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schaut mich denn der Herr dort an der Säule so an? – Hat der am End' was gehört?... Ich werd' ihn fragen... Fragen? – Ich bin ja verrückt! – Wie schau' ich denn aus? – Merkt man mir was an? – Ich muß ganz blaß sein. – Wo ist der Hund?... Ich muß ihn umbringen!... Fort ist er... Überhaupt schon ganz leer... Wo ist denn mein Mantel?... Ich hab' ihn ja schon angezogen... Ich hab's gar nicht gemerkt... Wer hat mir denn geholfen? Ah, der da... dem muß ich ein Sechserl geben... So!... Aber was ist denn das? Ist es denn wirklich gescheh'n? Hat wirklich einer so zu mir geredet? Hat mir wirklich einer »dummer Bub« gesagt? Und ich hab' ihn nicht auf der Stelle zusammengehauen?... Aber ich hab' ja nicht können... er hat ja eine Faust gehabt wie Eisen... ich bin ja dagestanden wie angenagelt... Nein, ich muß den Verstand verloren gehabt haben, sonst hätt' ich mit der anderen Hand... Aber da hätt' er ja meinen Säbel herausgezogen und zerbrochen, und aus wär's gewesen – Alles wär' aus gewesen! Und nachher, wie er fortgegangen ist, war's zu spät... ich hab' ihm doch nicht den Säbel von hinten in den Leib rennen können...
Was, ich bin schon auf der Straße? Wie bin ich denn da herausgekommen? – So kühl ist es... ah, der Wind, der ist gut... Wer ist denn das da drüben? Warum schau'n denn die zu mir herüber? Am End' haben die was gehört... Nein, es kann niemand was gehört haben... ich weiß ja, ich hab' mich gleich nachher umgeschaut! Keiner hat sich um mich gekümmert, niemand hat was gehört... Aber gesagt hat er's, wenn's auch niemand gehört hat; gesagt hat er's doch. Und ich bin dagestanden und hab' mir's gefallen lassen, wie wenn mich einer vor den Kopf geschlagen hätt'!... Aber ich hab' ja nichts sagen können, nichts tun können; es war ja noch das einzige, was mir übrig geblieben ist: stad sein, stad sein!... 's ist fürchterlich, es ist nicht zum Aushalten; ich muß ihn totschlagen, wo ich ihn treff!... Mir sagt das einer! Mir sagt das so ein Kerl, so ein Hund! Und er kennt mich Herrgott noch einmal, er kennt mich, er weiß, wer ich bin! Er kann jedem Menschen erzählen, daß er mir das g'sagt hat!... Nein, nein, das wird er ja nicht tun, sonst hätt' er auch nicht so leise geredet... er hat auch nur wollen, daß ich es allein hör',.... Aber wer garantiert mir, daß er's nicht doch erzählt, heut' oder morgen, seiner Frau, seiner Tochter, seinen Bekannten im Kaffeehaus. – – Um Gottes willen, morgen seh' ich ihn ja wieder! Wenn ich morgen ins Kaffeehaus komm', sitzt er wieder dort wie alle Tag' und spielt seinen Tapper mit dem Herrn Schlesinger und mit dem Kunstblumenhändler... Nein, nein, das geht ja nicht, das geht ja nicht... Wenn ich ihn seh', so hau' ich ihn zusammen... Nein, das darf ich ja nicht... gleich hätt' ich's tun müssen, gleich!... Wenn's nur gegangen wär'! Ich werd' zum Obersten geh'n und ihm die Sache melden... ja, zum Obersten... Der Oberst ist immer sehr freundlich – und ich werd' ihm sagen: Herr Oberst, ich melde gehorsamst, er hat den Griff gehalten, er hat ihn nicht auslassen es war genau so, als wenn ich ohne Waffe gewesen wäre... – Was wird der Oberst sagen? – Was er sagen wird? – Aber da gibt's ja nur eins: quittieren mit Schimpf und Schand' – quittieren!... Sind das Freiwillige da drüben?... Ekelhaft, bei der Nacht schau'n sie aus, wie Offiziere... sie salutieren! – Wenn die wüßten – wenn die wüßten!... – – Da ist das Café Hochleitner... Sind jetzt gewiß ein paar Kameraden drin... vielleicht auch einer oder der andere, den ich kenn'... Wenn ich's dem ersten Besten erzählen möcht', aber so, als wär's einem andern passiert?... – Ich bin ja schon ganz irrsinnig... Wo lauf' ich denn da herum? Was tu' ich denn auf der Straße? – Ja, aber wo soll ich denn hin? Hab' ich nicht zum Leidinger wollen? Haha, unter Menschen mich niedersetzen... ich glaub', ein jeder müßt' mir's anseh'n... Ja, aber irgendwas muß doch gescheh'n... Was soll denn gescheh'n?... Nichts, nichts – es hat ja niemand was gehört... es weiß ja niemand was... in dem Moment weiß niemand was... Wenn ich jetzt zu ihm in die Wohnung ginge und ihn beschwören möchte, daß er's niemandem erzählt?... – Ah, lieber gleich eine Kugel vor den Kopf, als so was!... Wär' so das Gescheiteste!... Das Gescheiteste? Das Gescheiteste? – Gibt ja überhaupt nichts anderes... gibt nichts anderes... Wenn ich den Oberst fragen möcht', oder den Kopetzky – oder den Blany – oder den Friedmaier: – jeder möcht' sagen: Es bleibt dir nichts anderes übrig!... Wie wär's, wenn ich mit dem Kopetzky spräch'? Ja, es wär' doch das Vernünftigste... schon wegen morgen ja, natürlich – wegen morgen... um vier in der Reiterkasern'... ich soll mich ja morgen um vier Uhr schlagen... und ich darfs ja nimmer, ich bin