Mein grosser gelber Regenschirm - Page 2

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so schlau. Ich stelle den Regenschirm in den Ständer zu den anderen Schirmen. Er ist der Schönste!

Der zweite Schirm

Papa? Paappaa? Ich gehe in die Küche. Dort ist er nicht. Ich suche ihn vergeblich im Wohnzimmer, dann im Elternschlafzimmer. Papa? Papa! Ich werde nervös. Ich finde ihn auch nicht im Keller und nicht in der Garage. Heute muss doch Papa auf mich aufpassen! Mama ist zur Arbeit gegangen. Aber Papa ist weg. Das macht mir Angst! Ich bin ganz alleine. Ich bin noch nie alleine zu Hause gewesen. Ich fange an zu weinen. Es geht mir nicht gut. Ich gehe in mein Zimmer zu Dolly und Kauz. Wir holen meinen grossen gelben Schirm aus dem Ständer. Wir legen uns dann alle darunter. So fühle ich mich ein bisschen besser. Der Regenschirm ist eine Höhle, die niemand finden kann. Kein Einbrecher auf der ganzen Welt! Trotzdem muss ich immer noch ein bisschen weinen. Dolly tröstet mich zum Glück. Das kann sie gut. Sie weint nämlich selber oft. Kauz schläft hingegen und schnarcht dabei laut. Das beruhigt mich. So höre ich die komischen Geräusche aus dem Dachgeschoss nicht mehr. Plötzlich kommt es mir in den Sinn. Papa hat doch gesagt, dass er dort oben aufräumen will. Und ich habe es vergessen! Schnell renne ich hinauf und umarme meinen Papa. ,,Oje! Du hast mich gesucht?’’ fragt er. Ich glaube, ich muss nicht antworten.
Ich helfe Papa beim Aufräumen. Im Gerümpel finde ich einen Regenschirm. Er sieht aus wie der Regenbogen. Das gefällt mir und es ist einer für Kinder. Ich nehme ihn mit nach unten, als wir fertig sind. Zunächst freut es mich zwei Regenschirme zu haben, aber dann bringt es mich ganz durcheinander. Welchen nehme ich jetzt, wenn es regnen wird?
Als Mama von der Arbeit nach Hause kommt, merkt sie zum Glück, dass bei mir etwas nicht stimmt. Ich rede noch weniger als sonst. Aber in meinem Kopf ist es wie ein Sturm. Ich weiss nicht mehr, was ich machen soll, wenn es regnen wird. Gleichzeitig kann ich nicht beide brauchen. Es ist als müsste ich mich zwischen Kauz und Dolly entscheiden. Beide habe ich doch ganz fest lieb. Mama fragt, was los sei. Ich hole beide Regenschirme und zeige sie Mama. Sie versteht sofort. Sie weiss, dass Auswählen für mich manchmal schwierig ist. Ausser beim Kauf des gelben Schirms. Da war es ganz leicht! Mama hilft mir nun, wie fast immer. Sie erklärt und zeigt mir, dass der bunte Regenschirm kaputt ist. Irgendwie ist er auf dem Dachboden gelandet anstatt in den Mülleimer. Schade, um den schönen Regenbogenschirm! Mein Kopf ist jetzt aber wieder ruhig. Mama und ich bringen den kleinen Schirm in die Garage zum grossen Abfalleimer. Nachher nehme ich den gelben Schirm und spaziere damit wieder fröhlich in der Wohnung umher. ,,Es ist bald Zeit, dass es regnet’’, sagt Mama. Finde ich auch!

Regen

Am nächsten Morgen wache ich früh auf und höre ich wie Regentropfen an die Scheiben klatschen. ,,Es regnet! Es regnet!’’ rufe ich und springe aus dem Bett. Ich muss mir das anschauen. Es ist ein richtig starker Regen! Ich freue mich. Schnell wie der Blitz ziehe ich mich an und renne die Treppe hinunter. Bevor ich nach draussen gehe, muss ich frühstücken. Das will Mama. Aber heute geht das ganz schnell. Dann ziehe ich die Stiefel an und gehe in den Garten. Im Regen bleibe ich stehen und schaue in den Himmel. Es ist wunderschön zu sehen, wie die Regentropfen vom Himmel fallen. Ich spüre, wie sie auf meinem Gesicht landen. Das mag ich! Sie laufen dann weiter den Hals hinunterlaufen und kitzeln mich im Nacken. Ich schaue auch auf meine Hände. Sie glänzen vom Regen. Ich bin glücklich!
Plötzlich merke ich, dass ich den Regenschirm nicht dabeihabe und ihn drinnen vergessen habe. Den will ich ja testen! Ich hole ihn und mache ihn auf. Er ist riesig! Ich spiele damit ein selbst erfundenes Spiel. Ich stelle mir vor, die Tropfen seien giftig und sie dürfen mich nicht berühren. Zum Schutz habe ich nur meinen Schirm. Wenn ich stillstehe, geht das recht gut. Wenn ich gehe, wird es schwieriger, darum mache ich nur kleine Schritte. Und wenn eine Windböe kommt, dann bin ich verloren!
Später ruft Mama mich hinein. Wir wollen noch zu Kims Geburtstagsfest. Dafür brauche ich trockene Kleider. Ich bin nämlich ganz nass, weil ich zuerst ohne Schirm im Regen gewesen bin. Die Kleider kleben an meinem Körper. Mama hilft mir. Sie braucht drei Versuche bis meine Hose weg ist. Wir müssen deshalb lachen. Mama holt frische Kleider aus meinem Zimmer. Ich stehe während dieser Zeit ganz nackt im Bad. Schaue mich im Spiegel an, schaue auf mich hinunter. Mein Schnäbi ist von der Kälte ganz klein geworden.
Kim wohnt ein paar Strassen weiter. Wir gehen beide mit einem Regenschirm zu Fuss dorthin. Wir klingeln. Kim macht die Türe auf. Ich zeige ihm voll Stolz meinen neuen Schirm. Doch er schaut ihn nicht an. An seinem Geburtstag gibt es für ihn Wichtigeres, zum Beispiel sein neues, cooles Feuerwehrauto. Es hat sogar eine Leiter, die man richtig ausziehen kann, und dann super lang ist! Wir spielen also Feuerwehrmänner. Ich verwandle meinen Regenschirm in einen Feuerwehrschlauch. Es kommt ganz viel Wasser raus. Das spritze ich auf die brennenden Häuser. Es macht Spass! Kim hat nicht einen so grossen Feuerwehrschlauch. Plötzlich findet er meinen Regenschirm cool. Er fragt mich, ob ich ihn ihm ausleihe. Mache ich gerne. Dafür darf ich seine Leiter nehmen. Kim und ich sind ein gutes Team. Wir retten alle Menschen aus dem brennenden Haus. Wir hätten aber fast die Katze vergessen. Darum laufe ich nochmal rein und hole sie raus.
Kim erzählt mir, dass am Nachmittag Kinder aus seinem Kindergarten zu Besuch kommen werden und es einen grossen Schokoladenkuchen geben wird. Ich weiss das aber schon. Darum sind Mama und ich extra am Morgen hergekommen. Süsses und viele Kinder, die ich nicht kenne, machen mich ganz nervös. Dafür bekomme ich jetzt salzige Goldfischli zu essen. Da sonst niemand zu Besuch ist, sind

In der Schweiz gibt es das ß nicht, nur ss oder s.

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