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Zu Boden fielen Männer, Frauen und Kinder. [...] Gewaltig und schmerzvoll war der blutige Anblick für die jungen Soldaten, die noch keinen Krieg erlebt hatten und so viele Seelen keuchend am Boden liegen sahen, so viele an manchen Stellen, daß man kaum gehen konnte.[...] Manchmal steht in der Heiligen Schrift, daß Frauen und Kinder mit ihren Eltern sterben müssen. Manchmal steht es anders geschrieben: doch dies wollen wir hier nicht erörtern. Uns gab Gottes Wort genügend Licht für unser Tun.4
Dieses religiöse Missionsbewußtsein ist seit dem 18. Jh. einem steten Säkularisierungsprozeß unterworfen und wird mit der Erlangung der Unabhängikeit zunehmend durch ein demokratisches Sendungsbewußtsein ersetzt, das die Grundlage für das Selbstverständnis der USA bis zum heutigen Tag bildet. Wie jedoch die seit den 1980er Jahren - und besonders unter der gegenwärtigen Regierung - wieder deutlich religiös-moralische offizielle Rhetorik zeigt, bleibt ein oft fundamentalistisch anmutendes Missionsbewusstsein nach wie vor erhalten und dient vor allem in Krisenzeiten immer wieder zur Rechtfertigung militärischer Interventionen. Bereits 1966 spricht Richard Hofstadter in einer Studie vom “paranoiden Stil” in der amerikanischen Politik. (The Paranoid Style in American Politics) Über die Jahrhunderte haben die eingebildeten oder tatsächlichen Feinde der USA vielfältige Gesichter - Wildnis, Indianer, anderer Religionen und Ideologien (Jakobiner, Freimaurer, Katholiken) -, sowie ausländische Mächte (Spanien, Frankreich, England, Mexiko, die Habsburger, die deutschen ‘Hunnen’ im 1. Weltkrieg, Nazi-Deutschland und Japan im 2. Weltkrieg, dann der Weltkommunismus der USSR & Chinas, Kuba, Vietnam, Chile, Nicaragua, Grenada, und nunmehr die sog. “Schurkenstaaten” und der internationale (islamisch-fundamentalistische) Terrorismus. Daneben sind es auch Immigranten und Flüchtlinge aus gewissen Regionen der Erde (man denke an die Quotenreglungen der Einwanderungsgesetze in den 1920er Jahren), Cyberterroristen, Drogenkartelle, und Fremde aus dem Weltall. Einige dieser Gefahren kommen auch aus den eigenen Reihen - z. B. Afro-Amerikaner, emanzipierte Frauen, linke Gewerkschaften, Hollywood, Verschwörungen machtgieriger Politiker, besessene Wissenschaftler und rücksichtlose Geschäftsleute, Alokohol, organisiertes Verbrechen, Kommunisten, Homosexuelle, Raucher, etc.
Kurz gesagt, aus europäischer Sicht besteht oft der Eindruck, dass die offzielle Rhetorik der USA ständig ein Feindbild benötigt - vorzugsweise ein ausländisches -, um einen gemeinsamen Nenner für die immer grössere Zahl ethnischer und kultureller Grupperungen im Land zu finden.
