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dieser schwächlichen Klasse an gehört, so tat der Opfernde nichts Schlimmeres, wie der Besitzer eines Bauern Gutes, der sein Schwein tötet. Wollten Sie aber an meinem obersten Grundsatz zweifeln, so bitte ich Sie die Weltgeschichte zu durchlaufen, um zu sehen, daß jedes Volk seine verachtete Kaste besaß. Die Juden bildeten die der Aegypter, die Heloten die der Griechen, die Parias die der Brahmanen und die Neger die Europas. Nur ein Mysantrop wie Rousseau konnte behaupten, daß alle Menschen von Geburt aus an Kraft und Rechten gleich sei. Aber wie könnte der Zwerg, der vier Fuß und zwei Zoll hoch ist, sich mit einen Mustermenschen vergleichen, der den Wuchs eines Herkules hat? Könnte man nicht ebenso gut sagen, daß die Mücke dem Elephanten ähnelt.
Kraft, Schönheit, Wuchs und Beredsamkeit waren die Tugenden, die in der Kindheit der Menschheit Einfluß verschafften. Eine Familie, ein Flecken der sich verteidigen mußte, wählte bald aus seiner Mitte das Wesen, daß die meisten oben beschrieben Fähigkeiten besaß. Dieses erwählte Oberhaupt suchte sich unter den Schwächeren Sklaven aus und opferte sie mitleidslos seinen Interessen und Leidenschaften hin. Wer zweifelt daran, daß, als die Gesellschaften entstanden, die Nachkommen dieser Oberhäupter, obwohl ihre Kraft oder ihre moralischen Eigenschaften, nicht mehr denen ihrer Vater ähnelten, die Macht den noch weiter besaßen. Das ist der Ursprung des Adels, der schließlich einsah, daß es nötig sei, die ursprünglichen Eigenschaften weiter vorzutäuschen und schließlich notwendigerweise oder aus Ehrgeiz grausam wurde. So war es unter einem Nero, einem Tiberius, einem Helliogabale, einem Wenzelslaus, einem Ludwig XI. u.s.f. Sie erbten eine ihren Vorfahren übertragene Macht und mißbrauchten sie für ihre Leidenschaft. Hatte jedoch dieser Mißbrauch schließlich Folgen? Zweifellos weniger wie wenn die Macht eingeschränkt worden wäre, denn der Mißbrauch hielt die Herrschaft aufrecht, während durch die Verminderung der Gewalt, die Völker in einen Anarchiezustand gefallen wären.
Nun gut, sprechen die Dummköpfe die eine unmögliche Gleichheit vertreten. Wir können die physische und moralische Ueberlegenheit einiger Wesen über andere nicht[370] leugnen. Aber geben Sie wenigstens zu, daß alle Geschöpfe vor dem Gesetz gleich sind. Das werde ich wohl bleiben lassen. Wie wollen Sie das ein Wesen, daß von der Natur die Veranlagung zum Verbrechen und gleichzeitig die Fähigkeiten dazu erhalten hat. Wie wollen Sie, daß diese Wesen nach demselben Gesetze abgeurteilt werden, wie dasjenige, daß sich nur zur Tugend hingezogen fühlt, wäre dieses Gesetz gerecht, das die beiden Menschen mit derselben Strafe belegen würde? Nein, nein, meine Freunde, das Gesetz ist nur für das Volk da, das gleichzeitig schwach und in der Mehrheit ist. Unter der Adelsherrschaft ist Frankreich groß geworden und Rom war nie mächtiger als in der Zeit da der Despotismus seine Blüte hatte. Derjenige, der also seine Kräfte nicht gebrauchen will, ist ein Dummkopf, der dieses Geschenk der Natur nicht verdient. Wir tun also kein Unrecht, meine Freunde,« fuhr Verneuil fort und kam damit auf den Gegenstand seiner Rede zurück, »wenn wir dieses Geschöpf allen Launen der Geilheit unterwerfen. Wir haben es entführt und können mit ihm machen was wir wollen, da wir die Stärkeren sind.«
Unsere Leser können sich leicht vorstellen, daß derartige Redensarten, bei den in diesem Buche vorgeführten Leuten wirken mußten.
