Rotfleckenfieber - Page 2

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von Daniel G. Spieker

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sagte er stirnrunzelnd. „Kann ich mit dem Herrn des Hauses reden? Oder sind Sie...“ „Nein, nein – ich bin sein Schwager. Was wollen Sie hier?“ „Ich bin Beauftragter im Namen der Seuchenkontrollbehörde, ich bin hier, um einige Städte zu kontrollieren.“ Der alte Mann runzelte ein weiteres Mal die Stirn. „Vom Reich? Sie sehen jung aus.“ „Höchstpersönlich. Ich bin noch nicht lange bei der Behörde.“ Kopfschüttelnd trat der Mann zur Seite und ließ Jonathan herein. „Ich hole ihn.“ „In Ordnung.“
Nach einigen Minuten kam er mit einem pausbäckigen Mann zurück. „Ein Mann vom Reich? Ich hoffe doch, es gibt keine Probleme? Die Abgaben sind doch angekommen, oder? Gregor? Hast du die Abgaben gezahlt?“
„Der Mann kommt nicht von der Steuerbehörde, sondern von der Seuchenkontrollbehörde.“ „In der Tat. Mein Name ist Jonathan Kain. Ich bin vom Reich beauftragt worden einige Städte zu kontrollieren.“ „Gibt es ein Problem?“ „Machen Sie sich keine Sorgen, das nur eine Kontrolle um dafür zu sorgen, dass so etwas wie 1907 nicht wieder passiert.“
Der Blick des Mannes verdüsterte sich.
„1907... Hat zwei meiner Brüder hingerafft, die weggezogen waren. Ich werde Ihnen helfen so gut ich kann. Was brauchen Sie?“ „Ich müsste wissen, wie das hier abläuft, das Gelände ein wenig ansehen, auch bezüglich des Kornspeichers bräuchte ich die ein oder andere Information.“
Knapp vier Stunden erzählte der Besitzer über die Felder und den Ablauf. Auch der Kornspeicher wurde beschrieben und sogar ein älterer Plan wurde vorgelegt. Jonathan würde darauf bestehen, einen weiteren Kornspeicher zu errichten und die Wände zu verstärken. Es lief immer noch recht unproblematisch ab; das freute ihn.
„Ein Lüftchen zieht herauf“, sagte der Besitzer, als sie gerade die Pflüge genauer ansahen.
„Es wird stürmen.“
„Stürmen?“
„Ja, es sieht nach Sturm aus. Nun, wir sollten den Rundgang langsam beenden. Brauchen Sie noch etwas?
„Momentan nicht. Falls es noch etwas gibt, werde ich mich natürlich melden, aber es sieht gut aus.“
Zu Fuß ging er zurück zur Stadt und nahm ein frühes Abendessen zu sich. Trotz des heftiger werdenden Sturms, konnte er gut schlafen. Morgen würde er weitere Informationen von dem Krankenhaus bekommen.
Am nächsten Morgen lagen neben dem Frühstück die versprochenen Akten. Den Rest des Tages verbrachte er damit sie konkreter zu studieren. Zwischen den ganzen Blättern konnte er allerdings nicht wirklich etwas nützliches finden.
Um die Informationen zu verarbeiten und seinen Bericht besser schreiben zu können, beschloss er gegen Abend noch einmal kurz spazieren zu gehen. Ein wenig die Gedanken freibekommen.
Der Sturm hatte ein wenig auf den Straßen gewütet, außerhalb der Innenstadt sollte es laut dem ein oder anderen Gesprächsfetzen noch schlimmer aussehen.
Nach einer guten halben Stunde ging er zurück ins Zimmer und aß das bereitgestellte Abendbrot. Morgen wäre die Wasserversorgung dran, wenn alle Arbeiten erledigt wären, könnte er endlich alles kontrollieren.
Er schrieb lange an seinem Bericht, merkte insbesondere die Kornspeicherüberlegungen an, aber auch, dass es bislang keine Probleme oder Hinweise auf eine Seuche gab.
Wenn man endlich ein Heilmittel finden oder zumindest die Herkunft und Übertragung bestimmen könnte, dachte er und runzelte die Stirn. Das Reich hätte eine Sorge weniger.
