Rotkäppchen und der gute Wolf oder wie der Mensch auf den Hund kam

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Es war einmal ein junges Mädchen. Sie mochte dreizehn oder vierzehn Jahre alt gewesen sein, als sich diese ungewöhnliche Geschichte zutrug. Wie das Mädchen hieß, weiß heute niemand mehr, denn alle kannten sie nur als Rotkäppchen. Das Mädchen liebte schnelle Autos, schaute so oft wie möglich Autorennen im Fernsehen und trug fast immer eine rote Baseballkappe, genau wie ihr großes Idol, dessen Name aber ebenfalls in Vergessenheit geraten ist.
Rotkäppchen wohnte direkt am Waldrand irgendwo in der Eifel. Hier gab es noch viel Natur, viele Leute sprachen gar von Wildnis. Und es gab große, dichte Wälder. Mitten in so einem Wald wohnte Rotkäppchens Großmutter ganz allein. Die Großmutter mochte keine Menschen, und die Menschen mochten die Großmutter nicht. Hinter vorgehaltener Hand nannte man sie die Alte Schrulle, die mit den Tieren spricht. Selbst Rotkäppchens Eltern vermieden es, ihre Mutter respektive Schwiegermutter zu sich einzuladen. Rotkäppchen aber mochte die alte Frau sehr gern. Und wie sollte es auch anders sein, auch die alte Frau liebte ihre Enkelin.
Eines Tages begab es sich, dass nach über hundert Jahren wieder Wölfe in den Wäldern rings um das kleine Dorf, in dem Rotkäppchen wohnte, gesichtet worden waren. Wie es nun einmal die Art der Menschen ist, hatten sie Angst vor dem Unbekannten. Niemand konnte sich mehr daran erinnern, dass es einst Wölfe in der Gegend gegeben hatte, denn wie bereits erwähnt, lag diese Zeit über hundert Jahre zurück. Und so lange lebt bekanntlich kein Mensch. Obwohl man sich bei Rotkäppchens Großmutter nicht so sicher war...
Eigentlich lebten die Wölfe schon seit Generationen wieder in den dichten Wäldern der Eifel. Aber die Wälder waren so groß, dass die Wahrscheinlichkeit einer Begegnung zwischen Mensch und Wolf verschwindend gering war. Rund um die Eifel waren schon Wölfe gesichtet worden und man fragte sich, wann sie auch hier auftauchen würden. Es gab doch genügend Großwild, an das sich sonst kein Raubtier heranwagte. Und es gab ausreichend Verstecke, in denen die Wölfe ihre Jungen großziehen konnten. Der ideale Lebensraum also für einen großen und gefürchteten Räuber wie den Wolf.
Die Menschen in der Eifel waren zweigeteilt, so wie überall, wo die Wölfe plötzlich – eigentlich nicht ganz so plötzlich, aber so wie Weihnachten jedes Jahr ganz überraschend kommt, so kamen auch die Wölfe tauchten wie aus dem Nichts wieder auf – erneut heimisch wurden. Da waren die, die dieses Stück Natur begrüßten. Und es gab die, die sagten, die Wölfe fressen erst unsere Nutztiere und dann unsere Kinder.
„Vor Wildschweinen habt ihr auch keine Angst“, sagten die, die sich selbst zum Verteidiger der Wölfe ernannt hatten. „Und die sind mindestens so gefährlich wie Wölfe.
Die Gegner jedoch verwiesen halbherzig auf alte Geschichten, in denen böse Wölfe unschuldige Geißlein und sogar Großmütter und kleine Kinder gefressen hatten. Und wenn tatsächlich ein Schaf gerissen wurde, dann war das natürlich Öl ins Feuer der Wolfshasser, die sich sofort aufmachen wollten, um diese vermeintlichen Monster bis auf das letzte Tier zur Strecke zu bringen.
„Der Wolf hat hier nichts verloren!“, riefen sie und vergaßen dabei völlig, dass ihre Großeltern noch Seite an Seite mit dem so in Verruf geratenen Tier gelebt hatten. Und es war offensichtlich, dass die Großeltern dennoch überlebt hatten.
„Lasst sie in Ruhe, dann lassen sie euch in Ruhe!“, erwiderten die Wolfsfreunde. Aber wie das beim Menschen nun einmal so ist, nicht alle waren vernünftig genug, den Wölfen ihrerseits aus dem Wege zu gehen. Denn es gab auch immer wieder Menschen, die den Wölfen zu essen gaben.
Die Wölfe wussten, dass es viele Menschen gab, die sie nicht in ihrer Nähe haben wollten. Und so mieden sie den Menschen. Die meisten zumindest. Einige von ihnen konnten einer so leicht zu erreichenden Mahlzeit wie einem liegengelassenen Butterbrot und den Überresten eines Picknicks nicht widerstehen. Noch leichter als das unbedarfte Rotwild, das nur auf die Wölfe zu warten schien! Trotz aller Mahnungen der älteren Tiere näherten sie sich den menschlichen Siedlungen immer mehr. Und so war der neuerliche Konflikt zwischen Mensch und Wolf vorprogrammiert.

