Miss Mutig als versponnene Person zu bezeichnen, der jeder Bezug zur Realität abgeht, wäre wohl vollkommen absurd. Sie war zu jeder Zeit ihres Lebens voll über alles informiert und sie bediente sich selbstverständlich auch der neuesten psychologischen Methoden, um sich über sich selbst, sowie über alle Beziehungen, die sie pflegte, hinreichend klar zu werden. Das war sie sich schuldig! Und die Beziehung, welche ihr das meiste Kopfzerbrechen bereitete, war selbstverständlich die zu Sohwass von Schlapp, dem Möchtegern-Künstler, genannt „Stein“ (weil er, wie jeder wusste, völlig gefühllos war).
Eine Psychiaterin hatte ihr einmal geraten, eine Gegenüberstellung in 11 Punkten zu erstellen, wenn sie sich nicht mehr sicher war, ob sie sich nun von dem dämlichen Stein trennen wollte oder nicht. Auf der einen Seite sollte stehen, was sie an Sohwass von Schlapp gut fand, und auf der anderen Seite seine schlechten Eigenschaften … Das Ergebnis sollte sogar für sie verblüffend ausfallen.
Stein erfuhr davon, weil sie es einmal beiläufig erwähnt hatte, und er beschloss deshalb, das Gleiche zu tun. Auch er fertigte, nach schlechtestem Wissen und gar keinem Gewissen, ebenfalls ganz im Geheimen, eine solche Liste an – und auch er wunderte sich nicht schlecht über das unausweichliche Ergebnis, dessen, die sich daraus ergebenden, Einsichten für ihn sowohl schicksalhaft wie auch ausweglos waren.
Hier die Listen nacheinander. Zuerst Miss Mutigs Liste, den Stein betreffend:
- Stein ist zu nichts zu gebrauchen!
+ … ich kann ihn besser terrorisieren als jeden anderen!
- Er kann sich einfach nicht meinen Plänen unterordnen.
+ Er ist weder für mich noch für meine Mutter, mit der ich alles bespreche, gefährlich.
- Er ist saudumm, was die Erfordernisse des täglichen Lebens angeht.
+ Er hat viel Phantasie, die ich allerdings nicht für mich gebrauchen kann.
- Er weiß absolut nicht, worauf es mir ankommt!
+ Er versteht mich nur, wenn ich nett zu ihm bin …
- Er lässt sich von mir nichts sagen, obwohl ich ihn oft listig (will heißen „diplomatisch) auf etwas hinweise.
+ Er merkt es nie, wenn ihn reingelegt habe.
- Er befasst sich lieber mit seiner „Kunst“ als mit meiner Erotik!
+ Wenn ich ihn um etwas bitte, dann tut er es.
- Er ist kein richtiger Mann – man kann ihn sexuell einfach nicht, bei Bedarf, abrufen!
+ Er verlangt keinen Sex von mir, wenn ich keine Lust habe, sonst allerdings auch nicht.
- Er verdient einfach kaum etwas, weil er nicht umsatteln will …
+ Ich sehe immer wieder erstaunliche Sachen von ihm.
- Ich muss ihm bisweilen in den Rücken fallen, da er sonst die Bodenhaftung verliert!
+ Er begreift gar nicht, wie ich wirklich bin (ich allerdings auch nicht).
- Er ist unersättlich in seiner Kunst und meint, ich müsse ihm da den Rücken stärken.
+ Er tröstet sich darüber hinweg, wenn ich es nicht tue.
- Er ist fürchterlich nachtragend (er erinnert sich an alles, was ich ihm angetan habe) – also liebt er mich nicht!
+ Er kann manchmal sehr nett und originell sein, ohne allerdings jemals meinem
Verstand und meiner Weitsicht gehorchen zu wollen.
Und hier Steins geheime Liste:
- Sie liebt es, mich zu verletzen!
+ Sie hat mich noch nicht seelisch umgebracht …
- Sie hat alle meine Geschäftsverbindungen heimtückisch zerstört!
+ … aber sie lässt mich nicht verhungern.
- Sie bespricht nichts mit mir, sondern alles mit ihrer Mutter
+ Sie hört immer dann nicht auf ihre Mutter, wenn die ihr rät, sich von mir zu trennen.
- Sie hat absolut keine Phantasie
+ … dafür beachtet sie die meine (Gott sei Dank) kaum!
- Sie stellt mir gerne Fallen, um mich überall bloßzustellen.
+ Sie vergisst gleich wieder, wie schwer sie mich verletzt hat.
- Ihre Erotik ist rein praktisch und sehr einfach (also die sie mit mir hatte).
+ Sie besteht nicht auf dem Geschlechtsverkehr.
- Sie hat gar keine Lust eine Frau zu sein, sie ist unfreundlich, überkritisch und nicht
nicht anschmiegsam. Wie sie aussieht, ist ihr ebenfalls egal!
+ Sie duldet mich noch in ihrem Umfeld …
- Sie hasst alles was ich mache, denn meine Kunst ist für sie eine Sünde!
+ Sie lacht nicht mehr so oft über meine Werke.
- Sie fällt mir in den Rücken wo sie kann und hält das für moralische Überlegenheit.
+ Sie kann sehr gut kochen!
- Sie versucht, mich in allem, was ich mache, aufzuhalten, außer es handelt sich um
Hausarbeiten …
+ Sie traut sich nicht oft mich „Arschloch“ zu nennen.
- Sie ist krankhaft davon besessen, mir irgendwelche Fehler einzureden.
+ Sie verzeiht mir, wenn ich mich davon erhole und erwartet, daß ich dann auch gleich
alles vergessen habe!
Wie der geneigte Leser zweifellos erkannt haben mag, ist, daß die Liste Steins etwas ausführlicher angelegt ist als die von Miss Mutig – woraus man unschwer erkennen kann, daß Sowass von Schlapp absolut unlogisch, ja eher schon hasserfüllt und von daher wohl auch resigniert erscheint.
Im Wesentlichen aber scheint es sich um eine stille Übereinkunft der beiden zu handeln, sich akribisch zugrunde zu richten.
Insofern mögen die beiden wahrhaftig einander wert und füreinander bestimmt sein, denn der Erste von ihnen, der es wagt, diese gottgegebene Verbindung zu zerstören bzw. zu lösen, wird eindrucksvoll erleben, daß niemand auf der Welt in der Lage ist, sein Glück selbst zu schmieden. Etwas wird immer fehlen … Hammer, Amboss oder Eisen …
Selbst der Zufall ist da noch der bessere, wenn auch vielleicht nicht der einzige Schmied – abgesehen davon, daß es höchstwahrscheinlich gar keinen Zufall gibt! Wer aber versucht, dem Weltgesetz des nichtvorhandenen Zufalls zuwiderzuhandeln, der wird sich in absoluter Isolation wiederfinden (das dachten und denken bislang wenigstens Miss Mutig und der Stein „Sowass von Schlapp“!) Wer also noch nicht völlig belämmert dastehen möchte, „… deer vergiiiesst wass doch nichcht zuu äändern iiest …“