Kuchengabeln – post mortem ...

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

An der Weggabelung, die uns schied,
damals, um Mitternacht, vergaßen wir zwei,
wie schön und bunt diese Welt ist.

Du sahst das vollkommene Glück darin,
andere Menschen selig zu machen -
dort, wo das größte Elend herrscht;
ich blieb traurig zurück.

Träumen allein genügt nicht,
um glücklich zu ein; aber meine
Winterseele liebt den Sommer
über alles.

Seit heute weiß ich endlich, wo die
kleinen Messerchen bleiben, die ich
ständig vermisse. - Ich hatte das
große Brotmesser in Verdacht;
es hat sie zum Fressen gern.

Jetzt bin ich sicher, dass sie sich
still und heimlich unter
Karottenschalen verkrümeln.
Deshalb werfe ich sie fast täglich
unabsichtlich in den Müll.
Das tut mir sehr leid.

Die Messer sind nicht glücklich bei mir,
die Gabeln übrigens auch nicht.
Allein die großen Löffel verehren mich:
Selten esse ich heiße Suppe.

Ich werde nicht aufhören zu schreiben,
falls du mich darum bitten solltest. -
Nachts regnet es manchmal in meine Träume:
Am nächsten Morgen ist die Wäsche gewaschen,
ganz von allein – es geschehen noch Wunder.

Wenn ich tot bin, werden dir meine Kinder
kondolieren. Sie werden nicht die Hände
aufhalten, obwohl du meine Rente erbst. -
Manchmal glaube ich, meine Kinder
sind viel zu lieb für dieses Leben;
hoffentlich sind sie auch klug genug.

Das mit der Rente will der Staat verhindern.
Man spart an allen Ecken und Enden -
wirklich tüchtig nur wird in Kriege investiert.

Du hast ein wenig nachgeholfen, was meinen
Tod betrifft - mit Arsen;
aber keine Angst, ich erzähle es nur Gott,
der absolut verschwiegen ist.
Ich habe kein Vertrauen in die Menschheit;
schlechte Erfahrungen und zugegebenermaßen
eine etwas makabre Fantasie.

Mir ist eh alles egal … ,
aber das Leben ist - schön!
Mir kann niemand mehr etwas anhaben:
Ich bin frei – nicht nur in meinen Gedanken.
Ich kenne die Menschen mittlerweile,
brauchte nicht lange zu studieren:
Die wenigsten sind klug und gut
und können sich beherrschen.

Die meisten hassen die Einsamkeit,
um sich nicht weiterentwickeln
zu müssen, denn das kostet nicht
allein Kraft, sondern auch Mut.

Eben bin ich in den guten Teller getreten,
darauf noch Karottenschalen lagen.
Ich ließ ihn leichtsinnigerweise vor
dem Mülleiner stehen, nachdem ich
das kleine Messerchen befreit hatte,
den kläglichen Rest ganzer Serien.

Der Teller blieb heil – das ist ein gutes Omen.

Wenn ich wählen dürfte, würde
ich gern als Kuchengabel wiedergeboren:
Alles Süße und Wohlschmeckende,
das ich, Wiedergängerin, mir aus purer Eitelkeit
und Liebe zur Gesundheit versage, bitte, bitte,
gütiger Gott: zu mir - post mortem.

heute, am 31.07.2017 geschrieben

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