Aber kehren wir zuerst einmal zurück zu unserem halbwüchsigen Mädchen, das wohl noch niemand ohne seine rote Baseballkappe gesehen hatte und das aus diesem Grund nur Rotkäppchen genannt wurde.
Rotkäppchen besuchte schon seit Jahren regelmäßig ganz allein ihre Großmutter im Wald. Niemand wollte sie begleiten. Doch als sich die Berichte von Wolfssichtungen häuften, wollten ihre Eltern sie nicht mehr in den Wald gehen lassen. Es kam zu einem heftigen Streit zwischen Rotkäppchen und ihren Eltern.
„Wenn ihr mich nicht gehen lasst!“, schrie sie ihre Eltern eines Abends an. „Dann ziehe ich ganz zu Oma!“
Sie meinte ihre Drohung ernst, das war ihren Eltern klar. Und so lenkten sie ein, drückten ihr eine kleine Spraydose in die Hand und ließen sie mit sehr gemischten Gefühlen ziehen.
Die Monate vergingen, und Rotkäppchen besuchte ihre Großmutter jedes Wochenende. Sie vermied es, mit der Großmutter über die Bedenken ihrer Eltern zu sprechen. Stattdessen sprachen sie über Gott und die Welt, über die Schule, über einen Jungen, in den Rotkäppchen sich verliebt hatte, über Fernsehsendungen, die die Großmutter gar nicht kannte, weil sie natürlich tief im Wald keinen Fernseher hatte. Aber sie lauschte gebannt den Erzählungen ihrer geliebten Enkelin, denn es gab nichts, was sie lieber tat, als Rotkäppchens Berichten aus der Welt da draußen zu lauschen. Dort leben, das wollte sie nicht mehr. Aber sie war sehr an dem interessiert, was dort vor sich ging.

Eines Tages, als Rotkäppchen durch den dichten Wald lief, beschlich sie ein ungutes Gefühl. Ein Gefühl, als würde sie verfolgt, als beobachte sie irgendjemand, der sich jedes Mal, wenn sie sich umwandte, schnell hinter einem der Bäume verbarg. Dieses Gefühl ließ sie auch in den folgenden Wochen nicht mehr los. Doch sie sprach mit niemandem darüber. Sie hatte Angst, dass ihre Eltern ihr doch noch verbieten würden, die Großmutter zu besuchen. Und auch der Großmutter gegenüber erwähnte sie diese Ängste nicht. Was, wenn die Großmutter selbst entscheiden würde, dass Rotkäppchen nicht mehr zu ihr kommen solle? Nicht auszudenken, wenn diese regelmäßigen Besuche ein Ende finden würden!
Dann kam der Tag, an dem Rotkäppchen tatsächlich eines Schattens gewahr wurde. Ganz sicher, da war jemand

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