Die modernen Samariter - Ein Hörspiel - - Page 2

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von Gherkin Green

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mit dem halb ausgestreckten Arm zum zuckenden, blutenden Sartory hinüber, den der Unfallfahrer II bislang noch nicht bemerkt hatte. „Wegen dem da hatte ich den Rettungswagen bestellt...“ Jetzt begibt sich der Unfallfahrer II hinüber zu Sartory. „Guten Tag, Sie hatten wohl einen Unfall, wie ich vermute? Sieht übel aus. Was ist denn passiert, guter Mann?“

Sartory: „Der dort (zeigt, auf dem Gesicht liegend, grob, mühsam und nur schwer in Richtung Danny Moldenhauer) hatte mich angefahren. War aber selbst daran schuld. Bin völlig gedankenlos über die Straße gehetzt. Schaff´s aber nich´. Gehen Sie ruhig, Mann. Das Leben zieht gerade vor meinem inneren Auge vorbei, das ist ja wie ein Film, das. Haben Sie es schon mal erlebt? Den eigenen Spielfilm, im Zeitraffer, mit sich selbst in der Hauptrolle? Aber, glauben Sie mir, junger Mann, echt, das hier ist ein ganz miserabler Streifen, der da soeben gezeigt wird. Ich würde ihn nicht noch einmal ansehen, niemals, wenn man mir die Eintrittskarte auch schenkte. Schlechter Hauptdarsteller, ein mieser Plot, Cast und Crew: C-Movie like. Sicher werde ich mir diesen Streifen nicht noch einmal ansehen. Tja, meine Uhr ist jetzt abgelaufen, der Herr. Also gehen Sie, guter Mann, gehen Sie. Gehen Sie Ihres Weges. Sie haben das hier ja auch nicht zu verantworten. Lassen Sie mich einfach (blubbert jetzt Unverständliches)...“

Unfallfahrer II: „Wie heißen Sie denn eigentlich?“

Sartory, jetzt schwach und sehr schwer zu verstehen: „Arved Zakaria Sartory...“

Der Mann: „David-Maria Sassoli? Diesen Namen, glaube ich jedenfalls, habe ich aber schon mal gehört. Sind Sie im Show-Geschäft? Oder sind Sie ein berühmter Autor? Mir ist so, als hätte ich den Namen Sassoli erst vor kurzem im Fernsehen oder im Radio gehört. Haben Sie nicht das Schwarzbuch der Steuertricks der deutschen High Society 2019 heraus gegeben? Oder war das Donald Tusk? Nee, eher Donald Trump oder... Warten Sie... Ich verwechsele da, glaube ich, etwas. Ich kann mir die Namen immer so schlecht merken. Und die dazugehörigen Nasen vergesse ich auch gleich wieder. Schrecklich, mein Namensgedächtnis. Mein Gedächtnis überhaupt.... Nee, warten Sie... Nee, dieser Trump ist doch... das ist doch der momentane, in Dings, der jetzige... Meschuggene... Mir liegt es glatt auf der Zunge...“

Sartory, blubbernd: „US Präsident.“

Mann: „Yep! Sie sagen es! Exactemente, Señor! Sakrament, zehn Sack Zement, exzellentes Exkrement! Sie haben´s ja echt drauf, Monsignore. Yeah, you connected that. You pick up the pieces. You´re da shiiiiit...“

Sartory: „Sind Sie Amerikaner? Nein, wohl eher nicht. Brite? Australier? Vielleicht Neuseeländer? Sind Sie vielleicht aus Panama? Oder aus Puerto Rico?“ Hustet jetzt sehr viel Blut aus. Die Blutlache rings um ihn vergrößert sich zusehends. Angestrengt versucht er, weiter zu reden: „Sind Sie aus Kanada, aus Hongkong oder von den Jungferninseln?“

