Team Abe – Der geheimnisvolle Kleiderschrank - Page 7

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von Lara Preis

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und seine Begleitung nahmen sofort mit den Fahrrädern die Verfolgung auf.
„Du kannst ja doch richtig Gas geben!“
„Bitte?!“
„Schon gut …“
Glücklicherweise war das Gefährt nicht so schnell, denn die darauf recht weit hinten sitzende Rana verkrampfte bereits bei diesem Tempo als blinde Passagierin. Ihr Vordermann wunderte sich über die plötzlich eingeschränkte Zugkraft und konnte keine sinnvolle Erklärung dafür finden. Mittlerweile fuhren sich die beiden auf der Hauptstraße in Richtung Stadtrand. Nach etwa zwanzig Minuten endete die Fahrt in einer Schrebergartensiedlung. Der Motorroller kam vor einer braunen Holzhütte mit gepflegtem Vorgarten zum Stehen. Unter dem abgelegten Helm befand sich augenscheinlich ein rothaariger Kopf mit markantem Gesicht.
„Du guckst hier in aller Ruhe Fernsehen, während ich …“
„Hey Alter, chill … Schau dir lieber mal das an! Voll krass oder?!“
Als das Gartenhäuschen betreten wurde, ignorierte sie den sich dort aufhaltenden mutmaßlichen zweiten Erpresser, denn der alle Blicke auf sich vereinende Nachrichtensender berichtete von einem Feuer, das auf dem Dachboden eines stadtbekannten Gebäudes ausgebrochen war.
„Wen hast du denn da angeschleppt?!“
Der Rothaarige schaute seinen Kompagnon irritiert an.
„Willst du mich verarschen oder was?!“
Blaue Jeans, Fleecepullover, der allerdings größtenteils von einer Outdoorjacke bedeckt war, aber am auffälligsten sollte neben der dunklen Hautfarbe das orientalisch gestaltete Kopftuch sein, getragen von einer jungen Frau, die jetzt ungläubige Blicke seitens der beiden Männer erntete. Offensichtlich fiel der geheimnisvolle Kleiderschrank im Uniklinikum gerade den Flammen zum Opfer, wodurch Ranas Unsichtbarkeit aufgehoben wurde.
„Hi … Krasse Szenen da im Fernsehen …“
Ihr unfreiwilliger Chauffeur war als erstes in der Lage zu antworten.
„Wer bist du und was machst du hier?!“
„Die Tür stand offen und …“
Auf dem Tisch, unterhalb des Regals, worauf das Fernsehgerät stand, vibrierte ein Smartphone. Der andere Mann schaute ungeachtet der Ereignisse sofort nach, was Rana zum Anlass nahm, ihn mit voller Kraft wegzuschubsen und das Handy an sich zu nehmen. Da der Rothaarige den Ausgang versperrte, steuerte sie eine weitere Tür an, die glücklicherweise nicht verschlossen war. Als Toilette entpuppte sich der dahinter liegende Raum. Ein von innen steckender Schlüssel wurde gerade noch rechtzeitig nach rechts gedreht, was die herbeistürmenden Erpresser mit heftigen Faustschlägen gegen das äußere Holz beantworteten. Das einzige dort vorhandene Fenster war leider zu klein, um hindurchsteigen zu können. Rana saß also in der Falle, die Tür hielt allerdings nach wie vor stand. Bevor das Smartphone automatisch vor Fremdzugriff geschützt wurde, wendete sie sich dem Gerät zu, aber leider konnten die erhofften Fotos von Undine nicht gefunden werden.
„Mist!“
Derweil trafen Frida und Meir am Ort des Geschehens ein.
„Bleib hier, ich gehe da nämlich allein rein!“
„Bist du verrückt?!“
Er antwortete nicht und betrat stattdessen das offen stehende Gartenhaus. Beide Männer ließen schlagartig von der WC-Tür ab, bereit sich dem Eindringling zu widmen.
„Löscht sofort die Bilder, dann sehen wir von einer Anzeige ab!“
„Da hat sich wohl jemand verlaufen …“
Völlig impulsiv handelnd, ging der Rothaarige direkt auf ihn zu. Seine Faust landete in dem Gesicht des ungebetenen Gastes, was dazu führte, dass dessen Körper kraftvoll zurückgedrängt wurde. Meirs Hinterkopf schlug dabei unglücklich gegen einen Balken …
„Hau ab!“
Er taumelte, bekam einen Tritt in die Magengrube und lag wenig später auf dem Boden, sich dort vor lauter Schmerzen krümmend. Geistesgegenwärtig verließ Rana zwischenzeitlich ihr Versteck, bewaffnet mit einem auf der Toilette entdeckten Deospray. Ohne zu zögern wurde der Duftstoff dem ersten Erpresser in die Augen gesprüht, der daraufhin erst einmal mit sich selbst beschäftigt war. Davon scheinbar völlig unbeeindruckt, bäumte sich jetzt der Rothaarige vor ihr auf.
„Du und dein Kumpel, ihr seid entschieden zu weit gegangen!“
„Halt dein Maul du …“
Es folgten zwei gezielte Aktionen, womit sich der vor wenigen Monaten besuchte Selbstverteidigungskurs endgültig bezahlt machen sollte. Nummer eins traf sein rechtes Knie mit voller Wucht, gefolgt von einem nicht minder kraftvollen Tritt in den Unterleib.
„Du zeigst mir jetzt sofort die Nacktfotos!“
Frida hatte derweil das Warten aufgegeben, die Hütte betreten und kümmerte sich dort sofort um Meir, beeindruckt von dem Mut der ihr bis dato völlig unbekannten Frau.
„Ich habe die Polizei verständigt!“
Als die Beamten eintrafen, scrollte Rana kopfschüttelnd auf dem mittlerweile freiwillig ausgehändigten Smartphone des Rothaarigen herum …

„Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll!“
„Pass zukünftig bitte besser auf und mach so etwas wie neulich in der Diskothek nie wieder …“
Undine umarmte Frida, nicht ohne ein paar Tränen zu vergießen … Ihre beiden Erpresser waren derweil angezeigt worden, ein Täter zusätzlich wegen schwerer Körperverletzung. Ranas Verhalten wiederum wurde von den seit jenem Abend untereinander völlig zerstrittenen Männern nicht zur Anzeige gebracht. Höchst wahrscheinlich wäre das Ganze wohl eh als Tatbestand der Notwehr eingestuft worden …
„Was geschieht denn jetzt eigentlich mit den Fotos?“
Meir meldete sich zu Wort.
„Die gelten als Beweismittel … Hauptsache ihre Veröffentlichung wurde verhindert …“
„Deine Idee mit dem gefakten Lösegeld war übrigens sehr riskant!“
In dem beigefarbenen DIN-A4-Umschlag befand sich an jenem Abend eine kleine Geldkassette, die beim Öffnen ohne den notwendigen Schlüssel alles im näheren Umkreis inklusive Inhalt pink eingefärbt hätte. Quasi eine zusätzliche Absicherung, falls die Erpresser nicht ehrlich gewesen wären. Allerdings enthielt das Kästchen lediglich Spielgeld …
„Egal, denn es ist ja noch mal gut gegangen … Ihr beiden seid auf jeden Fall total mutig gewesen!“
Die nicht anwesende Rana wurde mit keinem Wort erwähnt, zumal selbst Frida nach wie vor keinen blassen Schimmer hatte, warum die farbige Frau ebenfalls in der Hütte gewesen war …
Sie verabschiedeten sich zwischenzeitlich von Undine …
„Jetzt erzähl mir doch endlich einmal mehr über deine gute Bekannte …“
„Nun, vielleicht ist sie ja ein Schutzengel und war einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort …“
Es läutete …
„Komm schon rein, wir haben gerade von dir gesprochen!“
Rana hatte sich mittlerweile dazu entschieden, nicht mehr in die durch den Brand beschädigte Psychiatrie zurückzukehren, was den Verantwortlichen bereits mitgeteilt worden war. Stattdessen sollte ihre Therapie ambulant fortgesetzt werden. Die notwendigen Tabletten verschrieb jetzt die Hausärztin. Jene entwendeten Medikamente wurden derweil per anonym versendetem Päckchen an die Uniklinikum zurückgeschickt … Gemeinsam mit zwei guten Freundinnen sollte in Kürze eine WG gegründet werden. Bis dahin konnte Rana bei Meir wohnen bleiben, da ihre letzte Bleibe bereits vor längerer Zeit gekündigt worden war …
„Rana, du bist ja leider nur ganz am Ende mit dabei gewesen, aber ohne deinen Mut … Lange Rede, kurzer Sinn … Wir drei sind doch ein super Team!“
Fridas Worten konnte Meir nur zustimmen, der den beiden Frauen direkt gegenübersaß. Diese wiederum rückten gerade auf dem zum improvisierten Sofa umfunktionierten Bett immer dichter zusammen.
„Ja wirklich schade, dass der Fall gelöst ist …“
„Und wenn wir erst am Anfang stehen?“
Rana schien in Rätseln zu sprechen, weshalb der Gastgeber nachhakte.
„Wie meinst du das?“
„Was hindert uns denn eigentlich daran noch weiteren Menschen zu helfen?“
Frida wurde von dem Vorschlag regelrecht angefixt.
„Ja genau, quasi als Hobbydetektive! Dann brauchen wir also nur noch einen Namen …“
„Ich hätte da vielleicht schon eine Idee …“
Die beiden Frauen schauten gespannt zu Meir herüber.
„Wir sind alle drei gläubige Menschen und jeder von uns gehört einer der drei monotheistischen Weltreligionen an, die wiederum haben einen gemeinsamen Nenner und zwar Abraham …“
„Abe!“
Rana intervenierte, denn der entsprechende englische Kosename klang deutlich frischer.
„Abe’s Babes oder wie?!“
„Dann müssten wir aus dir aber vorher noch eine Frau machen …“
Frida konnte sich in diesem Moment ebenfalls das Lachen nicht mehr verkneifen.
„Was haltet ihr denn von Team Abe?!“
„Für eine strohblonde Christin gar kein schlechter Vorschlag …“
Das kleine von Rana auf den Weg geschickte Kissen landete sanft in Meirs Gesicht, der es dann wiederum zu Frida warf … Ausgelassene Stimmung begleitete die Geburt von „Team Abe“ …

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