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1. Das Spiegeltreffen
Ich dreh mich panisch in der Nacht um alle Achsen, die es gibt. Und Fragen brüllen ihren Sabber in mein Ohr. Wie kann ich das, bekomm ich dies? Wie lange dauert so ein Machen? Wer ist mir gut – warum geht alles wie es gehen will – soll – muss? Ich leide sehr am Überdruss!
Dann fass ich mich und grenz‘ mich ein. Die Sicht darf nicht verschwommen sein, mein‘ Ich aus inneren Gefilden zu vernehmen, die mir (komisch) heilig sind, ist ausgesprochen wichtig. Um meine Seele braust der Wind!
Ich steh‘ am Rand der Lebensautobahn und schaue was vorüberkommt. Das Staunen hat mich tief ergriffen. Die grau‘n Gestalten – nur ihre Mäntel sind so grau – scheinen einem wüsten Plan zu folgen.
Ich nehm‘ den ersten Besten,
der gleich daher stolziert, zum Fragen:
was machst du hier?
Willst du nur deine Seele mästen?
So komm, ich helf‘ dir Speisen tragen.
Doch ich begegne zuerst mir
(von außerhalb der Zeit).
Ich antwort‘ mir verdutzt, verlegen:
was schlägst du mich mit sowas breit?
Ich drücke mich halt hier herum
und/oder lass‘ mich einfach treiben,
doch bin ich stets am Überlegen –
ich dreh‘ und wende das Warum!
Wir wissen nicht, das Ich und Ich, wie wir der Welt begegnen sollen. Drum stell‘ ich mich ganz froh zur Rede. Heut‘ bin ich dir mal außen vor. Uns beide geht ja gar nichts an, wir denken fühlen sehr neutral! Wie urteilst du, wenn du grad keine Arbeit machst?
Ich sehne mich nach schönen Dingen!
Nach Anmut, Zärtlichkeit, Vernunft!
Dann wirst du’s leider nicht weit bringen
(so sag‘ ich zu mir selber noch),
dafür gibt’s keine Zunft!
Mir scheint, die Zukunft ist ein Schwarzes Loch!
Du bist ein Nichtsnutz, Drückeberger!
Stürz‘ dich doch in ein Unterfangen,
das deine ganze Kraft, nicht Hirn erfordert,
denn sonst erfährst du täglich ärger –
von Sachen, die dich anbelangen –
was deinen Einsatz schmählich ordert,
so daß du nicht mehr handeln willst.
Das macht den Sinn der Unverschämtheit aus:
daß du nicht tust was du so fühlst!
Und darin liegt das Glück!
Mehr rechnet sich aus dir nicht raus!
Das hast du so im Blick?
Wer hat denn diesen Quatsch erfunden?
So rede ich nun zu mir hin…
Der Mensch, der angebunden,
und der nicht fragt „Wer ich wohl bin?“,
der soll das Idealbild sein?
Ich glaub‘ das meinst du ganz allein!
Das meinen breite Massen!
Sie sollten’s lieber lassen!
Was sie da tun, im Antrieb pur,
das ist nicht wider die Natur –
es ist nur herzlos, dumm und öde!
Was willst du denn, die sind halt blöde!
Und trotzdem sind sie produktiv!
Und, meinst du nicht, da läuft was schief?
In all der sturen Produktion
von Gütern, Menschen, haust der Tod!
Es ist wohl Gottes Konstruktion,
die seine Brut im Kern bedroht,
damit sie reift, wohl auch vergeht…
Ist’s das, was dort „im Buche steht“?
In welchem Buch? Du meinst die Bibel?
Erwäh’n es nicht, mir wird gleich übel!
Dann zieht’s dich wohl noch zum Koran?
Oh, Himmel, nein! Auch der ist Wahn!
Und zwar von übler Ekel-Sorte!
Schwachsinn ist’s, aus der Retorte,
was man sich vorstellt, für den Trost,
nur weil man weiß, daß man alleine ist.
Wer denkt, der ist dadurch erbost,
doch folgt ihm täglich dieser Mist!
Der Depp kann ohne Rausch nicht leben!