Mme. de Gernande wurde trotz ihrer Schmerzen verurteilt, in derselben Stellung zu verbleiben und an ihr, sowie an dem neuen Opfer wurden alle möglichen Versuche, das Blut hervorquellen zu lassen, angestellt. D'Estoroul behauptete nun, daß es genußreich sein müsse, währenddessen zu ficken und er machte auch den Versuch. Die anderen ahmten seine neue Leidenschaft nach und bald war Mme. de Gernande mit Wunden bedeckt. Man tat schließlich soviel mit dem unglücklichen Kind, daß es mit Cäcilie vereint werden mußte. Man begrub es neben sie und bald begannen neue Verbrechen, die Köpfe unserer Kannibalen zu erhitzen.
Nach einem Diner, an dem man die ungeheuerlichsten, geistigen und körperlichen Ausschweifungen begangen hatte, stellten Gernande und Verneuil die Behauptung auf, daß das Blut Cäciliens und des anderen hingeopferten Mädchens den unterirdischen Göttern nicht genüge und daß unbedingt noch ein Opfer erforderlich wäre. Bei diesen Worten schauderten alle Frauen. Unsere unglückliche Justine, auf die mehrere deuteten, begann sich unwohl zu fühlen, als Gernande der Gesellschaft vorschlug, daß man das Opfer nach der Vorzüglichkeit der Arschbacken aussuchen solle. Durch folgende Sophismen stützte er seinen Vorschlag: »Diejenige die den schönsten Popo, hat uns notwendigerweise am häufigsten zum Entladen gebracht. Das Geschöpf[371] aber, daß uns am häufigsten erregt hat, muß jetzt am meisten unseren Abscheu verdienen, daher müssen wir uns seiner entledigen.« »Nein,« sprach Verneuil, »das wäre parteiisch. Wir müssen das Los entscheiden lassen.« Man schrieb also die Namen Justines, der Frauen Vernande und Verneuil, dann den Marcelaines, Laurette und Rosas auf Zetteln und warf sie in eine Urne. Bressac zog neugierig einen davon heraus und las den Namen der Mme. de Gernande. »Ich hätte wetten können,« sprach kaltblütig der Mann, »der Himmel war mir gegenüber immer gerecht. Nun, meine zarte Freundin,« sprach er und näherte sich seiner unglücklichen Frau, »nun, mein Herzchen, nur Mut. Es ist ein schlimmer Augenblick, den du zu verbringen haben wirst, denn wir werden dich furchtbar quälen, aber das wird auch aufhören, Sie werden bald in den Schoß der Natur zurückkehren, die Sie so liebt. Im übrigen ist es doch für Sie besser, Sie sterben gleich, als daß Sie sich, ein langes Leben hindurch, von mir quälen lassen.« Und der grausame Gatte hätte vielleicht noch seine unglückliche Frau verspottet, wenn der blutrünstige Verneuil sich nicht rasch auf das Opfer gestürtzt hätte, um sich an den Zuckungen der Angst zu ergötzen. Der Verbrecher bestieg das Opfer von vorne und küßte den Mund, aus dem nur Klagen und Beschwörungen hervorkamen. »Warte ein wenig,« sprach Gernande zu seinem Bruder, »du mußt dich an ihr von vorne befriedigen, Bressac von hinten, ich in ihrem Mund, D'Estaral und Victor unter ihren Achseln. Bei der Arbeit wollen wir ihre Qualen ausdenken. Man gebe mir Schreibzeug, damit ich meinen Einfall niederschreibe«, und die fünf Verbrecher zeichneten ein jeder ihren Urteilsspruch auf und um das Maß der Grausamkeit vollzumachen, mußte Justine, die ihre Herrin außerordentlich liebte, das Verlesen vornehmen. Ach, kaum konnte das arme Mädchen die