene Schlampe?“
Sohn: „Absolut nicht!“
Vater: „Ein nettes Mädchen also?“
Sohn: „Durchaus!“
Vater: „Und das hat dich nicht berührt?“
Sohn: „‚Es‘ nicht, sie schon!“
Vater: „Mach dich bitte nicht lustig über mich! Hast du denn nichts gefühlt?“
Sohn: „Ich hatte einen Samenerguss – in das Tütchen selbstverständlich. Ansonsten habe ich mir vorgenommen, sämtliche üblichen Entwicklungsstadien zu übespringen und nicht an das zu glauben, was ihr so naiv ‚Liebe‘ nennt. Ich zäume den Gaul also von hinten auf … ungefähr so, als würde ich im Voraus zurückblicken“.
Vater (schüttelt den Kopf): „Wie geht das?“
Sohn: „Ganz einfach, ich habe den Vorgang verstanden!“
Vater: „Das hört sich jetzt aber herzlos an. Was glaubst du denn zu verstehen?“
Sohn: „Meinen Dämon und ihr Biotop. Beides hat mich beängstigt. Vor allem das Biotop!“
Vater: „Haha!“
Sohn: „Lach bitte nicht. Ich empfinde mich nicht als einen Bestandteil der Natur. Die Mädchen aber wohl. Das Ganze – die Sache mit dem Sex – ist mir zu einfach gestrickt!“
Vater: „Als was verstehst du dich denn?“
Sohn: „Oft nur als Ballast, was mein Sein angeht, mehr als Spaßfaktor, was den Körper betrifft, und reichlich hinters Licht geführt, im Hinblick auf meinen Verstand."
Vater (greift sich an den Kopf): „Wir können nicht alles verstehen, aber wir befinden uns doch auf einem guten Weg …“
Sohn: „Haha!“
Vater: „Wie stellst du dir denn die Liebe vor?“
Sohn: „Eher als eine Art Abmachung. Man sieht sich, begreift, daß der andere eine gewisse Anziehungskraft ausübt. Man spielt miteinander, man gibt sich etwas. Aber man legt sich nicht fest – wie du das vermutlich ausdrücken würdest."
Vater: „Möchtest du denn nicht irgendwann einmal Kinder haben – eine Familie gründen?“
Sohn: Wozu? Ich möchte das lieber den Lebewesen überlassen, die es noch nicht verlernt haben, ihren Ins-tinkten zu folgen. Aber Instinkte sind rücksichtslos!“
Vater: „Rücksichtslos? Schau, wir haben dich gewollt, deine Mutter und ich …“
Sohn: „Heiße ich ‚Sex‘?“
Vater: „Wofür hältst du dich? Glaubst du, du kannst auf den Gefühlen anderer einfach so herumtrampeln?“
Sohn: „Und du?“
Dem Vater „rutscht die Hand aus“. Die Leute im Cafe werden aufmerksam.
Vater: „Das hast du nun davon!“
Sohn: „Macht nichts, das war nicht anders zu erwarten von jemandem, der den Instinkten – sprich ‚Launen‘ – folgt. So hast du doch immer gehandelt …im Geschäft, in der Liebe, in der Brutpflege, alles rein instinktiv!“
Vater: „Vergiss nicht – ich bin kein Tier!“
Sohn: „Aha! – ach was??“
Vater: „Immer habe ich schön brav getan, was man von mir verlangt hat. Manchmal habe ich auch für euch gekämpft, die Ellenbogen verwendet, nur damit du es heute besser hast.“
Sohn: „Anders ging‘s wohl nicht?! Und das nennst du also ‚deinen Gefühlen folgen‘? Wie nett!“
Vater (verzweifelt): „Wie denkt denn deine Freundin – kann ich sie überhaupt so nennen? – darüber?“
Sohn: „Sie denkt vermutlich so ähnlich wie du. Jedenfalls scheint mich Ihre Artikulation auf ein derartiges Denken hinzuweisen. Ich weiß aber nicht, ob man das wirklich als ‚Denken‘ bezeichnen kann. Ich meine, sie denkt hauptsächlich praktisch, ans Sparen zum Bei-spiel, falls mal Kinder kommen und an unsere Ausbildung, sowie an eine Eingliederung in eine mir gänzlich verrückt erscheinende, korrupte, mörderische Gesellschaft, von der sie sich auch noch einen gewissen Schutz erhofft.“
Vater: „Na und? Das haben wir doch auch getan!!!“
Sohn: „Siehst du – und was ist dabei herausgekommen? Ich fürchte mich!“
Vater: „Diese Furcht kannst du nur mit der Liebe besiegen!“
Sohn: „Du meinst wohl mit der Lüge. Das ist ein anderes Wort, obwohl sie sich im Klangbild ja ähnlich sind."
Vater: „Was willst du tun?“
Sohn: „Auf jeden Fall möchte ich mich von wilden Tieren fernhalten, keine Risiken eingehen – und dort, wo meine Vernunft mit der Gesamtplanung des mich umgebenden Fiaskos nicht übereinstimmt, da muss ich mich – was es auch immer ist – raushalten. Mein Körper gehört zwar nicht mir, sondern dem Zufall und den chemischen Prozessen, die in ihm ablaufen, aber dem Schmierentheater hier gehört er auch nicht! Ich will Spaß haben! Dafür bin ich da (bei den Reichen klappt das schließlich auch), und zwar egal was jemand behauptet, der glaubt sich durch meine Entstehung auch nur irgendwie mit einem gewissen Ruhm bekleckern zu können. Ich tauge nicht für den Stolz anderer!“
Im Zuschauerraum ist, von irgendwoher, ein Klingeln zu hören. Dann erzeugen Nebelmaschinen eine Menge Dunst …
Unmerklich, vom Nebel umgeben, geht der Vater ab – man hört einen Knall (er erschießt sich auf der Toilette).
Der Sohn begleicht die Rechnung und notiert in sein Tagebuch: „Der Mensch ist ohne Illusionen nicht lebensfähig, ganz gleich, wie primitiv er ist!“
Kommentare
Ein starkes Stück!
(Drum macht es "KLICK"!)
LG Axel
Auf Klick und Klack,
auf Zick und Zack,
sind wir hier am Verschwinden...
das ist gut zu befinden?
L Alf