Fludurisa - Page 8

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von Lara Preis

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gibt es noch mehr Geheimnisse?“
Mühsam richtete sich Chnum wieder vom Boden auf.
„Künstliche Intelligenz … Was glaubst du, wem du im Kirchkeller und auf der Insel begegnet bist.“
Langsam fügten sich die einzelnen Puzzleteile zusammen.
„Ihr habt mich in eine Geisterstadt gelockt, von dort aus dann vor Ishanis Haus abgelegt, sie wiederum hierher gebeamt und zugesehen, wie ich zur Insel im See gelangte …“
Chnum schaute ihm tief in die Augen.
„Die Frau auf dem Bett war übrigens eine Projektion … Wir wollten die Bindung zwischen dir und Ishani beschleunigen und dich dazu bringen sie zu suchen …“
„Welche Frau auf dem Bett?“
Ishani verstand nicht recht, worüber sich die beiden Männer unterhielten. Derweil setzte Chnum seine Ausführungen fort.
„Die Künstliche Intelligenz wird euch zur Seite stehen. Es sind tausende menschenähnliche Maschinen, die weder essen noch trinken, geschweige denn Sauerstoff atmen müssen. Ihre Energieproduktion läuft autark und sie sind langlebig wie Atome …“
„Du willst also locker ein Drittel der Weltbevölkerung ausrotten und den Rest dank deiner Maschinen gefügig machen! Bei uns gibt es für solche kranken Visionen entsprechende Anstalten ...“
Ishani pflichtete ihm kopfnickend bei.
„Ist es nicht völlig absurd? Eine unbekannte Macht hat damals zwölf Menschen aus dem Alten Ägypten hier angesiedelt, um eine neue bessere Welt zu schaffen und nach ziemlich genau 3350 Erdjahren soll sich das Ganze dann von einem Tag auf den anderen in Nichts auflösen … Mein Plan hingegen wird deutlich nachhaltiger sein …“
„Bessere Welt durch vollständige Überwachung und mal eben alle Fludurisianer draufgehen lassen, unter dem Motto: Wenn ich selbst schon nicht überleben werde, dann dürfen das die anderen auch nicht … Du pfeifst jetzt sofort dieses Raumschiff zurück und bringst uns wieder nach Hause, wir stehen nämlich dummerweise für deinen perfiden Plan nicht zur Verfügung!!!“
Ishani schaute derweil wie hypnotisiert zur Decke. Oberflächlich betrachtet befanden sich dort scheinbar chaotisch angeordnete Farbfelder. Ließ man jedoch das Ganze länger auf sich wirken, vereinten sich diese Felder zu einem Bild: Die Sonnenscheibe, darauf das gekrönte Porträt eines Menschen.
„War das hier eigentlich auch deine Idee!“
Chnum verstand nicht so recht was sie meinte. Erst nach mehreren Versuchen konnte er es sehen und erkannte die heimlich dort oben platzierte Botschaft. Den Kontrast zum üppigen materiellen Reichtum am Boden des Raumes bildete eine philosophische Selbstoffenbarung an der Decke. Auch Lesharo sah jetzt das Bild.
„Deine Vorfahren haben sich anscheinend irgendwann nicht mehr mit einem Gott zufrieden gegeben, den sie nicht greifen, geschweige denn begreifen konnten und aus der gut gemeinten Gleichheit aller Bewohner auf Fludurisa erwuchs wie zuvor auf der Erde das Bedürfnis nach einem sichtbaren Herrscher. So weit, so gut, nur dieser Herrscher hat sich offensichtlich irgendwann selbst zum Gott erhoben oder aber ist von seinem Volk entsprechend in diese Position gedrängt worden.“
Ishani war von Lesharos Kombinationsgabe beeindruck.
„Die anonyme Sonnenscheibe bekam somit ein personifiziertes Antlitz … Nicht die Macht hat damals euch verlassen, sondern ihr habt euch von der Macht abgewendet. Also ist diese Macht folgerichtig keine autoritär herrschende Kraft. Vielmehr sollten sich wohl alle Fludurisianer spirituell mit ihr verbinden.“
Jetzt platzte Chnum der Kragen. Nervös ging er vor ihnen hin und her, die rechte Hand dabei zur Faust geballt.
„Ihr habt doch keine Ahnung! Jeder Mensch verkörpert immer beides, Gutes und Böses. Dank wachsenden Fortschritts wurde hier die menschliche Rasse veredelt. Wir brauchen keinen Gott mehr, aber ohne Führung funktioniert das Ganze auch nicht. Was ihr Totalüberwachung nennt, dient dem Schutz meiner Untertanen. Es gibt auf Fludurisa keine Kriege und auch manche anderen irdischen Probleme werdet ihr hier vergeblich suchen. Wenn dieser zynische Untergang nicht vor der Tür stünde, dann wären wir irgendwann einmal im wahrsten Sinne des Wortes unsterblich geworden und hätten unseren Planeten in Perfektion vollendet …“
Ein kleiner Schwächeanfall unterbrach seinen Monolog, was Lesharo jedoch demonstrativ ignorierte. Stattdessen ergriff er das Wort.
„Freiheit ist das höchste Gut. Nur wer innerlich wirklich frei ist, ist auch fähig bedingungslos zu lieben und wer derart liebt, lebt wiederum in Freiheit und kann als Individuum nicht beliebig durch andere ersetzt werden, so wie beispielsweise deine Marionetten hier.“
Jetzt mischte sich Ishani ein und kümmerte sich um Chnum, der mittlerweile auf dem Boden saß.
„Hör auf! Wir müssen ihm helfen!“
„Dann lass ich halt euren Planeten vollständig zerstören und das war es dann mit der gesamten Menschheit für immer und ewig ...“
Erneut schien etwas in direkter Nähe detoniert zu sein. Fragend schauten sich die beiden Erdbewohner an, nahmen dann kurz entschlossen den Mann in ihre Mitte und begannen einen Fluchtweg zu suchen, denn der Geheimgang zurück zum Tempel war keine sinnvolle Alternative mehr.
„Wir müssen hinauf zur Spitze … Ich werde euch führen …“
Chnum sprach jetzt deutlich leiser und verlagerte das Körpergewicht immer mehr auf die Schultern seiner Begleiter. Vor einer Wand machten sie halt und er bat Ishani einen Gegenstand aus seiner zweiten Haut herauszuholen.
„Ihr habt es hier ja wirklich mit diesen geheimnisvollen Metallstiften.“
„Nimm das linke …“
Majestätisch funkelten die Augen des Greifvogels, den man einst in Originalgröße direkt vor ihnen auf die Wand gemalt hatte. Vorsichtig berührte Ishani mit der Spitze des Stiftes das linke Auge und drückte diesen dann vollständig dort hinein. Ein ausreichend großer Teil der Wand schob sich jetzt knarrend zur Seite, den Blick auf die dahinterliegende Treppe freigebend.
Der Aufstieg war recht mühsam, doch es lohnte sich, denn am Ende betraten sie einen Raum mit vier Wänden aus Dreiecken, deren Spitzen sich im weiteren Verlauf nach oben hin vereinten. Exakt in der Mitte des Bodens ruhte ein rundes Podest, auf dem einzelne Personen bequem stehen konnten. Aus jeder Himmelsrichtung waren fingerdicke Rohrenden auf diese Erhöhung gerichtet. Chnum konnte mittlerweile wieder eigenständig gehen, bewegte sich gezielt auf eine Stelle an der Wand zu und legte die rechte Hand inmitten eines dort eingravierten Pyramidensymbols. Das Dach über ihnen öffnete sich daraufhin, bis alle Dreiecke aufrecht standen und deren Spitzen schließlich senkrecht in den Himmel ragten. Von den Rohrenden ausgehend, fielen jetzt zeitgleich gebündelte Lichtstrahlen auf das Podest am Boden und ließen dort einen durchsichtigen Schlauch entstehen, in dem problemlos ein Mensch Platz finden konnte und der jetzt stetig in Richtung Weltall wuchs.
„Seid froh, dass diese Energie noch verfügbar ist, aber wir haben trotzdem nicht ewig Zeit.“
Lesharo wusste sofort, worauf er hinauswollte, während Ishani ehrfürchtig vor dem Podest verharrte.
„Du gehst als Erste.“
Leicht benommen fiel sie in seine Arme und in diesem Moment berührten sich ihre Lippen zum ersten Mal.
„Hab Vertrauen.“
Mit Tränen der Freude und des Abschieds wurde die Mitte des durchsichtigen Schlauchs betreten. Ishanis Körper war bereits nach wenigen Augenblicken immer lichtdurchlässiger und löste sich schließlich vollständig in Luft auf. Derweil tippte Chnum unkoordiniert auf der Wand herum. Unglaublich, dort wo Lesharo lediglich das Pyramidensymbol wahrnahm, musste für den Fludurisianer ein umfangreiches Steuermodul existieren.
„Verdammt!!!“
Langsam näherte er sich seinem Gegenüber.
„Was ist los?! Ist irgendetwas mit Ishani geschehen?!“
„Ganz ruhig, sie dürfte bereits wieder zuhause sein … Also gut, ich habe leider eine schlechte Nachricht für dich …“
Heftiges Zittern nahm Besitz von seinem Körper.
„Entweder ich befördere dich ebenfalls auf die Erde oder ich komme deinem Wunsch nach und zerstöre das Raumschiff … Die Energie reicht leider nur noch für eine dieser beiden Aktionen …“
Der Schwächeanfall musste etwas in ihm ausgelöst haben, denn offensichtlich schien sich Chnum von seinem perfiden Plan verabschieden zu wollen. Oder schmiedete er etwa gerade ein neues teuflisches Vorhaben? Lesharo schaute dem Mann lange in die Augen. Parallel dazu lief vor ihm wieder sein eigenes Leben im Zeitraffer ab.
„Ich bleibe hier!“

