Gefährlicher Sommer (Teil 15; 1. Hälfte) - Page 3

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von Annelie Kelch

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habe ein glattes „sehr gut“ dafür be­kommen. Und das hat wirklich überhaupt nichts damit zu tun, dass meine Lehrerin für Hauswirtschaftskun­de auch mein Lieblings­fach „Deutsch“ unterrichtet und ich sie wirklich sehr gern habe (und sie mich auch). Mein Omelett sah wirklich große Klasse aus, Christine, und hat darüber hinaus auch noch ganz lecker geschmeckt.
Nach dem Mittagessen schickten wir Tante Selma zum Ausruhen in den bequemen Liegestuhl, der auf der Terrasse steht (… meistens nur herum, wie Konny betonte) und erledigten den Abwasch. Konny spülte das Geschirr und Kora, Hannes und ich trockneten ab und machten die Küche sauber. Konny erzählte von Fegeschäden, die er an einigen Baumstämmen im Lachauer Forst beobach­tet habe.
„Fegeschäden?“, witzelte Hannes. „Hast du nicht neulich im Wald ge­fegt, Kora, du kleine Hexe?“
„Unsinn“, sagte Konny. „Fege­schäden ent­stehen durch das Abschlagen der Rinde mit den Geweihen der Rehe und Gämsen. Meistens sind ganz junge Bäume davon be­troffen und ster­ben dran.“
„Unser Konny!“, sagte Hannes. „So gebildet und belesen.“
„Mach dich ruhig lustig über mich“, grinste Konny und spritzte ihm mit der Abwaschbürste Spülwasser ins Gesicht.
„Das ist unfair. So eine Sauerei“, schrie Hannes und schlug Konny das Geschirrhandtuch um die Ohren. Tante Selma schaute erschrocken durchs Fenster und schüttelte missbilligend den Kopf.
„Aufhören!“, befahl Kora. „Müsst ihr euch denn immer streiten! Wie soll Mutter denn bei diesem Krach zur Ruhe kommen?“
„War ja nur Spaß“, stellte Hannes fest.
„Ja, das kennen wir schon, bei dir ist hinterher alles immer nur Spaß gewesen“, warf Konny ihm vor.
„Stimmt haargenau“, mischte sich Kora ein. „Übrigens, habt ihr eine Idee, was wir nachher unternehmen könnten?“
„Ich muss mit Katja dringend was erledigen. Danach können wir darüber reden. Das war wirklich ein nettes Mittagessen, und der Abwasch war auch nicht ganz ohne. Komm Katja“, sagte Hannes.
„Bis nachher“, rief ich Konny und Kora lachend zu und ging mit Hannes aus dem Haus.
„Wichtigtuer“, rief Konny uns nach. „Wenn der wüsste, nicht wahr, Katja?“, flüsterte Hannes mir zu und sah sich wieder mal besorgt nach allen Seiten um.
„Dabei hätten wir längst tot sein können. Ich sage nur: Jagdkanzel.“
„Selber schuld, wenn wir auf eigene Faust so viel riskieren“, sagte ich.
„Nicht so laut“, beschwor mich Hannes. „Feind hört mit.“ Er deu­tete auf Tante Selmas kalbsgroßen Bernhardiner Tom, der mit lang ausge­streckten Pfoten neben der Gartenpforte döste und Wache hielt. Seine lange Zunge ruhte regungslos auf dem Pflaster. Hannes streichelte sein braunweiß geflecktes Fell, woraufhin Tom sein gewaltiges Haupt hob, ihn aus dunkelbraunen Augen dankbar anblickte und die weichen, dreieckigen Ohren spitzte.
„Er hat gestern Tante Selmas bestes Porzellan vom Tisch gefegt und allerstrengstes Hausverbot, der Arme.“ Tom knurrte leise und senkte beschämt den Kopf, als habe er Hannes Worte verstanden.
„Wohin wollen wir eigentlich, Hannes“, fragte ich.
„Zu dir natürlich“, sagte er.
„Wie meinst du das, zu mir?“, wunderte ich mich.
„Nach oben natür­lich, in dein Zimmer. Hast du irgendwelche alten Illustrierten oder Zeitun­gen?“
„Ein paar Modezeitschriften liegen unten im Kleiderschrank. Aber die gehören mir nicht.“