Unfallfahrer II: „Nein nein, ich darf mich vorstellen, Signore Sassoli, mein Name ist Klaus Grebert. Ich wohne hier, gleich die nächste Seitenstraße rein. Holunder Weg 39 a. Wenn Sie mögen, dann sind Sie ganz herzlich eingeladen. Kommen Sie mich doch bitte einmal besuchen, Herr Sassoli. Ich würde mich wirklich sehr freuen. Klaus Grebert, Holunder Weg 39 a, es ist die oberste Klingel, orange lackiert. Ich hab da so eine Affinität zu Holland, müssen Sie wissen. Daher die orange lackierte Türklingel. Wussten Sie, dass die in Holland „bellen“ sagen, wenn sie klingeln meinen? Lustig, nicht? Deurbel heißt bei denen Türklingel. Ich könnte mich glatt wegschmeißen über diese Holländer. Köstlich. Ich fahre jedes Jahr dorthin in Urlaub, ans IJsselmeer. Das IJsselmeer ist im Niederländischen eine Ligatur, weshalb auch das J als Majuskel geschrieben wird. Das ist der größte See der Niederlande. Im Ernst jetzt, kommen Sie mich besuchen und ich erzähle Ihnen von meinem letzten Urlaub. Ich hab über 6.000 Dias da. Die könnte ich doch in einer Dia-Show zeigen. Dann können wir ein wenig plaudern. Ich bekomme ja leider nie viel Besuch. Man behauptet von mir, ich sei ein wenig schwatzhaft. Aber das ist natürlich blanker Nonsens. Leider hab ich nie wirklich viel Besuch. Weiß nicht, woran das liegen könnte. Hab auch einen guten Port da. Na? Da lohnt sich ein Besuch doch immanent, richtig? Einen guten alten Port. Stimmt´s, da lohnt sich doch ein Besuch. Holunderweg 39 a, orange Klingel, ja?“

Sartory: „Leider... Wie ich schon bemerkt zu haben glaube... Ich werd´s nicht schaffen, der Herr. Kann Sie daher nicht besuchen. Aber, sagen Sie (plötzlich außergewöhnlich gut zu verstehen, obschon Sartory auf dem Gesicht liegt), sind Sie denn nicht der bekannte TV-Anchorman Claus Kleber? Verheiratet mit Gundula Gause? Aber das sind doch Sie, richtig?“

Klaus Grebert: (hocherfreut) Nein nein, der bin ich eben nicht. Sie meinen sicherlich den Claus-Detlev Walter Kleber, der am 2. September 1955 in Reutlingen geboren wurde. Bekannt als Claus Kleber, Journalist und TV-Moderator. Aber nein, ich heiße doch Grebert, Grebert, so hören Sie doch zu, wenn man Ihnen etwas sagt: GRE-BERT (betont sehr exakt, unhöflich), Klaus mit K, nicht mit C. Klebers Vorname wird doch mit einem C geschrieben, wussten Sie das denn nicht? Ja, es kommt, leider, sehr oft zu einer auch mitunter anstrengenden und peinlichen Verwechslung. Sie glauben ja gar nicht (jetzt wieder mit Oberwasser, fast heiter), Herr Sassoli, wie oft ich schon mit diesem Herrn Claus Kleber verwechselt worden bin. Im Übrigen (nicht uneitel) auch vom Äußeren her. Sehen Sie doch nur mal...“ (Dreht sich ins Profil, sucht die bestmögliche Position einzunehmen, die seiner Persönlichkeit und dem Fluidum, der Attitüde und dem Wesen, seinem Naturell, die größtmögliche Brillanz zu verschaffen in der Lage ist. Strengt sich dabei nicht unwesentlich an. Will unbedingt gefallen. Vor allem aber, Grebert möchte die glasklare Aussage hören: Ja, Sie sehen Claus Kleber sehr ähnlich! Wie aus dem Gesicht gemeißelt! Nahezu!)

Doch Sartory, nach wie vor auf dem stark blutenden Gesicht liegend, Blutbläschen dringen aus der lädierten Nase, zerplatzen in regelmäßiger Abfolge, (was auch zu hören sein sollte; hier kann man sehr gut Seifenblasen, kleinere, zerplatzen lassen) zeigt wenig Interesse daran, sich so zu drehen, dass er Greberts Profil längere Zeit zu betrachten in der Lage sein würde. Er regt sich überhaupt nicht, nur die stetig zerplatzenden Blutbläschen sind von ihm zu vernehmen.

Grebert zeigt sich stark enttäuscht. Wendet sich abrupt ab von Sartory. Schmollend.

Moldenhauer winselt, etwa

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