Feuerwerksspektakel zur Begrüßung des neuen Jahres – Brauch und Missbrauch

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von Marie Mehrfeld

Schon die alten Germanen pflegten den Brauch, in der Silvesternacht Feuer zu entzünden und einen Ohren betäubendem Lärm mit Rasseln, Dreschflegel und Peitschen zu veranstalten, um Dämonen und böse Geister zu vertreiben. Im frühen Mittelalter versuchten es die Menschen mithilfe von Pauken, Trompeten und Glockengeläut. Vom Beginn des 15. Jahrhunderts an wurde Schwarzpulver zum Einsatz gebracht. Das Sylvesterfeuerwerk als Spektakel oder "Lustfeuerwerkerei" wurde erst seit dem Zeitalter des Barocks zur Unterhaltung an den deutschen Fürstenhöfen Brauch, man wollte damit vor allem den Reichtum und die Macht des Adels zur Schau stellen und weniger das Volk belustigen. Das größte barocke Spektakel dieser Art soll Ludwig der XV. 1770 im Park seines Schlosses von Versailles veranstaltet haben, angeblich wurden 20.000 Raketen, 6.000 Vulkane und so genannte Feuertöpfe sowie 80 brennende Sonnen gezündet. Allerdings leuchteten die explodierenden Feuerwerkskörper zur damaligen Zeit nicht so hell und besaßen keine bunten Farben, da die Oxidationsmittel fehlten, die heutzutage zum Einsatz kommen. Durch die fortschreitende Pyrotechnik und die bessere Verfügbarkeit von Metallnitraten wurde das Feuerwerk dann im ausgehenden 19. Jahrhundert für die normale Bevölkerung zugänglich, bis es schließlich in die Massenproduktion ging. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist es zum Jahreswechsel allgemeiner Brauch, Raketen und Böller zu zünden.
Brauchtum zu pflegen und zu erhalten ist innvoll und unterstützenswert. Heute hat die Sylvesterknallerei allerdings ein in vieler Hinsicht absurdes Ausmaß angenommen. Da ist etwas aus dem Gleichgewicht geraten. Böller und Raketen für etwa 137 Millionen Euro werden in Deutschland auch in diesem Jahr wieder in die Luft geballert, dabei werden rund 5.000 Tonnen Feinstaub frei gesetzt, diese Menge entspricht in etwa 17 Prozent der jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Feinstaubmenge. Die gesundheitlichen Schäden des Einatmens von Feinstaub und des enormen Lärms reichen von vorübergehenden oder anhaltenden Beeinträchtigungen der Atemwege über Innenohrverletzungen und Knalltraumata bis hin zu Herz-Kreislauf-Problemen. Am meisten aber leiden die Schwächsten der Gesellschaft unter den lauten Geräuschen und dem Feinstaubaustoß der Sylvesternacht, die Kleinkinder, die kranken und alten Menschen und nicht zu vergessen – die Tiere. Erwähnenswert auch die betagten Männer und Frauen, die sich noch an die verstörenden Geräusche des zweiten Weltkriegs erinnern. Was mich unabhängig von anderen Argumenten an den Feuerwerksorgien stört, ist die Tatsache, dass die Feiernden ihren Müll ungeniert auf der Straße liegen lassen, so dass deutsche Innenstädte am ersten Tag des neuen Jahres oft an Kriegsschauplätze erinnern.
Inzwischen hat sowohl national als auch international ein Umdenken begonnen. Einige Kommunen verbieten Feuerwerke am 31. Dezember generell wegen der Brandgefährdung. In den Niederlanden hat es sich teilweise ganz ausgeböllert, 56 Städte und Gemeinden verbieten private Feuerwerke, es soll feuerwerkfreie Zonen geben, in denen überhaupt nicht geknallt werden darf wie rund um Altersheime, Asylbewerberheime, Tierasylheime, Krankenhäuser. Die Stadt Frankfurt am Main richtet in diesem Jahr erstmals zum Jahresübergang Sicherheitszonen am Main ein. Wer das neue Jahr auf dem beliebten Eisernen Steg oder am nördlichen Flussufer begrüßen will, wird kontrolliert und muss auf Feuerwerkskörper und große Taschen verzichten. Unter dem Motto "Brot statt Böller" ruft das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt zum Jahreswechsel zu Spenden auf. "Wir laden dazu ein, das neue Jahr mit einem Geschenk an Menschen in Not zu beginnen. Der Spaß, den ein Feuerwerk macht, ist nur kurz. Die Freude, die durch Teilen entsteht, ist von Dauer." Der vom Berliner rot-rot- grünen Senat kurzfristig aufgerufene Appell: „Berliner, feiert giftfreies Silvester!“ wird angenommen und umgesetzt. In der Sylvesternacht werden vor der Maria-Montessori-Schule in Berlin Tempelhof Schulkinder eine „vierfarbige Leuchtrakete“ tanzen. Vor Filialen einer Berliner Backshop- Kette wird ohrenbetäubender Knall ertönen: Mitarbeiter werden Papiertüten verteilen an Passanten, sie werden aufgeblasen und auf Kommando zum Platzen gebracht. Am Brandenburger Tor wird eine riesige Videoleinwand aufgebaut. Punkt Mitternacht wird dort bei der Silvesterparty eine Dokumentation „Vulkanausbruch auf Hawaii“ laufen – als vernünftige Alternative zum übermäßigen Geballere. Damit das neue Jahr dennoch lautstark und fröhlich begangen werden kann, wollen viele Städte eigene Silvesterfeuerwerke organisieren. Vorbild dafür ist Australien, dort ist das Zünden privater Knallkörper gänzlich verboten, stattdessen erfreuen sich die Feiernden an prächtigen kommunalen Feuerwerkspektakeln. Hoffentlich machen diese umweltfreundlichen Ansätze weiter Schule …
(Informationsquellen: diverse Printmedien online)

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