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lächelnd und ging weiter. »Was ist das?« fragte Max Werner.
»Improvisierte Uebersetzung,« entgegnete sie, »so spricht der böse Dämon, nachdem er den Engel Tamaras in die Flucht geschlagen hat. — — Diese Bilder treffen Sie hier in allen Häusern, — Photographien, Gipsstatuetten. — Ich entsinne mich ihrer so gut aus meiner Kindheit, auch wir besaßen sie zu Hause. Es ist traulich, sie wiederzusehen.«
»Rechte Bilder für ein junges Mädchen,« bemerkte er, »haben Sie sich nicht auch die Liebe sehr dämonisch vorgestellt? Kampf mit dem Engel, — höllische Seligkeiten, — bengalische Beleuchtung, — Weltuntergang.«
Sie sagte lachend:
»Ich? O nein. Ich stelle sie mir ganz — aber so ganz — anders vor.«
In den großen milchweißen Glaskuppeln hoch über der Mitte des Straßendamms erstrahlte urplötzlich das elektrische Licht und übergoß mit einemmal die dämmerdunkle Straße mit seinem blendenden Mondschein.
Als Fenias Gesicht in dieser unerwarteten Helle neben Max Werner auftauchte, erschien es ihm, mit dem kindfrohen Blick und lachenden Munde, durchaus verschieden vom nachdenklichen Frauengesicht im Klostergarten bei den letzten Sonnenstrahlen. Ihre Mienen wechselten im Ausdruck so sehr, daßsie fast auch in der Form zu wechseln schienen; nur wie ein promovierter Doktor sah sie niemals aus, eher wie alles andre.
»Ich wäre wirklich neugierig,« bemerkte er, »wie Sie sich die Liebe denken würden, wenn Sie daraufhin examiniert werden sollten, anstatt auf Philologie, Geschichte etc.«
»Wie ich sie mir denken würde? O ganz einfach. So ganz einfach und gesund. Ich würde sie dann sicher mit den Dingen vergleichen, die am allerwenigsten dämonisch und romantisch sind. Mit dem guten gesegneten Brot, womit wir täglich unsern Hunger stillen, mit dem frischen erhaltenden Luftstrom, dem wir jeden Tag unsre Stube öffnen. Mit einem Wort: mit dem Wichtigsten, Schönsten und Selbstverständlichsten, dem wir alles verdanken, und wovon wir am wenigsten Phrasen machen.«
»Das ist gar nicht übel gesagt! — Aber doch wohl noch etwas andres erwartet ihr davon: die große Sensation des Lebens, — glauben Sie nicht? — vor allem die Sensation.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich nicht. Dann ginge ja das Kostbarste, was man damit empfängt, verloren, denk ich mir.«
»Was ist denn nach Ihrer Meinung das Kostbarste, was die Liebe Euch geben kann?« fragte er lächelnd.
Sie bog in die Admiralität ein und entzog ihm damit den Blick auf ihr Gesicht.
»Frieden!« sagte sie leise.
»Frieden!« dachte er zweifelnd und folgte ihr in das goldstrotzende, weitläufige Gebäude, wo der Admiral Baron Michael Ravenius einen Seitenflügel bewohnte. Irmgard würde ihm schwerlich eine solche Antwort gegeben haben, — sind die russischen Mädchen phlegmatischer, oder prosaischer? — fragte er sich. Oder sprach Fenia nicht nur deshalb in dieser Weise, weil sie wie ein Blinder von der Farbe sprach? Möglicherweise hatte ihr Temperament hier seinen blinden Fleck.
Oben im Empfangssalon des Admirals war leider noch der jour fixe im vollen Gange. Um die Gesellschafterin und die beiden älteren Töchter herum saßen noch etwa ein Dutzend blitzender Uniformen und dunkler Damentoiletten und machten jene überaus angeregt erscheinende und überaus langweilige und langweilende Konversation, wofür die konventionell abgeschliffene Eleganz der französischen Sprache sich so besonders gut eignet. Es war ganz amüsant, den tadellosen Mechanismus dieses Kommens, Sprechens und Fortgehens der durcheinandersummenden Menschen zu beobachten, von denen jeder etwa eine Viertelstunde blieb, um dann von der zweitjüngeren Tochter des Hauses durch eine Flucht von Sälen bis in das Vorzimmer geleitet zu werden, wo zwei Diener in Matrosenlivree ihn in Empfang nahmen.
