Sie begann in Hamburg - Page 2

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von Willi Grigor

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immer auf einem der besten Plätze saß (sowie nicht selten beim Träning auf dem Fortunaplatz dabei war), lernten sie sich kennen. Bei einer Siegesfeier in einem Lokal kamen sie sich näher.
Von 1973 bis 1977 war Klötzer Trainer beim HSV. Günter gab ihm das Bild, auf dem er 1967 mit Uwe Seeler vor dessen Haus steht, und bat ihn, es von Uwe unterschreiben zu lassen. So geschah es.

Bernd Franke
Günter lernte ihn während dessen Zeit als Torwart bei Fortuna Düsseldorf 1969-71 kennen. Seine großen Erfolge hatte Franke 1971-85 bei Eintracht Braunschweig. Er hatte sieben Einsätze in der Deutschen Nationalmannschaft und nahm an der Fußball-Weltmeisterschaft 1982 in Spanien teil. Über 40mal saß er auf der Reservebank (Sepp Maier und später Harald Schumacher waren die ständige Nummer Eins), auch bei dem WM-Endspiel 1982, das Deutschland mit 1:3 gegen Italien verlor. Günter bekam später von Franke dessen Trikot vom WM-Endspiel und hatte es 28 Jahre zu Hause in einem Schrank. Dann schenkte er es einem jungen, talentierten Torwart von Schwarz-Weiß 06 und erzählte bei der Übergabe im Vereinshaus die Geschichte dieses Trikots. Günter war großzügig!
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Zu Günters 50sten Geburtstag, 1989, wollte seine Frau ihn mit etwas überraschen, von dem sie wusste, dass er sich wirklich freuen würde. Sie rief Uwe Seeler an und bat ihm, Günter einen Geburtstagsgruß zu schicken. Dies wäre das schönste Geschenk für Günter. "Uns Uwe" tat dies und gab damit wieder einmal ein Beispiel seiner sprichwörtlichen Volksnähe und Großzügigkeit.

Am 15. September 2011 fand eine große Wiedersehensfeier mit Günter und den noch übriggebliebenen Freunden in Ratingen Homberg statt, wo Erich - einer dieser Freunde - seit langem wohnt. Auch ich war mit meiner Frau angereist. Es war fast wie in alten Tagen. Doch nun waren wir alle um die 70 und Günter zusätzlich nahezu bewegungsunfähig. Aber Späße machen konnte er immer noch. Er gab auch Beweise seines enormen Fußballwissens, indem er die Mannschaftsaufstellung und die Torschützen von großen, jahrzehnte zurückliegenden Spielen der Fortuna Düsseldorf herableierte. Es war ein wunderbarer Abend - und mein Abschied von Günter. Sieben Monate später verstarb er.

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Informationen von Heidi, Günters Frau
Einige Tage vor Weihnachten 2011, hat sich die Situation für Günter nachteilig geändert. Bei seinen Ausflügen mit dem Rolli in die Stadt, aber auch in der Wohnung, ist er mehrmals gestürzt. Er kam ins Düsseldorfer Universitätskrankenhaus. Die Ärzte versuchten herauszufinden, warum sich die Situation so dramatisch verändert hat. Die Operation nach dem Bruch des Schenkelhalsknochens könnte einen Nerv beschädigt haben. Der Herzrhythmus ist gestört, er kann nur noch im Bett liegen und ist auf ständige Hilfe angewiesen. Heidi ist jeden Nachmittag bei ihm. Günter ist jedoch nicht sehr kooperativ, und was er sagt, ist zum Teil unverständlich, er will unbedingt nach Hause, was aber unmöglich ist. Das Pokal-Achtelfinale seiner geliebten Fortuna gegen Borussia Dortmund am 20. Dezember in Düsseldorf konnte er nicht einmal im Fernsehen verfolgen. Fortuna verlor knapp den Kampf. Hoffentlich kann Günter seinen gewinnen.

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Günter ist immer noch in der Rehaklinik. Es geht ihm etwas besser, aber gut ist es nicht. Er wird die Rehaklinik bald verlassen müssen. Er will wieder nach Hause, aber wenn er nicht besser wird, kann Heidi den erforderlichen Pflegeaufwand allein nicht stemmen. Für Heidi ist die Zukunft unklar. Günter ist aber immer noch so geistesgegenwärtig, dass er uns an das 50-jährige Jubiläum von FC-Total (unser toter Theken-Fußball-Club, der in unserem Geist immer noch lebt) in diesem Jahr erinnert.

