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wenn er in seinem Hotelzimmer auf dem Bett lag. Lange Gespräche voller Zärtlichkeit, Sehnsucht und Leidenschaft .
In dieser Woche schickte er ihr freizügige Bilder von sich, auf denen er stolz die ganze Pracht seiner Männlichkeit zur Schau stellte, und einmal fand sie auf ihrem Smartphone eine Sprachnachricht vor, in der er mit vor Leidenschaft bebender Stimme sagte:
„Ich bin geil auf Dich....“ -
Solche Worte benutzte er sonst nie - und ihr wurde schwindelig, als sie es hörte. Sie löschte diese Sprachnachricht sofort, weil sie ihr doch ein bisschen peinlich war. Trotzdem freute sie sich, weil er sie immer noch so sehr wollte - auch nach zwölf Jahren immer noch so sehr. Aber das Verlangen, das er hier in diese einfachen, ja primitiven Worte zu fassen versuchte, wurde nicht mehr gestillt - sie sah ihn niemals wieder....
Kurz nach seiner Rückkehr von dieser Spanienreise erzählte sie ihm in einer Mail von einer Vernissage, die sie besucht hatte. Seine Antwort war nur ganz kurz, aber sie vergaß sie nie :
„Ach wärest Du jetzt hier. Die Lust auf Dich wächst mit jedem weiteren Lesen deiner Zeilen. Stelle fest, wie sehr ich mir alles so bildlich vorstellen kann. Ach übrigens heute ist vor 4 Wochen??? kein Wunder...“
„Heute ist vor vier Wochen...“ Sie hatten in ihrer eigenen privaten Zeitrechnung immer von den Tagen ihrer heimlichen Treffen an gezählt, wenn sie mit einander telefonierten... und am 05. Oktober, vor seiner Wandertour in Spanien, hatte er sie das letzte Mal besucht....“Heute ist vor vier Wochen“ - eine zärtliche Reminiszenz in der schon die Vorfreude auf das Wiedersehen mitschwang....
Drei Tage später war er tot...
Zweiter Teil: Protokoll eines Trauerjahres
04. November 2016 – mittags
Sie sitzt am PC und sieht ihre Mails durch. Gleich will sie einen Abstecher in die Stadt machen, ihr Fahrrad zur Werkstatt bringen und einen Blumenstrauß für ihr Arbeitszimmer besorgen. Das macht sie schon seit Jahren so. Es ist immer eine bestimmte Anzahl von Blumen – und es müssen immer blaue, gelbe oder weiße Blumen dabei sein – weil das SEINE Lieblingsfarben sind. Wenn sie die Blumen in die große Kristallvase in ihrem Arbeitszimmer gestellt hat, macht sie ein Foto von dem Strauß und schickt es an ihn – mit dem Satz „Schönes Wochenende....“ manchmal auch nur mit einem Kussymbol …
Ihr Mann öffnet die Tür und gibt ihr das Telefon: „Hier ist ein Herr W., der dich sprechen will...“ Sie nimmt, ein wenig verwundert, den Apparat entgegen. ER ruft normalerweise nicht über die Festnetznummer an. Das ist sehr ungewöhnlich und lässt in ihr eine kleine Alarmglocke läuten.
Ihr Mann setzt sich ins Wohnzimmer und greift nach der Tageszeitung. Er hört, wie sie mit gedämpfter Stimme kurze Anmerkungen macht... schnappt irgendwann die Namen „Philemon und Baucis“ auf... nach wenigen Minuten ist das Gespräch beendet . Aus dem kleinen Raum, in dem der der PC steht, dringt kein Laut. Als er, leicht beunruhigt, nachschaut, sieht er sie regungslos und wie gelähmt am Schreibtisch sitzen. „Mein Herr Caesar ist tot...“ sagt sie leise und mit einer merkwürdig tonlosen Stimme. „Herr Caesar“ … so nennt sie diesen älteren Herrn aus Soest, der sie gelegentlich in Vermögensfragen berät, für den sie ab und zu kleine graphische Arbeiten erledigt oder Hörbücher produziert und mit dem sie sich einmal im Jahr zum Abendessen trifft.... . Ihr Mann kennt diesen Herrn nicht persönlich, weiß aber, dass seine Frau ihn sehr gern hat und große Stücke auf ihn hält. Sie berichtet mit ruhiger und leiser Stimme von einem Verkehrsunfall irgendwo in der Nähe von Soest , dem ihr Bekannter vor wenigen Tagen gemeinsam mit seiner Frau zum Opfer gefallen sei... sie wirkt gefasst, aber irgendwie unbeteiligt.
