Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 59

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prachtvollen Weibern von fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, welche ausschließlich ihrer Aersche wegen gehalten wurden. Sie trugen türkisches Kostüm. Sechs alte Weiber dienten als Tugendwächterinnen in spanischer Kleidung. Wir werden bei der Aufnahme Justinens diese Einzelheiten noch vervollständigen können; jetzt kehren wir zu unserer Erzählung zurück. An der Abendmahlzeit nahmen zwölf Mädchen teil, aus den verschiedensten Altersklassen; sechs davon bedienten. Hievon war die eine kaum zehn Jahre alt, sehr zart und bleich, bekümmert und zitternd, schon im Begriff zu verwelken. Die zweite war fünfzehn Jahre alt, ebenso niedergedrückt in der Haltung, aber ein entzückendes Gesichtchen, wenig Brust, aber einen runden und schön geschnittenen Popo. Die dritte war zwanzig Jahre alt, zum Malen schön, herrliche blonde Haare, zarte Züge, eine herrliche Brust und ebensolche Hüften. Die vierte war fünfundzwanzig Jahre alt; sie war eine Frau, in deren Haltung Ehrbarkeit und Tugend sich vereinigte, mit Hüften und einem Arsch, der als Modell dienen konnte. Die fünfte war ein Mädchen von dreißig Jahren, schwanger im siebenten Monate, mit leidenden Zügen, die schönen Augen verständnisvoll, mit dem Angesicht einer Jungfrau. Die sechste war zweiunddreißig Jahre alt, ein schönes schamloses Weib, mit ziemlich viel Haaren, selbst am Arschloch. An dem Tische saßen noch zwölf eingeladene Mädchen und sechs Knaben. Einen von diesen kennen wir schon, ein anderer saß zwischen Ambrosius und Jerome, welche ihn abwechselnd küssten und geilten; der zweite und dritte waren dreizehn und sechzehn Jahre alt, während der fünfte und sechste schon zu den Arbeitern gehörte, zwischen zweiundzwanzig und fünfundzwanzig Jahren. Beide waren groß und schön gewachsen und hatten ganz gewaltige Schwänze.

Von den Eingeladenen oder besser gesagt befohlenen Mädchen gehörte das eine zur Klasse der Jungfrauen; es war nur eine kleine Rose, verwelkt, bevor sie aufgeblüht; vielleicht wäre sie schön geworden, aber durch ihre Unzucht verdorben, was konnte man von ihr erhoffen? Die zweite war kaum zwanzig Jahre alt, sehr schön, seit zwei Jahren nicht mehr Jungfrau, von keiner Seite aus, und dies war das Werk Jeromes. Die dritte, vierte und fünfte waren Schwestern, dreizehn, vierzehn, und fünfzehn Jahre alt, man nannte sie die drei Grazien. Sie waren alle drei entzückend, die gleichen blauen, träumerischen Augen, dieselben blonden Haare, der gleiche Schnitt der Hüften,[137] und wenn auch die Jüngste noch nicht entwickelt war, so lehrte doch ein Vergleich mit den Schwestern, daß sie ein Meisterstück der Natur werden würde. Die sechste galt als der schönste Arsch des Serails. Die siebente war etwas stärker und hatte die Brust einer Venus. Die achte war fünfundzwanzig Jahre alt, schwanger im achten Monat, besaß sehr schöne Augen und herrliches Haar, hatte aber ein gedrücktes Ansehen. Die neunte war ein Mädchen von dreißig Jahren, groß wie ein Turm, schöne Gesichtszüge, aber zu kolossale Formen. Sie war, so wie die dienenden Mädchen, ganz nackt und man konnte mit Leichtigkeit bemerken, daß kein Teil ihres Körpers von der Grausamkeit der Scheusale, denen sie diente, verschont geblieben war. Die zehnte war eine Frau von vierzig Jahren, verbraucht, runzlig, aber noch schön. Ihr verwelktes Arschloch stank von der Unzucht, sie war, wie die Hälfte der Mönche, besoffen, als Justine eintrat.

