Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 160

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nützlich sein, Kapitän, und es tut mir nicht leid, daß ich ihr begegnet bin.« – »In der Tat, sie sieht nicht übel aus,« erwiderte der Anführer und ließ Justine herantreten, »und sollte sie selbst nur den Vergnügungen unserer Truppe dienen, so wäre dies immerhin etwas.« Und Justine wurde alsbald von Männern, Frauen und Kindern jeden Alters umgeben. Bald sah sie ein, daß sie sich in ziemlich schlechter Gesellschaft befand.

»Ist es nicht indiskret, mein Herr,« fragte sie zitternd den Anführer, »wenn ich Sie bitte, mich über diese Persönlichkeiten hier aufzuklären. Ich höre Sie über mich verfügen, herrschen denn die Gesetze, die Regeln der Schicklichkeit hier nicht ebenso wie auf der Oberfläche der Erde?« – »Iß vorerst von diesem Kuchen, Herzchen,« antwortete der Anführer, »und trinke ein Glas Wein, dann wirst du erfahren, wer die Leute sind, bei denen du bist und welche Aufgabe du zu erfüllen haben wirst.« Unsere Heldin war durch diese nette Anrede ein wenig beruhigt und setzte sich mit aufmerksamer Gespanntheit hin.

»Die Leute, in deren Mitte dein Stern dich führt,« sprach der Hauptmann, nachdem er zwei Prisen Tabak genommen hatte, »sind das, was man Bettler nennt. Wir verstehen es so gut, das Mitleid der Leute zu erwecken, daß wir dadurch das ganze Jahr hindurch in Luxus und Wohlhabenheit leben können. Wenn es kein Mitleid gibt, gibt es auch keine Lüge, die man leichter im Menschen erregen kann. Einige Klagen, einige Wunden, ein abstoßendes Kleid, alles das führt die Seele dem Mitleid zu. Sieh einmal diese Verkleidungen an, diese Kräuter, die uns entstellen31, diese Kinder, deren wir uns bedienen, um Mütter zu rühren. Unser Vorgehen ist jedoch manchmal durch die Umstände verschieden bedingt; wenn wir uns als Schwächere fühlen, sind wir demütig und kriechend, sind wir die[385] Stärkeren, benehmen wir uns frech.« – »Aber Sie töten wenigstens nicht, meine Herren,« unterbrach teilnahmsvoll Justine. – »Gewiß, meine Teure,« erwiderte der Anführer, »wenn man uns Widerstand leistet, machen wir nicht viel Geschichten, häufig werden Sie auf dem Wege, auf dem sie hergekommen sind, Leute ihr Leben verlieren sehen; sollen wir Ihnen vielleicht die Möglichkeit lassen, sich zu beklagen und uns zu verderben? Trotzdem jedoch sind wir weder Diebe noch Mörder von Beruf, unser einziges Handwerk ist die Bettelei. Es ist sicher, mein teures Mädchen, daß Ihr hübsches Aussehen, meine Kameraden verleiten wird, alle ihre Begierden an Ihnen zu befriedigen. Wenn das erste Feuer erloschen ist, wollen wir Ihnen eine Stellung anweisen, sollten Sie sich geschickt benehmen, werden Sie in die erste Reihe vorrücken, gefällt Ihnen aber unser Handwerk nicht, werden wi Sie allein zu jenem Dienst verwenden.«

Die ganze Truppe klatschte dieser Rede Beifall und man befahl Fräulein Justine, sich sofort zu entkleiden, um vorerst dem Oberhaupt und dann der übrigen Truppe zur Befriedigung zu dienen. Kaum hatte die unglückliche Justine diesen Befehl aussprechen hören, als sie sich weinend vor die Füße der Sprechenden warf und sie anflehte, sie von diesen Niederträchtigkeiten zu verschonen. Allein ein kräftiges Gelächter war die einzige Antwort, die sie erhielt.