„Egal“, sagte Hannes. „Komm jetzt, Katja. Je eher wir das erledigt haben, desto besser.“ Er nahm meine Hand und fing an zu laufen.
„Wo wollt ihr denn hin?“, fragte Leni, als wir uns an der Küche vor­beimogeln wollten.
„Nach oben, zu Katja. Wir wollen uns in Ruhe unterhal­ten. Über die Schule, über ihre Freundinnen und Freunde, über ihre Bücher. Was dagegen, Leni?“, fragte Hannes kess.
Ich ganz gewiss nicht“, griente Leni. „Aber Katjas Oma wird davon ganz gewiss nicht begeistert sein.“
„Die liebt mich“, sagte Hannes selbstbewusst.
„Eben deshalb“, parierte Leni.
„Du willst doch damit nicht etwa andeuten, dass Anita, das alte Mädchen, eifersüchtig auf ihre Enkelin ist?“, fragte Hannes und grinste wie ein Primelpott.
„,Altes Mädchen ist gut'“, kicherte Leni und tauchte wieder ab in die Küche.
Meine Kammer wälzte sich in eigelber Nachmittagssonne. Ein bunter Falter taumelte von einer Zimmerecke zur anderen. Ich öffnete das Fenster.
„Nett ist es hier.“ Hannes hatte es sich auf meinem Bett bequem gemacht und sah sich im Zimmer um.
„Auch der Ausblick“, sagte ich. Er stand auf und blickte aus dem Fenster.
„Ach ja, der Garten von Tan­te Agnes.“
„Letztes Jahr war es hier nicht so ruhig, aber viel schöner“, ver­traute ich Hannes an und dachte sehnsuchtsvoll an dich, liebe Christine.
„Ja, letztes Jahr“, wiederholte Hannes gedankenverloren. „Da war mein Vater noch auf Gut Seesen, glaube ich. Ich habe lediglich eine Ferienwoche bei Tante Selma verbracht. Die restliche Zeit war ich mit Vater in Italien. Da war es vielleicht heiß, mannomann, aber die Mädchen, bellissimo ... Aber ich bin in der einen Ferienwoche hier so manches Mal um das Anwe­sen herumgeschlichen und habe eure Stimmen ge­hört. Mädchenlachen. Und manchmal hat ein kleines Kind herumgegreint.“
„Das war Leonhard, Christines kleiner Bruder“, rief ich begeistert.
„Was liest du jetzt eigentlich“, fragte Hannes plötzlich. Er sah mich misstrauisch an und griff nach dem Buch, das auf meinem Nachttisch lag.
„Gösta Berling, Selma Lagerlöf“, las er vor, als ob ich das nicht selber wüsste.
„Ich dachte, die hat nur Kindergeschichten geschrieben, ,Nils Holgersson' und so.“
„Falsch gedacht, Hannes“, sagte ich.
„Her mit diesen Modeheften“, kommandierte Hannes lächelnd.
„Wozu brauchst du die?“, fragte ich. „Willst du dich neu einkleiden?“
„Quatsch, Katja“, flüsterte Hannes. „Natürlich nicht. Mensch, du bist vielleicht manchmal begriffsstutzig.“
Er stand auf, öffnete leise die Tür und sah auf den Flur hinaus.
„Alles in Ordnung“, sagte er feierlich, nachdem er sie wieder geschlossen und sich auf mein Bett gesetzt hatte. „Wir müssen ganz leise sein. Helge darf auf keinen Fall Verdacht schöpfen. Wo ist er jetzt überhaupt?“
„Bei der Heuernte …?“, vermutete ich.
„Oder im Wald. Ein Wilderer, brav als Jägersmann verkleidet“, verkündete Hannes unheilvoll.
„Oder als Maskenungeheuer hinter jungen Mäcchen her. Hier sind die Modehefte“, sagte ich und überreichte ihm feierlich den Packen aus dem Kleiderschrank.
Als es an der Tür klopfte, fuhren wir beide zusammen, als hätte man uns beim Knutschen ertappt.
„Herein“, fand ich Sekunden später meine Sprache wieder. Mutti stand im Türrahmen, ganz in Spinatgrün gehüllt. Passt gut zu den Kuhställen, lag mir auf der Zunge.
„Hallo, Hannes“, begrüßte sie Macheath verlegen und schaute von ihm zu mir und wieder zurück.
„Ihr seht euch Modehefte an?“ Sie starrte ungläubig auf die Journale.
„Was

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