Was ich am Samstag ins Tagebuch schrieb …

Bild von Annelie Kelch
Bibliothek

Die Hündin mit dem Welpen, beide aus Sand, so gelungen, als wollten sich beide sogleich erheben und fröhlich davonspringen, derweil sich ihr Meister und Herrchen eine Tasse Kaffee vom Shop gegenüber gönnt (s. bitte Foto am Ende der Tagebuchseiten).
Ach, bei diesen Kaffeeesorten, deren Namen, verewigt auf einem großen roten Pappschild, allesamt klingen, als habe man sie aus einem Märchen befreit, bedauere ich es fast, dass ich nur Wasser, Saft und Milch trinke – des besseren Schlafes wegen. Ohne wenigstens fünf Stunden Schlaf in der Nacht fühle ich mich wie ein Häufchen Elend.

In der Breiten Straße lasse ich mir eine Bibel schenken, dabei habe ich mindestens drei Stück zu Hause, aber freilich noch keine, darin ich es wage, Außergewöhnliches kunterbunt anzustreichen.

Ein junger Mann möchte mir eine Frage stellen. Ich erwarte nichts Extravagantes und sage: „Ja, nur zu!“
Er fragt: „Was bedeutet Ihnen Frieden?“ Und da ich mitnichten einen Heiratsantrag erwartet habe, antworte ich spontan: „Alles!“, denn ohne Frieden ist alles so gut wie nichts.
Er will mit der Fragerei fortfahren (so fängt man Mäuse); aber ich sage: „ E i n e Frage wollten Sie mir stellen.“
„Dann nehmen Sie bitte meine Karte“, sagt er.
Ich bin so frei.
Paar Schrittchen weiter – zum Koberg-Platz hin, riskiere ich einen Blick auf die kleine Pappe. Auf der Vorderseite prangt ein Bildnis unseres Herrn Jesus. Ich muss euch ganz ehrlich sagen, dass mir das Antlitz auf jener Karte nicht unbedingt zusagt. Ich stelle mir Jesus ganz anders vor. Auf der Rückseite lese ich: „Kirche Jesu Christi … mormon.org. Der junge Mann gehört also zur Glaubensgemeinschaft der Mormomen, die vorwiegend in Amerika verbreitet ist, deshalb auch sein leichter Akzent – er ist aller Wahrscheinlichkeit nach Amerikaner. Das erinnert mich an eine Begebenheit, die sehr, sehr lange zurück liegt – über vierzig Jahre bereits. Wir, mein damaliger Gatte und ich, bekamen unverhofft Besuch von zwei jungen Herren aus Amerika, Mormonen, und ließen sie in unser Wohnzimmer. Einer der beiden konnte Kennedy nicht leiden, dessen Büste auf unserem Sideboard schön in Bronze prangte. Beide jedoch waren sehr nett und höflich, aber wir sind evangelisch, getaufte Evangelisten, und ließen uns nicht umstimmen. Unser kleiner Sohn, damals zirka drei Jahre alt, schlug während des Gesprächs lauter ulkige Purzelbäume auf dem Teppich und machte Faxen, daran erinnere ich mich noch genau. Einmal bangte ich deshalb ernsthaft um meinen Blumenständer, darauf ganz wunderschöne Pflanzen gediehen. Meine damalige Nachbarin, Frau Guhl, Gott hab sie selig, zu jener Zeit im gesegneten Alter von 80, sehr gepflegt und kregel, war Blumenliebhaberin par excellence und hatte mich mit ihren wunderschönen Exemplaren auf Fensterbänken und Balkon vollends überzeugt – so sehr, dass ich ihr nacheiferte. - Damals hatte ich noch keine anderen Sorgen. Nun ja – Blumen sind ein schönes Hobby. Und Frau Guhl war eine selten nette (wie es sie selten gibt) und gebildete Nachbarin, mit der man sich gut unterhalten konnte.

Auf dem Rückweg aus der Stadt fotografiere ich noch eine Kirche, weil ausgesprochen schön und imposant; es könnte sich dabei um die St. Marien-Kirche handeln, falls nicht: Alle Kirchen in Lübeck sind alt und schön, egal, welche man zu Gesicht bekommt – und ein paar sehr schöne Ölgemälde aus einer Schaufenster-Ausstellung in der Königspassage – zum Ansporn und als Anregung.

Es ist – immer noch – ziemlich kalt auf dem Heimweg; ich freue mich auf ein – sehr verspätetes – Mittagessen und auf die Tageszeitung, die ich kurz zuvor meinem Postfach entnommen habe.
Das war 's also am Sonnabend, meine Lieben.

heute, am 24.04.2017, nachträglich geschrieben

Interne Verweise

Kommentare

24. Apr 2017

Der Leser war hier gern zu Gast:
Sehr lebensecht von Dir verfasst!
(Wasser, Saft und Milch zu trinken -
Das würde Bertha Krause stinken ...)

LG Axel

24. Apr 2017

Danke, Axel, sehr beglückt,
hat dein Verslein mich - entzückt.
Wasser, Saft und Milch zu trinken, ist nicht schwer,
doch ich weiß, dass Bertha sein dagegen sehr.
Und ich hoffe sehr, dass Bertha duftet und nicht stinkt,
weil es sein kann, dass der Hausherr sich deshalb - betrinkt.

LG Annelie

24. Apr 2017

Das alles erzählt - von deiner besonderen Lebendigkeit, Annelie! Schön zu lesen, regt an.
LG Marie

24. Apr 2017

Danke, Marie. Ja - noch lebe ich - wenn auch meistens mit Ohropax in den Ohren. Denn irgendwo hier in meiner Nähe im Hochhaus wohnt ein ziemlich unmusikalischer Mensch, der dafür umso lauter ist, ewig die gleichen Töne spielt und ganz impertinent laut mit seinem Synthesizer umgeht. Ich führe bereits Protokoll - für den Anwalt.

Liebe lautlose Grüße, ich höre meine Tastatur nicht mehr,
Annelie