Fenitschka - Page 14

Bild von Lou Andreas-Salomé
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sobald er ihnen ihr Interessantes entnommen hat. Das hab ich oft gethan, — pfui! — — Aber auch die sogenannten seelischen Freundschaften! Etwas wählerischer sind sie, aber auch sie kann man zu mehreren Menschen haben, mehrere können sich folgen, denn man bekommt ja auch in ihnen nur ein Teilchen des ganzen Menschen, und giebt nur ein Teilchen. — — Man bleibt bewußt, — geizig, — genügsam.«

Was sie da sagte, kam ihr aus dem tiefsten überzeugten Herzen. Sie verkündete es wie eine jauchzend errungene Lebenserkenntnis, — sie war stolz darauf.

»Sie sind ein rätselhaftes Mädchen, Fenia!« sagte Max Werner. »Und ich — ich habe Sie für kühl gehalten — —. Oder doch wenigstens nicht recht zugänglich für den wirklichen Rausch. Wer so jahraus, jahrein mit Männern umgehn und studieren kann, ohne jemals in das überzuschlagen, was — nun, was in solchen Fällen doch wohl das Gewöhnlichste ist —«

»Das Gewöhnlichste?! Nein, das glaub ich schon nicht. — Es ist ja das Seltenste und Vornehmste, was es im Leben geben kann. So sehr, daß alles andre daneben nur noch schäbig und gemein aussieht —«

»Sie meinen das wirklich — — —?«

»Ja, sicherlich, mein Gott! Wie kann man daran zweifeln! Wie können Sie es, der selber geliebt wird!« rief sie, rot überflammt von Erregung, und sprang auf, — »da kommt nun etwas und nimmt einen hin, und man giebt sich hin, — und man rechnet nicht mehr, und hält nichts mehr zurück, und begnügt sich nicht mehr mit Halbem, — man giebt und nimmt, ohne Ueberlegung, ohne Bedenken, fast ohne Bewußtsein, — der Gefahr lachend, sich selbst vergessend, — mit weiter — weiter Seele und ohnmachtumfangenem Verstande, — — und das, das sollte nicht das Höhere sein? Darin sollten wir nicht unsre Vornehmheit, unsern Adel haben? — —«

Sie stand da, von ihren eignen Worten berauscht, und sah so schön aus —.

Er hütete sich wohl, die Einwände laut werden zu lassen, die ihm auf der Zunge saßen.

Fenia erwartete auch keine Antwort. Sie verstummte, besann sich einen Augenblick auf die Wirklichkeit und sagte dann mit ihrer gewöhnlichen Stimme:

»Helfen Sie mir in den Pelz. Ich will jetzt endlich nach Hause fahren.«

Er hielt ihr den Pelzmantel hin und bemerkte bittend: »Aber doch nicht allein? Soll ich Sie nicht nach Hause begleiten? Sie sind jetzt doch in ganz beruhigter und fröhlicher Stimmung, nicht wahr, Fenia, — ich kann mich darauf verlassen?«

Sie nickte.

»Ja. Mag’s nun kommen, wie es Lust hat. Ich kann nicht lange so gequält leben. Ich muß sorglos leben, oder gar nicht. Darum sind Heimlichkeiten mir

so unsäglich wider die Natur. — — Froh bin ich, daß ich jetzt wenigstens zu Ihnen offen sprechen kann. — —

Aber bitte, begleiten Sie mich nicht. Der Portier unten wird mich in den Schlitten setzen. Ich möchte lieber allein sein.«

»Wie Sie wünschen. Aber zum mindesten gehen Sie nicht so fort, Fenia, — möchten Sie sich nicht erinnern — nach allem, was wir nun gemeinsam haben, — daß wir schon einmal Brüderschaft getrunken haben? Möchtest du nicht, wenn du nun zu mir sprichst, mich ein bißchen weniger steif anreden?«

»Ja gewiß. Du — und Bruder — von heute an!« entgegnete sie herzlich und ernst. »Ich werd es nicht vergessen. Ich nehm es als einen festen Bund.«

»Danke, — und die Bundesbesiegelung?« fragte er und hielt ihre Hand noch fest, als sie auf die Thür zuging. Da hob sie den Kopf und gab ihm einen Kuß auf den Mund, — einen herzlichen, unbefangenen Kuß.

Aber ihre Lippen brannten noch von den leidenschaftlichen Worten, die sie vorher gesprochen.

Max Werner blieb keine zwei Wochen mehr in Petersburg, aber in der Rückerinnerung kam es ihm immer wie eine weit längere Zeitstrecke vor, so reichen Inhalt empfingen diese Wochen durch seine neue Beziehung zu Fenia.

Selten ein Tag, wo er sie nicht sah, selten einer, wo er nicht den ungewohnten Reiz einer so zutraulichen weiblichen Nähe ohne alle erotischen Nebengedanken durchkostete. Es schien ihm ein gradezu idealer Fall, geschaffen dank ihrer beiderseitigen Benommenheit von einer andern Liebe, und ganz besonders begünstigt durch Fenias Gewohnheit, sich Männern gegenüber zwanglos gehn zu lassen.

»Ein Mädchen wie Irmgard erschließt sich nur, wo es liebt, und hält sich sonst stets in der etwas kalten Strenge ihrer Mädchenhoheit zurück, — verschlossen und herb. Aber schließt sich denn ein Weib wirklich auf, wo es liebt? Täuscht es sich nicht unwissentlich darüber?« fragte er sich oft.

So zum Beispiel sprach Fenia sicher zu dem Manne ihrer Liebe mit viel rückhaltloserer Intimität als zu ihm, — aber that sie es nicht auch weniger einfach und sachlich, — unbewußt bemüht, alles Verwandte in ihm und ihr hervorzukehren und einander zu vermählen, alles Störende zu beseitigen?

Ihm gegenüber fiel das fort, und er sah sie manchmal vor sich gleich einem Modell, dessen Seelenformen er nur abzubilden brauchte, — nicht so, wie eine Geliebte vor ihm stehn würde, deren seelische Reize so individuell wirken, daß sie das klare Urteil bestechen und verwirren, — sondern wie ein Stück weiblichen Geschlechtes in der bestimmten Verkörperung, die sich Fenia nannte. Zum erstenmal glaubte er, dem Weibe als solchem nah zu kommen, indem er Fenia immer näher kam.

Persönliches aus ihrem Liebesleben erzählte sie ihm nie. Sein Wissen um dieses Ereignis wirkte nur wärmend und belebend auf allen, was sie sonst miteinander teilten. Seine Gedanken indessen kreisten mehr als einmal um den ihm fremden Menschen herum, dem dies liebe Geschöpf zugehörte, und je nach Laune und Stimmung machte er sich von ihm die allerverschiedenartigsten Vorstellungen.

Während einer Abendgesellschaft beim alten Baron, wohin er Fenia begleitet hatte, erwähnte sie gegen ihn zum erstenmal wieder der heimlichen Angelegenheit, wodurch sie Freunde geworden waren.

Das Souper war eben beendet, und man stand oder saß zwanglos in kleinern Gruppen zusammen, wie der Zufall es grade gab. Er hatte sich lange mit Radeschda und ihrem Verlobten unterhalten, — dem Typus eines Brautpaars, das sich gern isolieren möchte, und statt dessen seine Blicke und Worte an alle verteilen muß. Jetzt näherte er sich Fenia, die im Augenblick allein, — und wie immer in lächelnder Beobachtung des bunten Menschenbildes, — hinter einer Palmengruppe am Fenster saß, und blieb vor ihr stehn.

»Weshalb

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