Da ist mir Alkohol in Maßen lieber!
Doch beides kann das Unheil nicht beheben –
es ist uns, auf der ganzen Strecke über!
So lärmt und rauscht die Lebensautobahn. Und viele kommen sehr zu Schaden. Sie ist gesäumt von Leichen aller Art! Und überall, da liegen die Pamphlete, die Irre weggeworfen haben – um sich und andere zu täuschen. Es ist der Abfall aus den Zeiten, der Späteren so humoristisch scheint. Dabei war er gebraucht, denn nur im Irrtum kann die Frucht gedeihen! Das muss der Schöpfung man verzeihen!
2. Das kollektive Unbewusste
Was alle wissen, dacht‘ ich mir, das geht auch mir im Kopf herum. Sie sprechen‘s nur nicht aus, weil sie so weise sind und so erwachsen. Und deshalb darf’s auch ich nicht sagen! Doch war ich Kind – und fand heraus, nur so zu meinem Spaß, daß Wahrheit erstens ungeliebt und zweitens auch gefährlich ist. Und noch etwas: ein Zauber hält sie stets umfangen, so daß es Zungen gar nicht möglich ist, ganz einfach nachzusprechen was die Herzen fühlen. Und wer es tut, der sitzt nur zwischen Stühlen.
So reißt mich der Verkehr
und er reißt and‘re einfach vorwärts nur,
die dort, auf ihren Wegen ziehen.
Und keiner setzt sich gern zur Wehr
(denn das ist schlecht „für die Figur“).
Man liebt das Leben viel zu sehr –
so denkt man, unbedarft und leicht,
gibt sich erregt, gespannt und feucht
und ahnt nur dumpf das eig‘ne Aus
(die Zukunft sieht man nicht voraus).
Der Weg ist Ziel und auch Zuhaus‘!
Die Lebensautobahn, sie lärmt,
und ihr ist man verpflichtet,
auf sich selbst hat mal da nicht geachtet!
Woran sich dann die Seele wärmt
die man zum Haufen schlichtet,
das liegt im Ordner „Ist entmachtet“!
Das Einzelwesen fügt sich dem Betrieb,
den es für unausweichlich hält!
So ist es halt, so muss es sein:
so dient man wem, so hat man lieb,
so hat man sich’s nicht vorgestellt –
daß alles falsch geht auf der Welt.
Nun ja, das Endergebnis lässt uns zweifeln! „Es geht schon gut und immer weiter“, das tönen monotone Stimmen, denen keiner mehr was wirklich glaubt. Doch singen diese Affenchöre ihr unentwegtes „Gloria in excelsis Deo“, wobei sie hoffen, auch damit sei schon was getan. Doch wer hat dies verlangt? Welch ganz geheimnisvolles Schieben weist auf einen solchen Schwachsinn hin? Es muss ein unbewusstes Fürchten sein, die Einbildung, daß anders es nicht wirken kann – das Schicksal? das Wachsen und Gedeihen? Das Sterben schließlich, nach dem der Mob sich sehnt, zu sehnen scheint (sonst würde er nicht so verfahren)? Oder glaubt er wirklich, er sei göttlich unterwiesen? Wenn ja, dann muss es doch ein schrecklich‘ Ungeheuer sein…Nein??
Die Eltern lehren’s ihre Kinder nicht,
man weiß, was man zu wissen hat!
„Instinkt“, so heißt der Unterricht –
nur das ist praktisch, im Quadrat,
hoch 6, mal Brut, und unauffällig,
so ist man brav und gottgefällig!
Der Rest ist Anstand oder Schweigen –
das Ziel wird sich von selber zeigen!
Es zeigt sich nicht, was da doch soll,
doch ist man gern des Lobes voll:
der Umstand sei nun wirklich gut,
der alles Leben schön umschließt –
und dafür lohnte sich das Blut,
das man noch spendet, noch vergießt,
um diesem Leben hier zu huldigen.
Dann braucht man einen Schuldigen?
Genau! Es muss dabei auch welche geben,
die anders sind – nicht zu versteh’n!
Die