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da die Welt nicht geändert werden? Jesus setzt dafür auf keine irdische Organisation, das Paradies des nichtmenschenschaffenkönnenden Gottes muß aus den Menschen selbst erwachsen. Für Marx dagegen behindert diese Einstellung den Fortschritt. Die Menschheit nähert sich fortlaufend asymptotisch ihrem Ziel und das muß natürlich organisiert werden.
Für achtzig Prozent der antiken Menschheit war das Christentum die richtige Ideologie. Sie solidarisierte die Sklavengesellschaft. Das Christentum breitete sich aus und hielt schließlich die Macht in Händen. Doch die Cleveren wurden einfach christlich und machten weiter wie bisher. Jesu wahrer Albtraum wurde wahr, das Establishment als sein Gefolge. Vom Neuen waren die Getretenen verlassen, war der Trost der Geknechteten von den ewig freßgierigen Ausbeutern verschlungen. So ging es ja jedes Mal, doch selten in so vollkommener Perversion.
Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Das bedeutet, der Mensch lebt nicht von Brot allein. Daraus machten sie aber, daß der Mensch zu arbeiten habe und nicht nach den Gütern der Erde strebt. Die Menschenwürde, nicht vom Brot allein zu leben, verwandelten sie in ergebenen Sklavendienst.
Religion, Pädagogik und Psychologie befähigen, die Massenrepressionen zu ertragen. Kommt es dennoch zur Revolution, gelingt es den Cleveren erst recht, noch wirkungsvollere Repressionssysteme zu installieren. Jesus lebte und starb für die Rückkehr der Menschheit in die Massenbasis. Cleverness war für ihn der größte Gräuel. Und gerade in seinem Namen errichteten sie ein perfekteres Repressionssystem, als es die unmittelbare Sklavenhaltung war.
Das Christentum überwand die Repression nicht, sondern es machte eine noch umfassendere möglich. Denn wenn wir schon werden sollen wie die Kinder, so hat es auch die Waffen zu liefern, uns vor dem Zugriff der Schurken zu schützen.
Jesu Erkenntnis der menschlichen Cleverness war intuitiv, wie die eines hellsichtigen Kindes. Gegen die Erbsünde der Cleverness muß sich der Mensch durch Selbsterziehung und Gebet moralisch verändern. Nur die Verachtung des Strebens nach Besitz kann den Repressionsmechanismus unterbrechen. Wer nicht wird, wie die Kinder und selig die Armen im Geiste, ist sein Gebot. Doch Jesus ist pessimistisch. So können wir erst im Jenseits selig sein. Bis zu Gottes Jüngstem Gericht hat der Mensch wenigstens die Freude der Glaubensgemeinschaft. Die Gemeinsamkeit der Gläubigen ist süßer, als jedes Raubgut der Ausbeutung. In der Gemeinde ist Gott.
Das christliche Wissen um die menschliche Cleverness wurde um achtzehnhundert analytisch belegt. Der Repressionsmechanismus ist dialektisch eingeboren. Und dennoch kommt ein Unbenennbares aus dieser Hoffnungslosigkeit. Ich spreche vom überrinnenden Topf. Tausend Tropfen fallen in den Topf, beim tausend und ersten Tropfen rinnt er über und befeuchtet den Tisch. Der Tisch geht schlagartig vom trockenen in den befeuchteten über. Quantität ändert grundlegend die Qualität. Revolution wird einmal gelingen. Notwendigerweise.
Bisher haben die Cleveren mit Revolutionen immer ihr Geschäft gemacht, mit ihnen die hinderlichen Widersacher beseitigt, den Adel. Und nach spätestens zwanzig Jahren haben sie es wieder nach oben geschafft.
Jesus dagegen will diese Schläulinge in der Gemeinschaft der Gläubigen so sehr kaltstellen, daß ihnen die Repression der Massen unmöglich wird.
Doch in zweitausend Jahren wurden die Cleveren durch moralische Ausgrenzung nicht beseitigt. Jetzt müssen sie endlich durch die Diktatur des Proletariats liquidiert werden, sagt Marx.