»Schamvolles Kind,« sprach der Anführer, »wie konntest du glauben, daß diejenigen, die sich damit spielen, das Mitleid anderer zu erregen, die Schwäche haben, selbst solchen Empfindungen zugänglich zu sein? Merke dir, daß unsere Herzen hart sind wie die Felsen, die uns als Dach dienen. Gehorche, Schurkin, dein Widerstand könnte mit Gefahren für dich verbunden sein.« Justine fand keine Antwort mehr und bald wurde sie in nacktem Zustand von allen Anwesenden liebkost. Plötzlich bemerkte der Sohn des Anführers das verhängnisvolle Zeichen. »Was ist dies, Jungfrau?« fragte eines der Glieder des Senats. »Da du durch dieses Mal mit uns auf der gleichen Stufe stehst, scheint es mir, als ob es nicht recht gewesen wäre, die Spröde zu spielen.«

Justine erzählte nun ihre Geschichte, aber man glaubte sie ihr ebensowenig wie bei Saint-Florent und verscherte ihr, daß ihr dies kleine Unglück im Ansehen in der Truppe nicht schaden werde. »Mein Kind,« sprach der Anführer und entblößte eine seiner Schulter, auf der ein ähnliches Zeichen sichtbar wurde, »du siehst, wir ähneln uns und ich will noch bemerken, daß derartige Zeichen in unserem Stand Auszeichnungen sind. Wir haben noch dreißig hier, die ebenso bevorzugt wurden. Vorwärts, folge uns, schöner Engel,« fuhr das[386] Oberhaupt fort und zog Justine in eine abgesonderte Höhle. »Ich und diese Greise hier, wir wollen das Terrain sondieren.«

Die Sechzigjährigen, an der Zahl sechs, führten Justine in einen Raum, in dem ewige Lampen brannten, und dessen Boden mit weichen Matratzen belegt war. Es war das Boudoir dieser Herren. »Justine,« sprach einer der Greise, »geben Sie sich vorerst unserem Anführer hin, wir wollen dann der Reihe nach ihn ablösen.«

Gaspard ergriff Justine, allein er war zusehr abgenützt, um sich an ihr befriedigen zu können und er entlud ihr zwischen die Brüste.

Raymond, der folgte, hatte in der großen Welt gelebt, es war ein alter Pariser Ladendieb. Er leckte den Samen seines Mitbruders auf, ließ sich von Justine den Hintern lecken und entlud schließlich in ihren Mund.

Gareau war Priester gewesen und hatte sich die jesuitischen Neigungen bewahrt. So fickte er also Justine im Hintern und schrie wie ein Teufel, als er fertig wurde.

Ribert. verlangte, daß Justine ihn kitzle, während er sie ohrfeigen wollte.

Vernol war ebenso bösartig wie sein Kamerad, nur hatte er die Leidenschaft, an den Ohren zu reißen.

Mangin leckte den Hintern, indem er onanierte. Als er aber Gareau nachahmen wollte, verlor er unter Wehklagen seine Kräfte.

»Vorwärts, Kinder,« sprach das Oberhaupt, als er mit seinen Adjutanten zurückkehrte, »sie taugt etwas, aber laßt ein wenig Ordnung walten, jeder möge der Reihe nach antreten.«

Da acht bis zehn Männer anwesend waren, die sich nur an Knaben ergötzten, und fünf oder sechs Frauen, die nur Sappho huldigten, hatte unsere Heldin mit ungefähr dreißig Personen beiderlei Geschlechts zu tun. Obwohl ziemliche Ordnung herrschte, hatte die Unglückliche doch ungemein viel zu erdulden, jedoch Justine blieb immer gefällig, immer Sklavin, immer unglücklich und gab sich zu allem her, obwohl ihr Herz dagegen stimmte. Nach genossenem Vergnügen führte man sie zu einem Waschbecken, wo sie sich reinigte. Dann setzte man sich zu Tisch und die Konversation bewegte sich über die eben genossenen Freuden. Man

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
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