Abends, auf einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in einem Bürgerzentrum im Ruhrgebiet macht sie sogar einen ausgesprochen übermütigen Eindruck....und den anderen Gästen fällt gar nicht auf, dass sie ungewöhnlich schnell sehr viel trinkt und erst innehält, als ihr jemand von den Gastgebern ein weiteres Glas Whisky verwehrt...es merkt auch niemand, dass sie irgendwann hinausgeht und auf dem gegenüberliegenden Parkplatz den Namen „Merlin“ in die Nacht hinaus schreit... Sie und ihr Mann sprechen nicht weiter über die Todesnachricht. Erst als sie wieder zuhause sind und er spät in der Nacht aus ihrem Arbeitszimmer lautes Weinen hört, geht ihm auf, dass sie vom Tod dieses Bekannten wohl doch stärker berührt ist, als sie zunächst hat zeigen wollen. Er geht zu ihr, nimmt sie in den Arm und versucht, sie zu trösten. Sie verbeißt sich die Tränen - ihm zuliebe...
In den folgenden Tagen ist sie sehr geschäftig. Sie telefoniert mit dem Fremdenverkehrsamt in Soest, denn die Ehefrau ihres Freundes, die mit ihm gemeinsam verunglückt ist, hat dort als Fremdenführerin gearbeitet - findet auf diesem Wege heraus, wann und wo die Trauerfeier stattfindet, bestellt über Fleurop einen Kranz mit der Aufschrift „Glückliche Reise lieber Merlin und Danke für alles – Deine Cleo“ und legt einen Kondolenzbrief bei:- darin schreibt sie:
...Ihr Vater war mir über Jahre ein treuer und zuverlässiger Freund und Berater, der nicht nur mein ganzes Vertrauen, sondern auch meine Liebe besaß. Denn nach meinem Mann, mit dem ich seit mehr als 30 Jahren verheiratet bin, war er der wichtigste Mensch in meinem Leben. Und jetzt ist dieses strahlende Sein auf einen Schlag
ausgelöscht – auf so eine sinnlose und brutale Weise.... und es fällt schwer, darin einen
Sinn zu sehen.
Ich bin keine gläubiger Anhängerin der katholischen Kirche, aber trotzdem muss ich in
letzter Zeit immer an einen Ausspruch des Heiligen Augustinus denken:
„Wir wollen nicht darüber trauern, dass wir sie verloren haben, sondern froh sein, dass wir
sie gehabt haben, ja , noch besitzen – denn sie sind ja nur voraus gegangen.“
...
Ich habe Ihren Vater - denn auch seine so von ihm geliebte schöne Frau kannte ich ja nur
flüchtig – immer so bewundert und geliebt – auch wegen seiner sieghaften
Glaubensgewissheit.
Das und seine Wachheit, seine Liebe zum Leben und seine fröhliche Menschenliebe
waren für mich immer wieder eine Quelle der Kraft und der Bewunderung. Manchmal,
wenn ich zu ihm sagte „Pass auf Dich auf“, dann antwortete er mit einem Lächeln „ich bin
doch
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Der Bilderzyklus von dem in diesen Aufzeichnungen die Rede ist, kann auf der Facebook-Seite "Eros und Thanatos - Liebe und Tod" eingesehen werden