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Ich hatte das Bedürfnis, aus der Ferne Günter eine Freude zu bereiten und mit einer Überraschung etwas aufzumuntern. Ich dachte an Uwe Seeler, den Günter am meisten verehrte, seitdem er 1967 mit ihm an dessen Gartentor sprach, und der ihn zu seinem 50sten Geburtstag mit einem Gruß so erfreute.
Gedacht, getan, ich schickte folgenden Brief nach Hamburg:

Åmål, 23. Januar 2012

Herrn Uwe Seeler
Weg am Sportplatz 6

Lieber Herr Uwe Seeler,
ich bitte Sie freundlichst um einen persönlichen Gruß an meinen kranken Freund Günter Kohnen in Düsseldorf.
Als Vorbemerkung und zum besseren Verständnis ein kurzer Auszug aus meinem Tagebuch:
..Günter leidet seit vielen Jahren an einer schweren Krankheit und sein Zustand hat sich in letzter Zeit dramatisch verschlechtert. Er hat eine positive Grundeinstellung und ist ein Mensch, dem ein weiterer unerwarteter, persönlicher Gruß von seinem Fußballidol Uwe viel Freude und Kraft in seiner derzeitigen Lebenssituation geben wird.
Lieber Uwe Seeler, ich bitte Sie deshalb, auf dem beigefügte Blatt "Lieber Fußballfreund Günter" (oder ein eigenes) einen persönlichen Gruß zu schreiben und dieses an Günter zu senden. Ein adressierter und frankierter Briefumschlag ist beigefügt.
Ich bedanke mich recht herzlich und wünsche Ihnen und dem HSV alles Gute für 2012 und den folgenden Jahren.

Am Montag den 23. Januar schob ich den Briefumschlag an Uwe Seeler in den Briefkasten. Die Briefmarken für den Rückumschlag an Günter hat mir meine Schwester vorher zugeschickt. Auf den Umschlag hatte ich das Bild von 1967 geklebt, das ihn zusammen mit Günter vor seinem Haus zeigt. Das müsste doch eine Garantie dafür sein, dass er den Umschlag auch öffnen wird.

Ich informierte Heidi über diese Aktion, aber sie sollte Günter nichts erzählen, damit es eine echte Überraschung wird, wenn Uwe ihm schreibt.
Natürlich erfüllte "Uns Uwe" diesen Wunsch! Bereits am darauffolgenden Donnerstag, am 26. Januar, rief Heidi an und erzählte, dass sie Post von Uwe an Günter erhalten hat.

Heidi erzählte mir einige Tage später am Telefon, dass Günter sich "wie ein König" freute, als sie ihm den persönlichen Gruß von Uwe Seeler in der Rehaklinik übergab. Er konnte es nicht fassen und zeigte allen, die in sein Zimmer kamen, das Blatt mit den Bildern und Uwes handschriftlichen Gruß an ihn.
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Ab 28. Januar war Günter wieder zu Hause, aber immer noch mehr oder weniger ein Pflegefall. Heidi wird sich nach besten Kräften um ihn kümmern und hoffentlich die erforderliche Hilfe von den zuständigen Behörden bekommen.
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Mein Freund Günter Kohnen, der viele Freunde hatte, starb am 14. April 2012, dreiundsiebzig Jahre alt.
Er wurde eingeäschert und anonym beigesetzt. Die Asche wurde auf der dafür vorgesehenen Wiese des Stoffeler Friedhofs in Düsseldorf verstreut. Diese Wiese liegt gegenüber dem Fußballplatz von Schwarz-Weiß 06, dem Fußballverein, dem Günter Zeit seines Lebens verbunden war.

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Wenn Freunde verschwinden

Bei Sonne macht's Spaß zu spazieren,
der Schatten geht stets mit uns mit.
Unmöglich ist's, ihn zu verlieren -
er folgt uns auf Schritt und auf Tritt.

Wenn ziehende Wolken, die spielen,
verstecken den himmlischen Schein,
verschwinden die Schatten, die vielen,
man fühlt sich ganz plötzlich allein.

So ist es, wenn Freunde verschwinden,
die ständig und stets waren da.
In Gedanken kann man sie finden
und glauben sie wären ganz nah.
WG

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Nachtrag
Am 12. Dezember 2020 bekam ich einen Brief aus Norderstedt bei Hamburg, Weg am Sportplatz 8. Dort wohnt Uwe Seeler.
Ich habe mir keine Antwort erwartet, aber so ist Uwe - ein Mitmensch der besten Sorte.
Uwe schrieb:
Lieber Herr Grigor,
vielen Dank für Ihre Glückwünsche, ich habe Ihren Brief und die Geschichte gelesen. Sie haben bewegende Worte für Ihren Freund Günter Kohnen gefunden.
Alles Gute für Sie, es grüßt herzlich
Ihr Uwe Seeler

Nachtrag 2
Uwe Seeler starb am 21. Juli 2022, er wurde 85 Jahre alt.

Willi Grigor, 2020

Hier lesen Sie ganze Geschichte über meinen Düsseldorfer Freund Günter:
literatpro.de/prosa/070916/ein-freund-uwe-seeler-heino-und-ich

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