An diesem Ort herrschte nahezu völlige Dunkelheit und es roch zudem äußerst unangenehm. Angelockt von schwachem Licht aus der Nähe, richtete sie sich auf, um besser die entsprechende Quelle ansteuern zu können. Lästiger Staub in ihrer Nase löste wiederholt Niesen aus. Langsam wurden Konturen sichtbar, dann Grautöne und am Ende erste Farben. Ishani befand sich offensichtlich in einem Keller, den sie jetzt vorsichtig über Treppenstufen nach oben hin verlassen konnte.
Ausreichend Tageslicht fiel über die großen bunten Fenster ein und erhellte den völlig leer geräumten Saal, wo vor langer Zeit offensichtlich Gottesdienste stattfanden. Von dort, wo damals ein Altar gestanden haben musste, ging in diesem Moment eine wohltuende energetische Anziehungskraft aus. Ishani kam näher und verharrte schließlich im gebührenden Abstand. Wie durch immer mehr Nadelstiche verursacht, spürte sie plötzlich in ihrem Herzen einen tiefen Schmerz, der, je intensiver er wurde, ebenso starke Linderung erfuhr. In diesem Moment fühlte sich Ishani als winziger Teil eines großen Ganzen, verbunden mit der Urkraft des Universums, die sich vervielfacht, wenn man sie mit anderen Menschen teilt.

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