Miss Mutig – Das viel zu große Finale

Bild zeigt Alf Glocker
von Alf Glocker

Viele Jahre waren ins Land gegangen, ohne, daß aus dem Land wieder etwas herausgekommen wäre. Das Leben von Sohwass von Schlapp an der Seite der lebensklugen, aber psychisch etwas angeschlagenen Miss Mutig blieb, was es immer gewesen war: eine einige Misere, um nicht „ein lebendiges Inferno“ sagen zu müssen.

Nie war es Stein gelungen, etwas Gutes zu tun! Er strengte sich ja nicht richtig an und so kam es wie es, bei einem anderen Partner als dem verblödeten Stein, wohl schon längst gekommen wäre: Es gab einen Riesenknall! Miss Mutig hatte sich, angewidert von den Bemühungen Steins um das absolute Bild (diesmal digital) in einen drohenden Anfall hineingeschaukelt.

Sie war nachmittags in Steins Arbeitszimmer gekommen (das dumme A…l… hatte ja 3 Arbeitsräume zu seiner Verfügung: Ein kleines Zimmerchen, das mit Computern ausgestattet war, ein Garten-Atelier, wo er seine schweinischen Malorgien veranstaltete, wo es viele Farbspritzer gab, und ein Stadt-Atelier, das er für Repräsentationszwecke und für das Schreiben zu zweit, an „besonderen“ Büchern mit seinem Jugendfreund Ron verwendete).

Er war gerade an einer digitalen Arbeit, wo er eins seiner schönsten Modelle, die hochattraktive Babette, in eine wundervolle Landschaft einfügte – er ließ sie eine leuchtende Kugel halten, mit der sie ein paar Büsche und ein Flüsschen erhellte – als Miss Mutig zufällig ins Zimmer kam und demonstrativ etwas suchte.

Sie entdeckte die „Bescherung“: Stein widmete seine ganze Aufmerksamkeit einer anderen Frau! Wieder war sie, Miss Mutig, nicht sein Model gewesen und wieder vernachlässigte er seine häuslichen Pflichten, wie Staubsaugen, etwas reparieren, sie zu unterhalten, nur damit er seinen unnützen Mist machen konnte, Das war obszön!

Sie MUSSTE zu Erziehungsmaßnahmen greifen!! Kochend vor Wut ging sie in die Küche und machte sich von dort aus lautstark bemerkbar. Das eine oder andere Glas fiel klirrend zu Boden, tausend Scherben bedeckten ihn bis in den Hausflur hinaus. Natürlich musste Stein das, was er „Arbeit“ nannte, sofort unterbrechen!

Er fürchtete sich davor, daß aus Miss Mutigs Gefluche ein handfester Anfall mit, vielleicht sogar, einem Zusammenbruch folgen könnte … und wenn der auf dem Küchenboden stattfand dann wären zahlreiche Schnittverletzungen die unausweichliche Folge gewesen. Da schwang er doch lieber den Besen und latschte hinter dem Staubsauger her, bevor eventuell wieder mal ein größeres Unheil geschah!

Die Miss war verzweifelt! Wie sollte sie diesem Unhold denn nur endlich begreiflich machen, daß SIE und absolut NUR SIE der Mittelpunkt seines Lebens war, in dem weder die Kunst noch irgendein dahergelaufenes Model etwas zu suchen hatte?! Stein wusste, wie schwer es der Miss jeden Tag fiel, einigermaßen freundlich zu sein. Er beobachtete sie ängstlich, wenn sie sich bemühte, die Stimmung zu „halten“, sich nicht gleich über einen seiner Fehler, wie zum Beispiel das Klofenster zum Lüften länger als nötig offen zu lassen, aufzuregen. Wenn sie merkte, daß sie gleich die Beherrschung verlieren würde, dann fing sie oft, Versöhnlichkeit demonstrierend, zu singen an „Lahlahhlaaahhlà“, oder „Duhmmhmmhumhum“. Doch heute geschah das erst gar nicht – heute war er entschieden zu weit gegangen!

„Du bist niemals da, wenn man dich braucht“, plärrte sie. „Immer hast du etwas anderes zu tun, als die Dinge die wichtig im Leben sind!“ Wütend fetzte sie Schaufel und Besen, nach der getanen Arbeit, in den Besenschrak. Dann fing sie zu kochen an (kochen im Sinne von Essen machen). Weitere Gegenstände wurden unsanft hin und her geworfen und Stein hatte Angst, sie würde sich bei der Essenszubereitung, wie so oft, mit einem der Messer verletzen…

Er schaute traurig auf die sich, nun schon, zum gefühlten 10 000sten Mal, anbahnende Katastrophe und danach einfach so in die Runde, dann ging er schweigend hinaus … und ward nicht mehr gesehn!

Die daraufhin einsetzenden Gerüchte überschlugen sich geradezu, überboten sich an Kuriosität, beschrieben aber fast immer, wofür man ihn für fähig hielt. Einer erzählte er habe gehört, Stein sei nach Australien ausgewandert, um dort mit einer Aborigine-Frau eine Großfamilie zu gründen, eine Bekannte Miss Mutigs mutmaßte: „Der ist wahrscheinlich zur Fremdenlegion gegangen – er neigte ja immer schon zur Gewalt.“ Einer meinte trocken: „Der ist bestimmt in einem indischen Aschram versumpft.“ Sein wirklicher Aufenthaltsort aber konnte nicht ermittelt werden.

Anzeichen wiesen darauf hin, er habe sich für ein paar Tage noch im Stadtatelier aufgehalten, doch dann verloren sich seine Spuren … und als, Jahre später, ein befreundetes Paar von einer Reise nach Paris zurückkam, berichteten sie Miss Mutig, sie hätten dort (im Winter) eine erfrorene Leiche, unweit der Ruine von Notre Dame, unter einer Seine-Brücke liegen sehen. Da musste Miss Mutig herzlich lachen, denn verfroren war das Weichei Sohwass von Schlapp zeitlebens gewesen.

Was nun aber Miss Mutig selbst betraf, ist zu berichten, daß sie ihr Glück fand! Zwar spät, aber immer noch rechtzeitig, verliebte sie sich in Morkoman, einen einfachen, aber widerstandsfähigen Bau-Hilfsarbeiter, der wahrhaft alles tat, um sie – nicht nur sexuell – zufriedenzustellen. Er bewunderte sie maßlos und vergaß nie zu erwähnen, wie weit sie intellektuell über ihm stand und wie viel ihm das bedeutete.

Das tat ihr gut, das baute sie auf, das machte ihr Spaß! Aber, wie so oft, versetzte sie, einmal mehr, alle ihre Freunde, die einmal auch die Freunde von Sohwass von Schlapp, genannt „Stein“ gewesen waren, in maßloses Erstaunen, als sie, völlig „überraschend“, aus eigenem Entschluss, aus dem Leben schied! Als Morkoman danach befragt wurde, wie das denn gekommen sei, erklärte er, auf seine etwas ungelenke Art, daß er vor einem Rätsel stehe und: daß sie ihm nie offenbarte, was in ihr vorging!

Zusammenbrüche habe sie bei ihm keine zelebriert und – und wenn, dann er hätte er sie wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Immerhin war er, in seiner ganzen Freizeit, ausschließlich mit Reparatur-Arbeiten in der Wohnung, mit Lüften und Staubsaugen, mit Sex und Kaffeekochen, sowie vor allem damit beschäftigt gewesen, die Miss bei guter Laune zu halten …

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