»Ich glaube,« sagte Silvester, »wir sollten dieses schöne Mädchen mehr feiern, sie nicht in ihrer Ecke sich langweilen lassen, mindestens ihr aber die Ehren der Neuangekommenen erweisen.« – »Ich hätte Euch dieses schon längst vorgeschlagen.« sagte Severino, »wenn ich Euch nicht in Eure schmutzigen Lüste so vertieft gesehen hätte. Trotzdem finde ich, daß ihr meinen schönen Fund wenig Beachtung geschenkt habt.« – »Dies bewirkt allein die Sättigung,« sagte Ambrosius, »dahin führt uns der Ueberfluß.« – »Ich kann von diesem Ueberfluß nichts bemerken,« sagte Jerome, »ich bin der ganzen Umgebung satt; nicht ein Viertel dessen ist vorhanden, was ich für meine Wollust gebrauche.« – »Er hat wirklich recht,« sagte Clement, näherte sich Justine, und indem er sie beim Hals faßte, steckte er in ihren Rosenmund die scheußliche aller Zungen. – »Ja, bei der Fut hat er Recht,« sagte Antonius und begrüßte unsere Heldin auf die gleiche Weise. Während die Zwei sich so belustigten, stichelt Jerome, vor ihrem Arsche knieend, das rosige Arschloch des Mädchens mit seiner Zunge. Das gleiche tut Silvester mit ihrem Kitzler, wobei er den Schwanz des Severino beutelt, der ihm zufällig in die Hände gekommen ist; in weniger als fünf Minuten war unser armes Kind so eingeschlossen, daß es ihm unmöglich war, sich zu wehren. Es stand da wie eine Lilie in der Mitte eines Schwarmes von Hornissen, welche von allen Seiten den süßen Saft der Blume saugen und rauben. Justine tut ihr möglichstes, um sich vor der Schamlosigkeit, die sie empört, zu schützen, doch man gibt ihr zu erkennen, daß alles dies nur unnütze Ziererei sei, und daß es besser sei, die Folgsamkeit ihrer Schicksalsgenossinnen nachzuahmen.

Severino verlangt einen Augenblick Stille und beginnt: »Stellt Euch um mich auf und die Neuangekommene höre kniend in Verehrung auf meine Worte. Sklave unserer Fantasie, welches das Schicksal in unser Hand gegeben, liest du nicht in diesem Urteil deine Zukunft? Nichts ist Zufall, alles ist Naturgesetz, und durch dieses kamst du in unsere Hand; trage daher dein Los mit[138] Ergebung, denke daran, daß der leichteste Widerstand, den du unseren Wünschen, welcher Art sie auch seien, entgegensetzt, für dich den Tod bedeuten kann. Wirf einen Blick auf deine Genossen, nicht ein einziger kam freiwillig in dieses Haus, List oder Gewalt hat sie hergebracht. Alle haben im Anfang Widerstand leisten wollen, aber sie haben eingesehen, daß dies nur nutzlos sei und sie den schrecklichsten Martern aussetzt. Sieh hier, Justine,« sagte der Abt und zeigte ihr die Ruten, Skalpele, Schrauben und sonstigen Marterwerkzeuge, das sind die Verführungsmittel, welche wir gegen widerspänstige Mädchen anwenden, und die sie uns sofort gefügig machen. Sieh zu, ob du sie bekämpfen kannst, willst du dich beklagen? Bei wem willst du es an diesem Ort, wo du nur immer Richter und Henker finden wirst! Willst du die Gerechtigkeit anrufen? Wir kennen keine andere wie unsere Wollust, kein anderes Gesetz als unsere Begierde ... die Menschlichkeit. Unser einziges Vergnügen ist, sie zu schänden ... die Religion. Sie hindert uns nicht, wir stehen ihr zu nahe, um

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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