Dort beim Hecksenkraut

Bild zeigt Morpheus Eisenstein
von Morpheus Eisenstein

Nebel schwankt auf torfiger Erde, wartet auf das Sönnelein, das zwar schon seine leuchtenden Arme ausstreckt, aber noch nicht in das Herz der Nebelbank hinein greift.

Noch nicht : verzischt der Schleier der Wolkengespinster. Geister
haft gecken die Stimmen der nicht mehr anwesenden Kinder von der grobsteinigen Brücke, brechen sich an den Gebäuden entlang der einen Straße, kehren lallend zurück : »Achtet auf den Widder! – idder idder idder!«

Fluß gurgelt, Nebel weicht nicht, auf der Wiese stehen Schatten, Schafe, die schüchtern Gras rupfen vor der hölzernen Wand, hinter der sie ihr Nachtlager wissen / missen. Die Tore geschlossen. Achtet auf den Widder! Wollköpfe schnellen lauschend in die Höhe, schwarze Münder blöken. Die Kinderschar lacht, löst sich auf, nicht mehr als eine weitere gespenstische Erscheinung. Die Steinbrücke befindet sich wieder leer. Als auch der Nebel endlich heimgegangen ist, steht das Dorf, wie ein beginnender Frühling, still & warm, an seinem Platz.

Die Steine vergessen nichts. Ihre Erinnerungen fließen langsam wie ihre ganze mineralische Existenz. Geduld macht sie unsterblich. Wenn der Nebel an ihnen reibt, erklären sie sich bereit, flüchtige ikonische Gedanken abzusondern. Die Pioniere tiefer Erdschichten sind die Archivare der Zeit. Man erkennt nur selten einen Namen, oft aber ein geflüstertes Wort, noch öfter ein verschallendes Lachen, dem man besser nicht folgt. Keine Heiterkeit findet sich dort, wo es endet.

Der Flug ist Augur in den müden Augen, die das eine Zeichen deuten können, das andere aber übersehen. Der Vogel weiß nichts davon, gelesen zu werden, so wie die Buchstaben nichts davon wissen. Was steht hier? – Das ist so zweierlei & dreierlei! Was aber bedeutet es?

Auch der Seelendienst, den ich heute nacht spendete, ist ein Gefäß meiner Tugend; ich stehe nicht ohne Grund über mir. In dieser verblüffenden Haltung warte ich auf die Antwort (ein Echo), die (das) stets in mir lauter wird. Ich kann mich nur dann irren, wenn ich das Irren zum Irren mache. Ich beobachte, wie sich die Seile des mir Erzählten rühren wie jenseitige Stricke (ohne das gesetzliche ‹Hier›).
An diesem Webebalken hangeln sich die Figuren entlang. Da es meine Stricke sind, kenne ich ihre exakte Länge. Heute nacht war ich hellsichtig (es funktioniert nur im metallischen Mantel der Nacht), weil ich aus dem Zustand des Einschlafens gerissen wurde, da war es drei – jetzt ist es halbfünf, die frühen Vögel proben ein erstes Gespräch über Frühbeute. Nicht selten bemerke ich an mir den Reiz, den Übermüdung ausübt, in einer weiteren Nacht ohne wellenförmige Schlafphasen.

Sie stand mit geröteten Augen im Raum: »Rate mir!« – und sie lehnte den Kopf gegen den Träumer, und ich riet; »Beruhige mich!« – und ich rührte Ruhe an wie dickes, nasses Fell. Um sieben weckten mich die Träume, die in die beiden Schlafkissen gefallen waren, weil ich sie, entkräftet, nicht zu halten vermochte.
Meine Trümmer des Schlafs : ich komme nach oben, sehe ein abgeschmacktes Licht, einen wartenden Tag. Er wälzt wälzt wälzt sich im Bett, der Tag, träumt, hält fest an dem Traum. Der Wahnsinn : ‹Du Wahnsinniger!› – Auch ich bin ständig mit dem Trommelrevolver unterwegs!
Nein; ich fasse mich an! Der Instinkt ist stets erotisches Schweinelager, stets voll… und voll…
Die Laken : stinkendes, krustiges Blut & Nahrung (oder Rätsel).

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