Seiten
es immer herzlich war,
viel auf der Strecke blieb.
Dein Blitztod war ein Donnerschlag,
ich spürte ihn in mir
- spür ihn noch heut an manchem Tag -
wie eines Schwertes Hieb.
Nur kurz darauf war ich bei dir,
mit Blumen in der Hand.
Gewissensnot sie gaben mir,
die lange bei mir blieb.
Seitdem ich oft mich fragte
und mir die Augen rieb,
warum ich nie laut sagte:
"Mutter, ich hab dich lieb!"
***
Die Schwiegermutter
Gestorben 1998 in Åmål, Schweden
Die Schwiegermutter überlebte ihren Mann um neun Jahre. In diesen Jahren war sie nie richtig gesund. Die letzten Monate ihres Lebens war sie bettlägerig und wurde in einer kommunalen Einrichtung gepflegt und versorgt. Wir wohnten nicht weit entfernt. Der abendliche Spaziergang endete in der Regel bei ihr. Ihr Zustand verschlechterte sich, das Ende ihres irdischen Lebens war absehbar. Ihre Tochter und ich wechselten uns an ihrem Bett mit ihrem Sohn und dessen Frau ab. Diesmal waren wir es, die - zum ersten Mal - einen Menschen in den Tod begleiteten. Die Schwiegermutter lag regungslos, konnte nicht mehr mit uns sprechen. Aber wir redeten mit ihr, wollten glauben, dass sie uns versteht, und gaben ihr regelmäßig den kleinen, feuchten Schwamm in den Mund, wie es die Krankenschwester uns gesagt hat. Wir hielten ihre Hände in unseren und spürten ihren Puls. Es herrschte eine stille, fast sakrale Stimmung, keine niedergedrückte. Ich sagte tröstende Worte zu ihr, von denen ich nicht wusste, dass ich sie hatte. Dann spürte ich einen zarten Ruck in ihrer Hand und danach keinen Pulsschlag mehr. Ich sah zu meiner Frau und sie zu mir. Mit feuchten Augen hielten wir ihre Hände.
Dein Weinen ist ein Engelsingen,
dein Schmerz der Hoffnung Glanz.
Das Schweigen wird Erlösung bringen
und Klänge, die wie Wellen klingen,
die Zier zum Siegeskranz.
Der Schein von Engeln wird dich tragen
vom Dunkel in das Licht.
Nur Freude zeigt es, Wohlbehagen,
nicht Zögern, Wanken, scheue Fragen -
dein Lächeln im Gesicht.
Ein Engel warst du schon auf Erden,
lass froh dein Haus zurück.
Die Ewigkeit dein Heim wird werden,
von dort willst du nie wiederkehren.
Dein neues Heim heißt Glück.
***
Elsa Popp, geb. Zerrer
Gestorben 2011 in Segringen bei Dinkelsbühl
Als unsere Familie 1945 als Flüchtlinge nach Segringen kam, war Elsa 19 und ich 2 Jahre alt. Sie war das einzige Kind des "Sessler-Bauern" (Hofname) und dessen Frau Karoline. Ab 1948 bis zu unserem Wegzug 1951 war ich in den Monaten Mai-Oktober so etwas wie ein Ziehkind auf diesem Bauernhof. Dort, und auf dessen Wiesen und Feldern, lebte ich wie in einem Paradies. Das Bauernpaar behandelte mich wie einen Sohn, den sie nicht hatten. Elsa war wie eine liebevolle große Schwester zu mir. Ich war viel mit ihr zusammen, von ihr lernte ich das Bauernleben. Meine Hauptaufgabe war das Hüten von einigen Kühen auf den Wiesen der Sesslers. Diese und ihre Felder waren weit verstreut. Von Elsa bekam ich die "Ausbildung". Sie machte mir die Butterbrote und legte sie zusammen mit einer Flasche Saft in meinen kleinen Rucksack. Viele Stunden verbrachte ich einsam mit den Tieren auf den Wiesen, die zum Teil von Wald fast umrahmt waren. Ich mochte diese stille Einsamkeit. Und mag sie noch immer, sie hat mich geprägt.
Im November 1951 heiratete Elsa ihren Fritz. Zusammen mit einem verwandten Bauernmädchen ging ich an der Spitze des Hochzeitszuges in die Kirche und streute Blumen. Diesen "Ehrenauftrag", den ich bekam, war ein Beweis, dass ich wie ein Familienmitglied behandelt wurde.