Und zwar insbesondere durch Permanente Revolution. So clever die Schläulinge auch sind, sie benötigen Zeit, sich im neuen System zu etablieren. Deshalb muß das System periodisch gestürzt werden. Das muß in schneller Folge aus den Massen selbst kommen. Die Permanente Revolution kann nicht von oben gesteuert werden.
Die parlamentarische Demokratie bringt durch Wahlen aus der Massenbasis zwar alle vier Jahre eine neue Regierung ins Amt. Die Herrschaft der Cleveren ist davon aber nicht betroffen.
Letzten Endes geht es um Bewußtwerdung, wann der Umsturz durchzuführen ist. Das ist nicht institutionalisierbar.
Alle guten Willens, Christen, Buddhisten, Juden, Pantheisten, Atheisten gegen die Cleverness. Geistige Systeme sind Versuche gegen die allgegenwärtige Repression. So wie anerkannt werden mußte, daß die Erde um die Sonne kreist und die Geburten zu regeln sind, so sind die gesellschaftlichen Erkenntnisse einzubeziehen. Christen, Buddhisten, Juden, Pantheisten, Atheisten erkennen die irdische Verschränkung ihrer Metaphysik, ergreifen die materiellen Waffen gegen den hinterhältigen Feind. Wie sollen denn sonst die Soldaten aufrichtig mutigen Herzens ohne Messer und Gewehre, nur mit den Worten des Humanismus, des Jesus, des Buddha, des Moses, der Menschenliebe, gegen diese jahrtausendelang wohlgeübten Banditen bestehen? Soll denn wieder ein Kreuzzug unschuldiger Kinder gegen die Macht des Bösen antreten?
Angesichts der hunderttausendjährigen Repression kann nur eine materielle Organisation das humane Hoffnungsbild retten. Die Repression ist heute in ihrer Totalität auf allen Gebieten tödlich, die Natur ist ausgeraubt und der Erdball bis ins letzte Tal verteilt. Die Nachrichtenmittel konzentrieren sich zur allgegenwärtigen Manipulation. Die Unterdrückung kann durch nichts mehr kompensiert werden. Nur der Menschheitsselbstmord paraphrasiert diese Verzweiflung. Faschismus, Barbarei und Selbstzerstörung.
Die Bourgeoisie nimmt den Untergang wie immer in Kauf. Was bisher Verstümmelung war, ist jetzt Vernichtung. Sterben auf der Schwelle vom Kind zum Erwachsenen. Die Kinder werden ohne die Dreckigkeit der Cleverness sein - oder sie werden nicht sein.
III. Die Welt des sozialistischen Schwänzerleins
Das bürgerliche System - Die kommunistische Macht - Die Privatsphäre - Revolution
1. Das bürgerliche System
Bei unserer Gesellschaftsstruktur ist der junge Mensch des oberen Mittelstandes derjenige, der geradezu körperlich die Revolution der Gesellschaft am meisten für notwendig empfindet - als Kind von Eltern mit fortschrittlichen Erziehungsidealen usw.
Die Theorie der bürgerlichen Gesellschaft behauptet die Gleichheit aller Menschen - Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit - so hört er es vom Anfang an. Das freie Wirken der gesellschaftlichen Kräfte, zumal der ökonomischen, gestattet jedem mit gleicher Chance, diese Kräfte für sich spielen zu lassen, je nach seiner Tüchtigkeit.
Dieses System gibt dem Menschen den größten Ansporn bei größtmöglicher Freiheit. Mit geringstem Zwang vollbringt er die größte Leistung. Nur mit dieser Erfolgsmöglichkeit arbeitet einer gern und fleißig im Gegensatz zum reinen Jobverständnis.
Wenn kein anderes Bild vor Augen steht, wird der aus den unteren Schichten durch Tüchtigkeit, Sparsamkeit usw nach oben Steigende tatsächlich die Gültigkeit des Systems bestätigen und geradezu zu seinem Verfechter werden.
Aber die Spitze, auf die er loszustürmen gedenkt, ist von seinem aktuellen Status aus in so weiter Ferne, daß er vom Fuß des Berges die Struktur der obersten Geologie nicht erkennen kann. Deshalb extrapoliert er die geologische Struktur des Bergfußes auf die Gipfelregion. Die Geltung des bürgerlichen Modells gerade im unterbürgerlichen Bereich