Fenitschka - Page 15

Bild von Lou Andreas-Salomé
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schaust du mich so an?«fragte Fenia.

»Ich vergleiche dich im stillen mit der andern Braut hier im Saal; — an der armen Nadeschda ist heute alles erzwungene Höflichkeit und verhaltene Sehnsucht; sie hat rote heiße Flecken auf den Wangen, und ihre Augen glänzen zu sehr.«

Fenia lachte. »Hoffentlich bemerkt der Onkel das nicht!« sagte sie.

»Und über dir, wie du da sitzest, ist eine solche selige Ruhe ausgegossen.«

»Ich habe eigentlich gar keinen Grund, so selig zu ruhen,« entgegnete Fenia, aber ihre vollen warmen Lippen lächelten immer noch, — »denn heute haben ›wir‹ uns zum erstenmal — gezankt.«

»O das ist mir höchst interessant,« bemerkte er ziemlich eifrig und zog einen Stuhl heran — »darf ich wissen, was der Anlaß war?«

Jetzt sah sie ernster aus, eine kleine Falte schob sich sogar zwischen ihre Augenbrauen, die über der Stumpfnase ganz nah zusammenkamen.

»Der Anlaß ist ganz gleichgültig. Der Grund ist einfach: er ist gequält und gereizt,« sagte sie.

»Mein Gott! er, der es so gut hat?«

»Er leugnet eben, daß er es gut hat,« fiel sie ein, »aber die Wahrheit ist: er ist viel anspruchsvoller geworden. Wir haben uns immer nur stundenweise gesehen — von allem Anfang an, — und nicht einmal täglich. — — Sich zu allen möglichen Tagesstunden, im Hellen, — — zu allen möglichen Beschäftigungen und Ausgängen zu treffen, ist doch nun einmal einfach unmöglich.«

»Und das ist es also, was er will?«

»Ja. Er sagt, das sei das einzig Natürliche. Alles andre sei Qual. Nach seiner Auffassung sollte man sich überhaupt so gut wie gar nicht trennen. — — Dabei sieht er ein, daß wir uns des entstandenen Klatsches wegen eher seltener sehen sollten.«

»Sage mir nur, Fenitschka, warum machst du es dir nicht leichter, — warum führst du ihn zum Beispiel nicht hier bei deinem Onkel ein, — wär er nur anerkanntermaßen dein Freund, wie ich, — so — so —«

Sie sah ihm grade in die Augen.

»So könnte er insgeheim viel bequemer mein Geliebter sein, nicht wahr?« vollendete sie.

»Mach doch nicht gleich solche Augen! was steht dem eigentlich entgegen?« warf er ein.

Sie sagte nur leise, ohne ihren Blick von dem seinen zu lassen:

»Es würde häßlich werden! Und ich will, daß es schön ist.«

»Nun, streiten läßt sich über dergleichen ja nicht. Aber dir selbst fällt es doch wohl ebenso schwer, wie ihm, euren Verkehr nicht nach Belieben ausdehnen zu können, — daher schlug ich es nur vor.«

Sie senkte die Augen und schien nachzudenken, wie sie es so oft mitten im Gespräch that. Eine leichte Röte stieg dabei in ihre Wangen. »Ja, weißt du, für mich ist es ja eigentlich wieder anders als für ihn,« erwiderte sie darauf zögernd, »— ich kann nicht recht sagen, woran das liegen mag. Aber jedenfalls wär es ja für mich nichts so Seltenes und Neues, mit einem Manne alle möglichen Interessen und Beschäftigungen zu teilen, — alle Stunden des Tages in anregender und geistig fördernder Weise zu verbringen.

Ihm ist das neu. — — Ich — ja, ich sehne mich lange nicht so stark danach. — — Würdest du es thun?

»Ich?!« fragte er etwas unsicher und dachte an Irmgard, »— ich glaube, das würde außerordentlich nach meinen Stimmungen wechseln. — — Aber vergleiche mich doch nicht mit deinem — — deinem — —.

Er ist vielleicht fürchterlich konsequent und ernsthaft?« Sie lachte leise auf, voll Schalkhaftigkeit.

»Nein, das ist er nun doch nicht. Jung und Iieb ist er, — von allen meinen Bekannten und Freunden der am wenigsten ernste. — Wir fingen nicht grade mit der Philosophie an, — er hatte keine Ahnung, daß ich mit der was zu thun gehabt hatte. Im Gegenteil, er hielt mich ursprünglich für recht leichtlebig, — weil ich so frei zu leben schien. — — Ihr seid eben rechte Menschenkenner!« fügte sie mit einer kleinen verächtlichen Grimasse hinzu.

»Was sagte er denn, als es ihm allmählich aufging, daß er einen promovierten Doktor vor sich hatte?«

»Ach, das ist ihm ja niemals aufgegangen. Davon hat er nicht viel zu sehen bekommen. — — Aber doch sagt er jetzt, er habe früher nicht gewußt, daß, man mit einer Frau geistig so stark verschmelzen könne, — und hätte er es nur geahnt, so würde er mich von allem Anfang an so anspruchsvoll geliebt haben, wie jetzt, — mit solchen Ansprüchen an alle meine Zeit und jeden meiner Gedanken.«

Max Werner schwieg dazu und dachte sich im stillen mancherlei. Ein paar Minuten ließen sie, ohne zu reden, das Stimmengewirr der Menschen um sich herumsummen; einer der Diener in Matrosenlivree kam zu ihnen mit seinem silbernen Tablett voll Obst und Süßigkeiten, ein paar der Gäste fingen an, sie in ihrem Versteck zu bemerken. Fenia schaute mit blinzelnden Augen in den Kerzenglanz, sie beobachtete nicht mehr, sie träumte. Aber immer noch lag die selige Ruhe über ihren Zügen ausgebreitet.

»Weißt du noch, wie du mir mal auf dem Rewskij, vor Pasettis Kunstverlag, sagtest: das Kostbarste, was Liebe giebt, das ist Frieden?« fragte Max unwillkürlich. Sie nickte und atmete tief auf.

»Ja! Vom ersten Augenblick an war es so. Dank ihm, daß ich Frieden kenne! Ein so tiefes Ausruhen und Genügen. Nicht einmal Sehnsucht, — nicht Qual nach mehr, — nicht alle diese innern Kämpfe, — wie er sie jetzt durchmacht. Ich verstehe das einfach nicht. — —

Ich ruhe wie in einer Wiege, weißt du, — die leise geschaukelt wird, — darüber blauer Sommerhimmel, und ringsherum blühende Wiese, — hochstehende, üppige Wiese voll Klee und langen Halmen, so wie sie kurz vor dem Mähen ist, — — hier in Rußland haben wir so wundervolle solche Wiesen. — — Oder vielleicht lieg ich auch nur wie eine Kuh im frischen Wiesengras mitten unter den gelben Butterblumen, — so friedlich prosaisch. Nein, ich kann nicht nachdenken. Ich bin so glückselig verdummt. — Es langt grade noch, um drüben die blöde Unterhaltung mitzumachen,« fügte sie hinzu und erhob sich aus ihrer lässigen Haltung, weil einige der Gäste auf sie zukamen. —

Als Max Werner diesen Abend heimging, mußte er viel an Fenia denken, und in der Nacht schlief er unruhig und träumte von ihr. Sie trug einen Kranz von gelben Ranunkeln im Haar und saß im

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