Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 153

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daß er es ebenso gut machen werde wie sein Onkel. Die Operation beginnt; Herr de Gernande erhebt sich und trifft die Anordnungen. Viktor arbeitet vor den Augen seines Lehrers, der boshaft sein Glied reibt, damit er infolge seiner wollüstigen Erregung ins Zittern gerate und eine Wunde setze. Gernande vollendet die Operation; die Blutstrahlen quellen fast gleichzeitig aus allen Armen hervor. Der Chirurg nimmt wieder seinen Platz ein; die fünf Lüstlinge ergötzen sich blutbespritzt an dem Schauspiel, indeß sie sich von ihren Lustknaben lecken lassen; Viktor läuft, Ruten in der Hand haltend, rings umher und verhindert durch seine Hiebe, daß die Opfer ihr Bewußtsein verlieren.«

Nichts gleicht der Frechheit, mit der dieser vom Teufel Besessene auf alle Aersche losschlägt; Bruder, Mutter, Schwester, keiner wird von seinem kräftigen Arme verschont. Indessen sind die im Innern des Kreises[363] sitzenden Wüstlinge sowie die Lustknaben, mit denen sie sich vergnügen, ganz von Blut bedeckt; desgleichen John und Constant, deren Glied sie reiben; es war noch nie in solcher Fülle geflossen. In diesem Moment wankt Cécile und fällt trotz aller Bemühungen derjenigen, die neben ihr stehen, sie zu halten. – »Ah!« sagte Verneuil, dessen Glied sich durch diesen Anblick gewaltig steifte, »Sapperlot! ich wette, daß meine Tochter verloren ist; das kleine Närrchen wird sie unrichtig geöffnet haben: so ist er ein Schwestermörder geworden; ein ganz hübsches Probestück.« – »Das ist ziemlich gewiß,« meinte Gernande. – »Ah! Sacrament!« sagte der Jüngling, indem er das Gesicht seiner sterbender Schwester mit seinem Sperma begoß, »Herrgott, nie habe ich solchen Genuß verspürt.« Jetzt wurden alle Arme eilig verbunden. Frau de Verneuil wirft sich vernichtet über den Körper ihrer Tochter und bedeckt ihn mit Tränen und Küßen. Man machte einige Belebungsversuche, doch bewiesen sie sich als vollständig unnütz, daher man sie auch bald aufgab. Verneuil, der über diesen Verlust ganz getröstet war, da niemand weniger als er sich um einen Gegenstand kümmerte, namentlich, wenn er davon schon übersättigt war, fragte seinen Sohn, ob er es absichtlich getan habe. – »O nein,« sagte der Erzschuft, »seien Sie, lieber Vater, überzeugt, hätte ich ein Opfer aussuchen können, so wäre es Ihre Frau Gattin gewesen ...« Alle brechen in ein Gelächter aus. So erzog man diesen jungen Missetäter; so machte man ihn unmerklich mit den scheußlichsten Freveln vertraut. – »Sacrament,« sagt d'Esterval, »ich bin trostlos, daß dieses hübsche Mädchen so früh hin wird; ich hatte die Absicht, sie von hinten zu ficken.« – »Ist denn keine Zeit mehr dazu?« fragt Bressac. – »Himmel, du hast recht,« sagt der Wirt; »man soll sie mir halten.« – »Lieber Freund,« sagte Verneuil, »ich werde Ihnen diesen Dienst erweisen, zum Dank für alle die, welche Ihre liebenswürdige Frau mir erwiesen hat.«

Zugleich ergreift er seine sterbende Tochter und hält sie d'Esterval hin, der sie sogleich sodomisiert. Ein jeder der Missetäter will sich nun auf Grund seines Geschmackes ähnliche Grausamkeiten erlauben; man kann sich gar nicht vorstellen, welche Scheußlichkeiten diese Ungeheuer bis zum letzten Moment an dem unglücklichen Mädchen vollführten. Das grausamste Volk, die wildesten Menschenfresser hätten nicht solche Schandtaten, solche Grausamkeiten ersinnen können. Endlich gibt sie ihren Geist auf; die Erdhügel an der Terrasse, die wir früher erwähnt haben, verhüllten für immer das grausige Verbrechen, das mit solcher Frechheit, solcher Raserei war verübt worden.[364]

Ach, welch eine Leidenschaft ist die Wollust! Wenn Sie die köstlichste ist von allen, die die Natur uns eingibt, so ist sie zugleich wohl auch die stärkste und geführlichste.