Nur wenige Wochen später musste ich das Dorf verlassen, unsere Familie zog nach Düsseldorf. Ich war sehr unglücklich. Mein erster Besuch in Segringen und den Sesslers Jahre später milderten meine Albträume.
Schule, Lehre, Beruf drängten sich auf. Der Kontakt schwand. Elsas Eltern starben, Elsa und Fritz übernahmen den Hof. Mein Leben führte mich nach Schweden, gab mir eine Familie. Meine Sehnsucht nach Segringen bekam Nahrung. Wir nahmen Kontakt mit Elsa und Fritz, besuchten sie mehrmals.
Bei einem Besuch 2011 kamen wir zwei Wochen zu spät.
Elsa war der liebste Engel
in dem kleinen Bauerndorf.
Ich war nur ein kleiner Bengel,
nur ein scheues Flüchtlingskind.
Elsa war des Bauern Tochter,
schmierte mir das Butterbrot,
wenn ich ging zu meiner Weide
mit den Kühen weiß-braun/rot.
Elsa wurd die Frau vom Friedrich,
Fritz von allen nur genannt.
Kurz danach - warum bloß? - kam ich
in ein andres Bundesland.
Elsa sah ich oft in Träumen,
sah, was sie am Hof so macht,
wie sie Äpfel pflückt von Bäumen,
freundlich zu mir schaut und lacht.
Elsa, Gott nahm dich nach Hause,
Fritz war ohne dich, allein.
Elsa, du warst früh mein Engel,
wirst es auch im Himmel sein.
***
Günter Kohnen, ein Freund
Gestorben 2012 in Düsseldorf
Günter war einer meiner ersten und besten Jugendfreunde in Düsseldorf. Er hatte ein wahrlich bewegtes Leben. Er starb nach einem jahrzehntelangen Kampf gegen die Parkinson-Krankheit. Aber er war bis zum Ende ein echter Düsseldorfer, ein "Oberbilker Jong", ein im besten, positiven Sinne ein wahres "Original". Ein Typ, den alle mochten.
Die letzten 40 Jahre haben wir unsere Freundschaft hauptsächlich aus der Ferne gepflegt.
Die Asche seiner seelenlosen Überreste wurde anonym auf einer dafür vorgesehenen Wiese verstreut.
Kurz vor seinem Tod machte ich den Versuch und schrieb auf, was ich von ihm wusste und was er und seine Frau mir erzählten. Es ist unmöglich, das bewegte Leben von Günter mit nur einigen Sätzen zu beschreiben. Deshalb hier der Link zu der Erzählung:
literatpro.de/prosa/070916/ein-freund-uwe-seeler-heino-und-ich
Bei Sonne macht's Spaß zu spazieren,
der Schatten geht stets mit uns mit.
Unmöglich ist's, ihn zu verlieren,
er folgt uns auf Schritt und auf Tritt.
Wenn ziehende Wolken, die spielen,
verstecken den himmlischen Schein,
verschwinden die Schatten, die vielen,
man fühlt sich ganz plötzlich allein.
So ist es, wenn Freunde verschwinden,
die ständig und stets waren da.
In Gedanken kann man sie finden
und glauben sie wären ganz nah.
***
Margret Kautt
Eine mütterliche Freundin, gestorben 2014 in Ravensburg
Auf Ihrer einzigartigen Weise hat Margret unseren Weg durch jenen Liebessommer 1970 in einer fremden Stadt geebnet und verschönt.
Nach unserem Fortzug aus Ravensburg im Herbst 1970 hatten wir steten Kontakt mit ihr. Sie heiratete ein zweites Mal und bekam einen neuen Nachnamen. Nach unserem Umzug nach Schweden waren sie und ihr Mann die ersten Personen, die mich und meine Frau in meiner neuen Heimat besuchten. Für uns überraschend starb Margret im Januar 2014 nach kurzer, schwerer Krankheit.
Dein Herz lag nie verborgen,
aus ihm strahlte ein Schein.
Du nahmst uns unsre Sorgen,
und waren sie auch klein.
Du bist ein Kind des Himmels,
ein
© Willi Grigor, 2018 (Rev. 2020)