Etwa noch eine Stunde lang vollzog sich das mit der Regelmäßigkeit und Genauigkeit eines Uhrwerks. Dann ging der letzte der Gäste, und der Baron Ravenius, ein hagerer alter Herr mit überaristokratischen Händen und Füßen und stark gelichtetem grauem Haar und Bart, reichte seiner Nichte Fenia mit altmodischer Galanterie den Arm, um sie zur Mittagstafel zu führen, wo er sorgsam den Stuhl für sie abrückte. Max Werner folgte mit der ältesten Tochter Nadeschda, — bereits verlobt mit einem Attaché der deutschen Botschaft. Hinter ihnen die Gesellschafterin mit den beiden andern Mädchen, von denen die jüngste noch zur Schule ging, — und ganz zum Schluß die persische Windhündin des Barons, Russalka, die, silberhaarig, lang, schmal und vornehm, eine unverkennbare Aehnlichkeit mit ihrem Herrn besaß.
Während des Essens wartete man meistens auf die Eröffnung der Unterhaltung durch den Hausherrn. Heute sprach er nach genossener Suppe wie folgt:
»Man redet immer viel davon, daß in der deutschen — überhaupt in der ausländischen — Kolonie hier der Klatsch zu Hause sei. Es hat natürlich so eine Kolonie, selbst wenn sie noch so großist, im fremden Lande leicht den Charakter einer Kleinstadt, Man wird leichter in bösen Leumund geraten, als anderswo. —
— Wie hast du es zum Beispiel anderswo gefunden, Fenia?«
»Darauf hab ich wirklich nur wenig geachtet, Onkel Mischa,« antwortete Fenia, »es mag sehr wohl der Fall sein, daß auch ich oft tüchtig verklatscht worden bin, weil ich mich absolut nicht um den Schein kümmerte, aber ich hatte immer einen genügenden Schutz an echten Kameraden, die das nicht bis an meine Ohren herankommen ließen.«
»Exponiert genug hast du dir freilich dein Leben eingerichtet,« bemerkte der Baron, »mir fast unbegreiflich sorglos. Aber man muß dir nachsagen, daß du es verstanden hast, vortrefflich ans Ziel zu kommen. Alle Achtung davor, — und vor dem Ernst, womit du deine Jugend zugebracht hast.«
Alle warteten mit einiger Spannung auf die Pointe dieses Gesprächs, denn wenn der Baron mit seiner würdevollen Umständlichkeit so weit ausholte und sich in allerlei geographischen oder sozialen Allgemeinbetrachtungen erging, so beabsichtigte er meistens, etwas höchst Spezielles vorzubringen. Umsonst hatte er sicher nicht die Klatschsucht der ausländischen Kolonien festgestellt und zugleich seiner Achtung für Fenia vor seinen Töchtern so ostentativ Ausdruck gegeben.
Aber bei der Mittagstafel kam das »Spezielle« nicht mehr. Erst als nach aufgehobener Tafel die beiden jüngern Töchter mit der Gesellschafterin fortgegangen waren, und man in einem kleinen Wohngemach neben dem Speisesaal bei einer Tasse Kaffee Zigaretten rauchte, wandte sich der alte Baron plötzlich an Fenia mit den Worten:
»Mein liebes Kind, du siehst mich recht beunruhigt, — ich schwankte wirklich, ob ich dir Mitteilung von der Sache machen sollte, — aber ich möchte doch die Gelegenheit benutzen, wo Herr Werner zugegen ist, — vielleicht wird er Rat wissen.«
Fenia hatte sich lässig in einem Lehnstuhl ausgestreckt und stemmte