Am nächsten Tag machte er sich nach dem Frühstück auf zum Rathaus, um die Wasserversorgung zu kontrollieren. Auf der Straße wurde heftig über die Folgen des Sturms diskutiert, insbesondere schien der Bauer außerhalb schweren Schaden davongetragen zu haben. Genaues bekam er allerdings nicht mit.
Er ging weiter zum Rathaus und man ließ ihn direkt zum Bürgermeister. Der Stuhl war immer noch etwas entfernt. „Die Grippe. Hoffentlich geht’s bald besser.“ „Gute Besserung.“ „Danke, danke. Sie kommen wegen der Wasserversorgung?“ „Ja, ich dachte heute könnte man das in Angriff nehmen.“ „Ich werde jemanden suchen, der sich darum kümmert – ich denke in einer Stunde können Sie alles in Augenschein nehmen. Haben Sie das mit dem Bauern mitbekommen? Die ganze Herde, einfach tot. Schlimme Sache.“ „Was ist überhaupt passiert?“ „Der Sturm. Heute morgen hat er wohl die Kühe gefunden, überall kleine Verletzungen, das hat sie wohl umgebracht.“ „Wie? Inwiefern?“, fragte Jonathan irritiert und stockte. „Überall rote Punkte, vielleicht von umherfliegendem Schutt. Hat mir die Sekretärin erzählt.“
„Das Rotfleckenfieber, zuerst sterben immer die Kühe“, sagte Jonathan mehr zu sich selbst.
„Die Seuche?“ Der Bürgermeister stockte. „Die Seuche. Wir müssen handeln.“ „Wie kann es denn ausgebrochen sein?“ „Ich...“ Kurz zögerte er, er überlegte, dann klärte sich sein Blick auf. Der Sturm! „Der Sturm muss der Auslöser sein. Bisher waren wir uns nicht hundertprozentig sicher, wie es übertragen wird, aber es muss der Sturm sein. Alles andere macht keinen Sinn.“
„Gut. Was müssen wir tun?“ Jonathan machte eine Pause. „Wir müssen Maßnahmen ergreifen.“ Er zögerte. Es war für das Reich, es war die einzige Möglichkeit. „Was für Maßnahmen?“ „Wir müssen...“ Er zögerte noch einmal. „Wir müssen zum Wohle vieler einige... entfernen.“ „Was meinen Sie?“ „Wir müssen alle vom Land erschießen und das Haus sowie die Felder mit den Leichen abbrennen.“ „Sie sind doch...“ „Es ist die einzige Möglichkeit. Alles andere würde die Stadt niederraffen – verstehen Sie? Zum Wohle aller müssen einige eben sterben; sonst sterben wir alle.“
Der Bürgermeister zitterte ein wenig. „Nein.“ „Es geht nicht anders.“ „Es muss doch irgendwie...“ „Wir müssen jetzt handeln, sonst bringen Sie Ihre gesamte Stadt um!“ Der Bürgermeister stand auf und ging nach draußen. „Silke“, rief er. Sie trat herein. „Ja, was kann ich tun?“ „Hol den Polizeichef.“
Wenig später kam auch der Polizeichef herein und man erklärte die Lage.
„Wir können die Leute doch nicht einfach töten? Das ist doch verrückt!“, sagte der Polizeichef und schüttelte den Kopf.
„Es ist die einzige Möglichkeit. Wir müssen uns beeilen, bevor es zu spät ist.“ „Er hat Recht“, stimmte der Bürgermeister zu.
Nachdem noch einige Zeit diskutiert wurde, entschied man sich dann alles in die Wege zu leiten.
Die gesamte Polizei wurde zusammengetrommelt und mit Benzin, Feuerzeugen und Pistolen ausgerüstet. Zusammen ging der Machtapparat zu dem Landhaus und alles wurde in Benzin getränkt. Es schmerzte Jonathan natürlich, aber es war die einzige Möglichkeit und jetzt war endlich klar wodurch die Seuche übertragen wurde.
Sein Bericht und dieser Fall würden wertvoll sein und das Opfer der Bauern würde dem ganzen Reich helfen.
Man sagte den Leuten, dass sie im Haus bleiben sollten. Jeder Bewohner, der versuchte herauszukommen würde direkt vom Polizeikommando erschossen

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Hörbuchversion von Rotfleckenfieber
Noch mehr von der Persönlichkeit → Daniel G. Spieker