Gottesstaat

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von Alf Glocker

1. Was ist eigentlich ein Gottesstaat?

Logisch betrachtet muss das etwas Paradiesisches sein! Das ist doch ganz klar! In einem Gottesstaat kann man, als ehrlicher Mensch, sicher nicht viel falsch machen … Jeder wird geliebt, jeder hat was er braucht, keiner muss, darf aber arbeiten, und niemand muss vor irgendwem oder vor irgendwas Angst haben. Genau genommen braucht man in einem solchen Gottesstaat nicht einmal etwas anziehen. Alle sind im Sommer nackt, weil keiner über den anderen lacht, keiner eine(n) andere(n) vergewaltigen will und niemand jemanden schlagen, oder gar foltern möchte …

Ein Gottesstaat ist das Schönste, was man sich überhaupt vorstellen kann! Jeder Mensch hat, in einem Gottesstaat, sein eigenes Haus und natürlich auch einen wunderbar blühenden Garten, den keiner jemals zerstören darf. Alle Bäume sind heilig, alle Frauen verehrungswürdig und alle Kinder – deren Zahl sich, ganz von selbst in vernünftigen Grenzen hält – sind unantastbar! In einem Gottesstaat nimmt sich jeder, was er braucht, nicht mehr, und er/sie gibt, was er/sie kann – so viel er/sie will, denn alle wollen geben, was sie können!

Die Menschen achten und respektieren sich und sie benötigen keine spezielle Religion, da sie ja bereits in einem Gottesstaat leben, wo bereits alles von selber heilig ist. Und sie sind bescheiden, zurückhaltend, fürsorglich, sensibel, kreativ! Denn so erfreut man sich am meisten, am Leben zu sein. Sollte Gott das sehen, wird er sich freuen!

In einem Gottesstaat erübrigen sich Verkehrsregeln – jeder fährt sowieso rücksichtsvoll. Niemand drängelt, keiner überholt riskant, Vögel werden weder gezeigt noch gedanklich angedeutet – und jedem wird, seinem geistigen Vermögen entsprechend, Rechnung getragen. Allerdings haben auch alle von Geburt an einen erträglichen IQ. Anders ist ein Gottesstaat ja auch nicht zu machen.

Sollte ein Individuum im Gottesstaat bei sich eigenartige, zerstörerische Veranlagungen feststellen, dann verlässt er ihn sofort freiwillig! Kriminelle Handlungen aller Art sollten sie auch im entferntesten Winkel der Erde gang und gäbe sein, genießen in einem echten Gottesstaat überhaupt kein Ansehen! Einer, der Kinder missbrauchen möchte, Frauen vergewaltigen, Männer ermorden, der dumme Dogmen verkündet, der einfach nur Geschäfte machen will, ohne auf die Folgen zu achten, wird sofort aus der menschlichen Gemeinschaft ausgeschlossen und verachtet. Es gilt landesweit der kategorische Imperativ!

In einem Gottesstaat gibt es keine Polizei und schon gar keine Geheimpolizei, noch weniger eine Moralpolizei, ja, nicht einmal Uniformen … außer den karnevalistischen natürlich. Resümierend: In einem Gottesstaat scheint immer die Sonne, egal ob vom Himmel, oder aus den Herzen!!! Gottesstaat, wo bist du???

2. Der reale Gottesstaat

Im realen Gottesstaat gibt es überall imaginäre Gottesstatuen, die niemand sehen kann, die aber jeder fühlen muss, wenn er nicht hören will. Jede dieser imaginären Gottesstatuen ist genau 1 Million Kilometer hoch, und gemeinsam verdunkeln sie den Himmel so sehr, daß keiner mehr Land sieht! Jeder, der nicht an das Vorhandensein dieser Gottesstatuen – die allesamt einen einzigen Gott darstellen sollen – glaubt, der MUSS dran glauben!

Niemand darf lachen, wenn sich Menschen, vor dem imaginären Gott, ganz tief verbeugen und niemand darf behaupten, die imaginäre Gottesstatue sei auch nur um einen halben Millimeter kleiner als die vorgegebenen 1 Million Kilometer, sonst wird er gleich um einen ganzen Kopf kürzer gemacht! Denn das steht ja in den überall herumliegenden, nicht imaginären, Gottesbüchern, die man nicht karikieren darf.

Regelmäßig werden ganze Horden von Verbrechern wider den Millionkilometergott zusammengetrieben und enthauptet. Aber Gott ist gnädig – er gestattet Frauen, daß sie entweder geschächtet oder gesteinigt werden. Was für eine Vergünstigung?!

Niemand wagt es, gegen den Gott des realen Gottesstaates seine Stimme zu erheben, denn Gott ist barmherzig. Er beschützt alle, die an ihn glauben, indem er alle, die nicht an ihn glauben, vernichtet. Seine Sprengkommandos, seine Lastwagenfahrer und seine Messerhelden sind weltweit unterwegs. Die Ungläubigen aber hat er mit einem Bann belegt: Jedes Mal, wenn sie an einen Gläubigen denken, der, in Gedanken einig mit Gottes Kommandos (Lastwagenfahrer z. B.), zwar noch keine Heldentat begangen hat, sie aber wohlwollend toleriert, vernebelt ein Engel des Herrn seine Sinne. Denn niemand kann gegen den Willen des Gottes, der 1 Million Kilometer hoch ist, etwas tun!

Dafür ist Gott einfach zu groß! Trotzdem liebt er die kleinen Leute so sehr, daß sich deren IQ in der Anzahl ihrer Kinder auszudrücken hat. Schließlich sollen einmal in jeder Stadt auf dem Globus imaginäre Götterstatuen stehen, die den Himmel verdunkeln, die alle zusammen einen einzigen Gott darstellen und jeweils einen Kilometer hoch sind – so hoch, daß es niemand wagt, sie karikieren zu wollen …

Nicht zu vergessen: Gott besitzt die allerschönsten Gärten und die allerlieblichsten Jungfrauen, die einerseits, nach Gebrauch, auch sofort wieder zu Jungfrauen werden, und die er andererseits jederzeit an jemanden verschenken kann, der sie gar nicht mehr braucht, weil er tot ist. Also nicht der Kilometergott, sondern der Beschenkte.

Aber so ist eben Gott: Er liebt alle Menschen gleich, egal wen er nicht vor sich hat – und wenn er einmal einen vor sich hat, der nicht so aussieht wie einer, der an ihn glaubt, oder eventuell sogar einen, der zwar so aussieht, aber trotzdem nicht an ihn glaubt, dann wird er böse und reagiert äußerst unfreundlich … Gott beschütze uns vor einem Gottesstaat!

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