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rauher Stimme harte Worte: der richtige Satyr. »Was willst du? Ist es jetzt Zeit, zur Kirche zu kommen? Du siehst wie eine richtige Abenteuerin aus; deine Kleidung, deine Verstörtheit und die Zeit, um welche du kommst, verkünden nichts Gutes. Also, was willst du?«
»Heiliger Mann,« antwortet Justine, »die Unordnung meiner Kleidung rührt von dem langen Wege und von der Ermüdung her.[130] Was die Zeit anbelangt, so glaubte ich das Haus Gottes immer offen. Ich komme von sehr weit, voller Inbrunst und Verehrung. Ich möchte beichten, und wenn du mein Inneres kennen wirst, so wirst du urteilen, ob ich würdig bin, mich zu Füßen der heiligen Jungfrau zu werfen.« – »Aber jetzt ist nicht Zeit zur Beichte,« antwortet der Mönch milder, »das kannst du erst in der Früh, und wo wirst du schlafen? Bei uns gibt es kein Hospiz.« Mit diesen Worten verläßt Clement das Mädchen, um, wie er sagt, dem Abt Bericht zu erstatten. Einige Zeit nachher öffnet sich die Kirche, der Abt selbst – Don Severino – nähert sich ihr und ladet Justine ein, einzutreten. Sobald dies geschehen, verriegeln sich die Türen von selbst. Don Severino war ein Mann von fünfundfünfzig Jahren, hübsch, frisch, kräftig gewachsen, ausgestattet wie ein Herkules, dabei zeigten alle Formen eine gewisse Eleganz und Weichheit, welche bewiesen, daß er in seiner Jugend ein schöner Mann gewesen war. Er hatte heute noch schöne Augen, edle Züge und den ehrbarsten und daher auch verführerischesten Tonfall. Seine Nationalität klang nur etwas durch und machte die Sprache noch angenehmer. Justine wurde durch sein Aussehen über den Schreck beruhigt, den ihr der erste Mönch eingejagt hatte. »Meine liebe Tochter,« sagte Severin zart, »wenn auch die Sunde ungewohnt ist, so will ich doch deine Beichte anhören und dann werden wir sehen, ein Mittel zu finden dich ehrbar in der Nacht unterzubringen, damit du in der Früh das Heiligenbild begrüßen kannst, welches dich hieher lockte.« Durch den Chor der Kirche kam ein junger Mann von fünfzehn Jahren, schön wie der Tag, aber so schamlos gekleidet, daß Justine stutzig geworden wäre, wenn sie es bemerkt hätte. Aber ganz versunken in Selbstbetrachtung und in die Prüfung ihres Geistes, bemerkte sie nichts. Der Jüngling zündet die Kerzen an und geht dann in denselben Beichtstuhl, welchen der Abt einnehmen sollte. Justine kniet auf der anderen Seite. Diese Stellung verhindert sie, zu bemerken, was im Beichtstuhl geschieht. Voll Vertrauen entrollt sie ihr Sündenregister, währenddem der Abt den Knaben streichelt, filzt und ihm sein Glied in die Hand gibt, welches der Ganymed streichelt, bettelt, küßt und schleckt. Alles auf Befehl des Mönches, welcher ihm zu der Beichte Justinens die entsprechende Tätigkeit anweist. Unsere Fromme beichtet ihre Fehler mit einer solchen Aufrichtigkeit und Wärme daß sie rasch die Phantasie des Wüstlings, der ihr zuhört, entflammt. Alles teilt sie ihm mit, auch das Schandmal, welches ihr Rombeau eingepreßt. Der Mönch hört mit der größten Aufmerksamkeit zu, er läßt sogar Justine einzelne Szenen wiederholen, denen er mit der Miene der Frömmigkeit zuhört, während einzig und allein die Lüsternheit und die Zügellosigkeit ihn leitet. Dennoch hätte Justine, wenn sie weniger blind gewesen wäre, an den Bewegungen des frommen Vaters, an den Stoßseufzern, an dem Lärm, welchen er machte, als er den Jüngling niederdrückte, um ihn zu puserieren, sicher den Betrug erkannt. Aber die Unglückliche merkte nichts. Severino verbreitete sich während des[131] Vögelns in Einzelheiten und Justine antwortete ihm voller Unschuld. Er ging in seiner Kühnheit so weit, sie zu fragen, ob die Männer, mit denen sie zu tun gehabt, sie wirklich niemals gevögelt hätten und wie oft sie in den Arsch gefickt worden, wäre. Ob die Schwänze dick gewesen wären und ob sie im Arsche entladen hätten? Diesen schamlosen Fragen antwortete Justine naiv, daß dieses letztere Verbrechen nur drei- oder viermal an ihr begangen worden sei. »Wirklich, meine Liebe?« fragte Severino, trunken vor Wollust, indem er den schönen Arsch des Knaben weiter bearbeitete. »Ich frage dich dies, weil du mir einen wunderschönen Arsch zu haben scheinst und die Wüstlinge dadurch sehr, angezogen werden. Man muß darauf achtgeben,« sagte er stotternd, »ein schöner Arsch ist der Apfel der Eva. Es ist die Bahn des Verderbens. Du siehst, daß die, welche sie mit dir betraten, zu den verworfensten Menschen gehören. Durch dieses Verbrechen ging Sodom und Gomorrha unter, die Strafe des Feuertodes steht überall darauf. Es gibt nichts, was die ewige Gerechtigkeit mehr erzürnen und wovor sich ein braves Mädchen mehr hüten muß. Und sage mir, hast du keine wollüstigen Empfindungen dabei gehabt?« – »Das erstemal, wie wäre es möglich gewesen, mein Vater, ich war doch ohnmächtig, und die andernmale konnte ich doch nur Haß und Abscheu empfinden.«
Der Mönch, seinen Lustknaben immer weiter bearbeitend, stellte dann folgende Fragen: Ob sie wirklich als Waise in Paris geboren, ob sie sicherlich weder Eltern noch Freunde, noch irgend jemanden hätte, dem sie schreiben könne. Ob sie der Hirtin gesagt hatte, weshalb sie käme und ob sie verabredet hätte, sie wieder aufzusuchen, ob sie sich nicht fürchte, verfolgt zu werden und ob sie jemand ins Kloster hätte eintreten gesehen. Dann erkundigte sich Severino über das Alter und das Aussehen der Hirtin und machte Justine Vorwürfe, daß sie sie nicht mitgebracht. »Du hättest,« sagte er ihr, »deine gute Tat verdoppelt, wenn du eine Gefährtin mitgebracht hättest; sie wäre so gut aufgenommen worden, wie du.« Nach diesen frommen Gesprächen hörte der Mönch zu vögeln auf und zog seinen Schwanz voll Begierde heraus. »Mein Kind,« sagte er zu Justine, »jetzt mußt du die Strafe empfangen für deine Sünden, und dazu mußt du dich ganz erniedrigen; gehen wir in das Heiligtum, die Kerzen werden vor das Bild der wundertätigen Jungfrau gebracht werden, ich werde sie vor dir enthüllen und du wirst ihr nachahmen und wirst auch alle Hüllen abwerfen. Dieser Zustand der Nacktheit vor anderen Menschen ist sonst nur ein Verbrechen, in deiner Lage aber nur ein Mittel zum Zweck.« Der Knabe kommt halb entkleidet aus dem Beichtstuhl, nimmt die Kerzen, stellt sie auf den Altar und enthüllt das Bild Justine, ganz in ihrer Einbildung und ihrer Frömmigkeit lebend, hört und sieht nichts