Von Mattigkeit erschöpft, begab man sich schließlich zu Bette. Aber Verneuil, der allsogleich aus einer neuen wollüstigen Vorstellung frische Kräfte schöpfte, wollte durchaus die Nacht bei seiner Tochter Laurette zubringen, die ihn von allen Anwesenden am meisten zu erregen vermochte. Jeder folgt seinem Beispiele; Justine genießt die Ehre, Dorotheas Bettgenossin sein zu dürfen, die nicht satt wird, ihre Gelüste an jener zu befriedigen.

Vierter Band.

Die ausschweifende Gesellschaft unterhielt sich den nächsten Tag an neuen Niederträchtigkeiten, als wenn die schrecklichste aller Grausamkeiten am vergangenen Tage nicht begangen worden wäre.

Rosa und Lilly mußten an diesem Tage und an den beiden nächsten alle Einfälle dieser Ungeheuer über sich ergehen lassen. Blos Gernande, der in seiner Schwester Marcelline vernarrt war, tauchte sie mindestens zehnmal, während dieser beiden Tage in Blut und ergötzte sieh daran, die rote Flüssigkeit mit seinem Munde aufzufangen. »Es scheint mir,« sprach Bréssac, »mein Onkel, daß das seine Reize für sich hat, wenn man das Blut liebt, muß man sich daran sättigen.« Jeder begann nun diese Behauptung zu erproben und selbst Dorothé verschluckte das Blut massenhaft. Diese Greueltaten wurden durch Spaziergänge unterbrochen, während dieser Bréssac ein schönes, vierzehnjähriges Mädchen entdeckte und es alsbald entführte.

Dieses Geschenk wurde von der Gesellschaft freudig aufgenommen und es gab keine Qual die man nicht an dieser Unglücklichen erprobte. Man sprach gerade eines Abends über den hübschen Zufall dieser Entdeckung, als Mme. de Gernande sich äußerte: »Glauben Sie, meine Herren, daß, wenn die Verwandten dieser Unglücklichen ebenso mächtig wären wie Sie, sie die Vergehen nicht verfolgen würden, die sie an dem Mädchen begingen. Nun wenn aber das Elend in dem sie sich befinden, der einzige Grund ist, daß sie Sie in Ruhe lassen, sind Sie nicht Verbrecher, wenn Sie damit Mißbrauch treiben?«

»Mein Freund,« sprach Verneuil zu seinen Bruder, »wenn meine Frau gewagt hatte, solchen Unsinn zu schwätzen, hätte ich sie niederknieen und von einem Lakaien auspeitschen lassen, aber da Mme. nicht mir gehört, will ich mich begnügen, ihren Einwurf in nichts zu zermalmen.«

»Das ist vorzüglich,« erwiederte der Schloßherr, »aber da ich nicht solider sein will wie mein Bruder, wird es sich die Gesellschaft gefallen lassen müssen, daß Mme. de Gernande die an sie gerichtete Rede in einer schmerzlichen Stellung anhört. Ich verdamme sie also dazu, sch auf alle Viere zu stützen und den Hintern in die Luft zu[369] strecken. Zwei Kerzen sollen ihr die Haut an diesem empfindlichen Körperteil verbrennen.«

Von allen Seiten erscholl Beifall, Mme. de Gernande nahm ihre Stellung ein und Verneuil begann: »Nehmen wir vorerst an, als unerschütterliche Grundlage aller Systeme, daß es in den Absichten der Natur liegt, daß eine Menschenklasse der anderen durch ihre Schwäche und Minderwertigkeit unterworfen sei. Wenn also das Opfer

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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