Wenngleich diese Denkweisen, insbesondere seit dem Vietnamkriegs, ins Schußfeld auch der inneramerikanischen Kritik geraten ist, so bleiben in den meisten Werken der amerikanischen Kriegsliteratur jene Attribute, mit denen die wechselnde Feindbilder versehen werden, genauso unverändert wie die Eigenschaften der meist siegreichen amerikanischen Held/inn/en. Sie entsprechen im wesentlichen dem Auto-Stereotyp, das der amerikanische Autor Ward Just 1970 in seiner kritischen Studie Military Men festhält:
Da amerikanische Kriege nie aus imperialistischem Gewinnstreben heraus geführt werden (Mythologem Nr. 1), kämpfen amerikanische Soldaten stets im Dienste der guten Sache (Mythologem Nr. 2) für einen gerechten und allgemeinen Frieden (Mythologem Nr. 3) [...] Amerikanische Kriege sind immer Verteidigungskriege, die zögernd und widerwillig begonnen werden -Amerika ist wie ein gutmütiger Riese, den ausländische Abenteurer so lange reizen, bis er seine Geduld verliert.5
Heutzutage leben diese Klischees vor allem in den millionenfach aufgelegten Comics und Romanheften, in TV-Serien, Cartoons und den kommerziellen Kriegsfilmen gewinnbringend weiter. Ungeachtet des historischen politischen Kontexts unterscheiden sich die bösen Gegner von den tugendhaften Vertretern der amerikanischen Demokratie nicht nur durch diverse minderwertige nationale, kulturelle und ethnische Eigenschaften, sondern auch durch eine verderbte Moral, die sich meist im ungehemmten Ausleben sogenannter niedriger Triebe, Instinkte und Begierden äußert, nicht zuletzt im lüsternen Begehren nach unschuldigen amerikanischen (Jung-)Frauen. Beispiele für die hehren US-amerikanischen Helden sind uns allen geläufig, vor allem aus Filmen: John Wayne als rauher Held mit weichem Herzen, egal ob als einsamer Westernheld oder als Offizier in Filmen wie Sands of Iwo Jima (1948) und The Green Berets (1968); Sylvester Stallone in den Rambo-Filmen, Produkte wie Top-Gun (1986), oder auch Star Wars, die modernen amerikanischen Märchenfiguren wie Superman- und woman, Batman, Spiderman, Masters of the Universe, etc. Ich möchte daher diesen weitgehend bekannten Typ der Erzählungen vom (ewigen) Krieg gegen das Böse aus meinen nachfolgenden Überlegungen ausklammern und mich vorwiegend mit jener Literatur befassen, die Stereotypen nicht fortschreibt, sondern sie aus aktuellem Anlaß in Frage stellt und dabei oft die traditionell unterdrückten Seiten der amerikanischen Heldenfiguren aufzeigt.
Jene traditionellen Erzählkonventionen vom Krieg, die seit Homer Eros und Thanatos miteinander verknüpfen, d. h. das Handlungsmuster vom männlichen Helden, der direkt oder im übertragenen Sinne einer Frau wegen in den Krieg zieht, sich dort bewährt und nach dem Erfolg der (stets) gerechten Sache auch den entsprechenden Lohn bzw. die Beute für die durchstandenen Strapazen und Gefahren zugesprochen erhält - diese herkömmliche "story" wird in der amerikanischen Literatur erstmals von William De Forest's Miss Ravenel's Conversion (1867) zum amerikanischen Bürgerkrieg (1861-65) in Frage gestellt. Entgegen den Erwartungen, die der Titel erweckt, ist die traditionelle Liebesgeschichte in diesem Roman deutlich reduziert; De Forest widmet weitaus größeren Raum der nüchternen Schilderung jener wenig heldenhaften Ereignisse, die ihm als Arzt in einem Feldlazarett der Nordstaaten unterkommen. Jedopch erst drei Jahrzehnte nach Kriegsende entzaubert Stephen Cranes Roman The Red Badge of Courage (dt. Das rote Siegel) angesichts des ersten Aufeinan-derprallens von Massenheeren in der amerikanischen Geschichte endgültig die vorherrschenden Konvention der "historical romance" von individuell-heroischer Bewährung im Kampf. Der Autor schildert darin ohne idealisierendes, glorifizierendes und patriotisches Brimborium die Wirkung des Kriegserlebnisses auf einen Farmjungen, der sich freiwillig zur Armee gemeldet hat. Es zeigt sich, daß seine an klassischen und romantischen Vorbildern genährten Vorstellungen von individuellem Heldentum durch die Wirklichkeit nur sehr dürftig eingelöst werden. Auffallend dabei ist, daß der Krieg - durch zahllose Fügungen wie "wild", "insane", "mad", "crazy", "delirium", "blood-sucking", "bone-crushing", "methodical idiots", "savage", "mad religion", etc. - eindeutig in den Bereichen des Körperhaften, Animalischen, Abnormen, Subhumanen und Diabolischen angesiedelt wird - d. h. in jenen nicht-rationalen Bereichen, die einem von strengen calvinistischer Ethik getragenen Zivilisationsbegriff zuwiderlaufen und mit der hehren offiziellen Rhetorik patriotischer, idealistischer und ethischer Kriegsziele wenig gemein haben. An die Stelle der bis dahin auch in Romanen vom Krieg traditionellen Liebeshandlung tritt in diesem Roman ein Gefühl von Geborgenheit in der Gruppe, getragen von der Erfahrung der Kameradschaft in der männlichen Kampfgemeinschaft, die den Jungen am