Es war einmal ein emaillierter Haushaltmülleimer, der noch im 19. Jahrhundert lange seinen Dienst getan hatte. Als er nicht mehr gebraucht wurde, landete er auf einer wilden Müllkippe mitten in der Natur, wo er alsbald in Vergessenheit geriet.
Hundert Jahre und mehr gingen ins Land, bis der Regen ihn nach und nach aus dem Sand des Cirque de Mourèze spülte. Neben Flaschenhälsen, Schuhsohlen, Blechbüchsen und all dem Unrat, der sich in einem Dorf so ansammelt, fand er sich eines Tages am Rande eines kleinen Weges wieder, an dem ein Geschichtenerzähler seine Anmerkungen aufstellte. Der wunderte sich nicht schlecht darüber, was man so alles im Wald findet. Aber dann hatte er eine Idee, die er auch sogleich in die Tat umsetzte.
Er kleidete den traurigen Mülleimer mit einem Kunststoffbeutel aus, ließ ihn da stehen, wo er ihn gefunden hatte und wartete gespannt, was sich tun würde.
Und es tat sich Erstaunliches: Der Eimer, der nun wieder einen Sinn hatte, wurde von den Leserinnen und Lesern, die sich für die Worte des Geschichtenerzählers interessierten, mit Abfall befüllt. Von Stund’ an fand sich kein Stück Papier, kein Kronkorken, keine Zigarettenschachtel mehr auf dem kleinen Weg. Ja, selbst die Müllreste, die der Regen weiterhin freilegte, landeten im Mülleimer, der sich darüber sehr freute. Denn so ein Mülleimer ist schließlich auch nur ein Mensch, nicht wahr?
Und so kam er in Ausübung seines neuen Jobs in die Jahre. Die Rostlöcher wurden größer, und schließlich trat er in den wohlverdienten Ruhestand. Nein, nein, nicht auf die inzwischen existierende kommunale Mülldeponie. Davor bewahrte ihn die Phantasie des Geschichtenerzählers.
Und nach kurzer Einarbeitung hat nun sein Nachfolger die Aufgabe übernommen. Aus einigen Brettern und Ästen hat der Dichter, der auch über handwerkliche Fähigkeiten verfügt, ein – wie man so sagt – Designer-Modell gebastelt. Es ist fest verankert, nicht zu übersehen und sorgt dafür, daß auch künftig die Besucher des kleinen Gedichteweges ihren Abfall entsorgen können.
Nachwort
„Leblose Objekte wie ihr, habt auch ihr eine Seele, die unsere Seele an eure bindet und uns zur Liebe führt?“, fragt der französische Lyriker Alphonse de Lamartine
in seinem Gedicht „Milly oder Die Heimat“.
„Ja“, sage ich als Autor dieser Geschichte, und gebe die Frage gern
an meine Leserinnen und Leser weiter…
Kommentare
Dieser Text ist nicht im Eimer!
(Auch das Foto mag der Reimer...)
LG Axel
Was für eine nette Geschichte !
Lieben Gruß
Eva
Eine gelungene poetische Aktion mit sichtbarem (nicht nur wegen des Fotos) Erfolgserlebnis, also perfekt. MfG