satisfaktionsunfähig... Unsinn! Unsinn! Kein Mensch weiß was, kein Mensch weiß was! – Es laufen viele herum, denen ärgere Sachen passiert sind, als mir... Was hat man nicht alles von dem Deckener erzählt, wie er sich mit dem Rederow geschossen hat und der Ehrenrat hat entschieden, das Duell darf stattfinden Aber wie möcht' der Ehrenrat bei mir entscheiden? – Dummer Bub – dummer Bub... und ich bin dagestanden –! Heiliger Himmel, es ist doch ganz egal, ob ein anderer was weiß!... ich weiß es doch, und das ist die Hauptsache! Ich spür', daß ich jetzt wer anderer bin, als vor einer Stunde – Ich weiß, daß ich satisfaktionsunfähig hin, und darum muß ich mich totschießen... Keine ruhige Minute hätt' ich mehr im Leben... immer hätt' ich die Angst, daß es doch einer erfahren könnt', so oder so... und daß mir's einer einmal ins Gesicht sagt, was heut' abend gescheh'n ist! – Was für ein glücklicher Mensch bin ich vor einer Stund' gewesen... Muß mir der Kopetzky die Karte schenken – und die Steffi
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Interpretation und Zusammenfassung: Arthur Schnitzlers „Leutnant Gustl“
Arthur Schnitzlers Novelle Leutnant Gustl (1900) gilt als Meilenstein der Literaturgeschichte und markiert den Beginn des inneren Monologs als literarisches Stilmittel im deutschsprachigen Raum. In dieser bahnbrechenden Erzählung gewährt Schnitzler einen ungeschönten Einblick in die Gedankenwelt eines österreichischen Leutnants der Jahrhundertwende. Die Novelle ist nicht nur ein literarisches Experiment, sondern auch eine scharfsinnige Gesellschaftskritik, die die Werte und Widersprüche des Militärapparats sowie der Wiener Gesellschaft thematisiert.
Inhaltliche Zusammenfassung
Die Handlung spielt sich nahezu vollständig im Kopf des Protagonisten, Leutnant Gustl, ab. Nach einem Konzert gerät Gustl mit einem Bäckermeister in einen Streit, bei dem dieser Gustl verbal bloßstellt und körperlich bedroht. Für Gustl, der in einer Welt lebt, in der Ehre und gesellschaftliches Ansehen alles bedeuten, ist dieser Vorfall eine Katastrophe. Sein militärischer Ehrenkodex verlangt in einer solchen Situation entweder Genugtuung durch ein Duell oder, falls dies unmöglich ist, den Suizid, um die eigene Ehre wiederherzustellen.
Die Nacht und der darauffolgende Tag durchlebt Gustl in tiefen existenziellen Konflikten, die zwischen Selbstmitleid, Angst, Trotz und gelegentlichem Selbstbewusstsein schwanken. Der innere Monolog enthüllt dabei nicht nur seine oberflächliche, impulsive Persönlichkeit, sondern auch die hohlen, oft grotesken Ideale, denen er folgt. Am Ende erfährt Gustl, dass der Bäckermeister unerwartet verstorben ist. Für ihn bedeutet dies die Wiederherstellung seiner Ehre, und er wendet sich ohne jegliche Reflexion seinem Alltag zu.
Interpretation und Themen
Schnitzler entlarvt in Leutnant Gustl die fragile Ehre und die geistige Leere einer Gesellschaftsschicht, die ihre Identität ausschließlich über äußere Werte wie Stand und Ansehen definiert. Gustls gedankliche Sprunghaftigkeit, seine Egozentrik und seine Unfähigkeit zur Selbstreflexion machen ihn zu einem Symptom des gesellschaftlichen Klimas der damaligen Zeit. Schnitzler kritisiert nicht nur den Ehrenkodex des Militärs, sondern auch die Doppelmoral und Oberflächlichkeit der kaiserlichen Wiener Gesellschaft.
Die Novelle spiegelt zudem Schnitzlers eigene Erfahrungen als Arzt wider, der sich intensiv mit der Psychoanalyse und den Theorien Sigmund Freuds auseinandersetzte. Die Darstellung der psychologischen Mechanismen im Bewusstsein und Unterbewusstsein des Protagonisten macht das Werk zu einer psychologischen Studie, die auch heute noch relevant ist.
Einordnung ins Gesamtwerk
Leutnant Gustl reiht sich in Schnitzlers Gesamtwerk als frühes Beispiel seiner kritischen Auseinandersetzung mit den sozialen und psychologischen Mechanismen der Wiener Gesellschaft ein. Werke wie die Traumnovelle (1926), die die dunklen Sehnsüchte und Abgründe der menschlichen Psyche beleuchtet, oder Casanovas Heimfahrt (1918), das den Alterungsprozess und die Melancholie eines ehemaligen Verführers thematisiert, greifen ähnliche Themen auf. Gemeinsam ist ihnen Schnitzlers Fähigkeit, komplexe Charaktere und deren innere Konflikte feinfühlig und präzise zu skizzieren.
Relevanz von Leutnant Gustl
Die Novelle bleibt ein bedeutendes Werk der literarischen Moderne und hat durch ihre innovative Erzähltechnik und tiefgehende Gesellschaftskritik nichts von ihrer Aktualität verloren. Sie fordert den Leser auf, über den Wert von Ehre, die Rolle des Individuums in sozialen Strukturen und die Illusionen einer gesellschaftlichen Fassade nachzudenken. Schnitzlers feinfühlige Analyse menschlicher Schwächen und seiner Zeit machen Leutnant Gustl zu einem zeitlosen Klassiker der Literatur.