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zum Hochschulprofessor, bis sie endlich gebrochen sind. Erst Menschen, denen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, die zu tief verachtet, unterschätzt, die der Aufmerksamkeit und deshalb Indoktrinierung entgangen sind, Menschen aus den Randgebieten, ungebrochene, ungeschliffene, werden etwas Neues bringen. Sie vermögen es als einzige.
Zunächst ist es nur noch des Menschen Selbstachtung, sein Stolz, der die Nebelfetzen dieser Tatsachen, die schon in sein Bewußtsein aufsteigen, als Trugbild deutet, ja bekämpft. Er kann nicht zugeben, daß er ein Leben lang einer Schimäre hingegeben war, ängstlich ist er darauf bedacht, daß es keiner merkt, ihn keiner wankelmütig sieht. Kann er denn wirklich aussprechen, daß das, wofür er gestern stritt und lebte, nie wahr gewesen ist? Wir kennen das. Vom Pharisäertum bis zum verzweifelten Fanatismus, der gerade aus dem Zweifel an der Sache kommt, für die einer sich einsetzt. Man versteht Don Quichote, solange man es nicht selber ist. Und so waltet wieder eine Mechanik selbstzugefügter Frustration, solange wir nicht wissen, daß diese Skrupel alle haben. Aber noch wenn wir sie beim Nachbarn erkennen, verleugnen wir sie, um ihm den schwarzen Peter zuzuschieben.
Letztenendes ist der Mensch nicht geeignet, ohne Schaden zu nehmen, Dinge zu verteidigen, die nicht wahr sind, oder daß er schließlich seine Rettung darin findet, daß es wahr ist von einer höheren Warte aus, deren Einblick er aber nicht hat. Etwas zu vertreten, dessen Einblick er nicht hat, ist der Mensch nicht gebaut. Er regrediert zur Infantilität oder entmenschenwürdigt. Infantilität als Menschenwürde, soweit kommt es noch.
Die höhere Warte ist natürlich immer die der Herrschenden, und in Augenblicken, in denen sie es gerade nicht ist, wird sie es bald sein, nämlich die der neuen Herrscherschicht. Schließlich dämmert uns, daß wir gar nicht anders können, als beherrscht zu werden und wir können den verzweifelten Gedanken nicht von uns schieben, daß wir nach unseren Fähigkeiten, ja nach unserem eigenen Willen, nicht für ein Nichtbeherrschtwerden durch die Cleveren unter uns gebaut sind, daß wir nach dem Beherrschtwerden durch sie verlangen, immer wieder neu entsprechend dem jeweils aktuellen Stand der Menschheitsentwicklung.
Die Trostlosigkeit dieses Gedankens läßt uns nach allen Richtungen hin Ausbrüche versuchen, in Richtung Religion seit Jahrtausenden, Philosophie, Kunst, Geistigkeit, Sexualität, Askese, Alkohol, Wohlergehen, Lebenundlebenlassen, Wasgehtmichdasan, myhomeismycastle, in Richtung Realität alle zwei Generationen einmal zwischen Demokratie und Gottesgnadentum, Ständestaat und nackter Diktatur. Wo es doch zunächst nur darauf ankommt, den Zustand auszuhalten und daraus zu Aktionen zu kommen. Es ist ein Irrsinn, daß jede Illusion, die sich das Hirn, dieser grandiose Sinnfindungsapparat, errichtet, gerade durch dieses wiederum durchschaut und verworfen wird, jede Idylle, die sich das Gemüt baut, durch dieses wiederum zerstört wird, jede Religion, in die sich die Seele rettet, von ihr wieder unbefriedigt verlassen wird. Auch da kein Fels.
Nun, da wir in alle Richtungen in Sackgassen geraten sind, erfasst uns tiefe Resignation und allgemeine Skepsis, jedes neue Beginnen führt auch zu nichts Besserem, und so stürzen wir uns in einer letzten Verzweiflung nochmals in die Realität wie schon so oft seit Adam und Eva in den jeweils letzten Verzweiflungen, nachdem die Wege des Geistes wieder alle von vorne durchlaufen waren und die alte Wahrheit wieder einmal ihr Recht fordert, lieber irgendetwas Sinnloses im Dunstkreis einer Vorsehung zu tun, als gar nichts. Real-Politik als Ausagieren der unbewußten Menschheit.
Die Stunde der Demagogen ist da, immer der primitivsten, was klar ist, denn es sind die Stunden, in denen die infantilisierten Massen direkt und ohne Lern- und Aufklärungsübergang angesprochen werden wollen. Es ist Aufgabe der oft noch unbekannten Führer, im Moment des Massenerwachens Bewußtmachung und Aktionsanweisung gleichzeitig oder zumindest in rascher Folge, am besten durch eigenes Vorbild, zu bieten. Ein ziemlich unlösbares Problem, vielleicht etwas verbessert mit den neuen Kommunikationsmitteln, vielleicht heute erst eine aufkeimende Möglichkeit. Die erforderlich rasche Aufklärung der Menschen ist jetzt der Dynamik einer Revolution vielleicht einigermaßen angemessen.
Wieder stürzen wir uns aus den Traumwelten und Resignationen in die Realität und hoffen, daß es schließlich doch noch unsere Bestimmung sein könnte, eine menschenwürdige Gesellschaft zu verwirklichen, nachdem wir in den letzten zweitausend Jahren auch noch die geschichtlichen Varianten absolvierten, von denen man sagt, die Griechen hätten alle bereits durchgespielt.
Wenn wir nun aber wirklich unumgänglich dazu angelegt sind, beherrscht zu werden, ausgebeutet durch die Cleveren, die sogenannten Tüchtigen aus unseren Reihen, haben schließlich die Bourgeois die ultima ratio in Händen und jedem bleibt nichts anderes übrig, als das System der Beherrschung und Ausbeutung, der Benutzung der Menschen, als die angeborene Organisationsform anzuerkennen und sich in das allgemeine Kampfgetümmel zu stürzen, das Menschheitsziel zu erreichen, von der Arbeit der unschlaueren Artgenossen besser zu leben als von seiner ausschließlich eigenen und wem dies zu unwürdig ist, der schaltet sich damit selbst aus, ist, wieder einmal von der höheren Sicht her, eben doch und gerechtermaßen ein Untüchtiger aus Anlage, Vorsehung, Bestimmung.
Wir brauchen Gemeinsamkeit, nur die Gemeinsamkeit aller Menschen dieser Erde wird uns retten. Aber wenn wir uns einer Gemeinsamkeit annehmen, das heißt in der Realität einer menschlichen Gemeinde, dann betreten wir den Weg der Zerstörung der Gemeinsamkeit aller Menschen. Wir stellen uns in den Mechanismus des Beherrschtwerdens der Menschen, das ist das Dilemma. Wir brauchen die Gemeinsamkeit aller Menschen der Erde und zerstören sie im Moment, in dem wir beginnen, sie in einem Winkel der Erde zu realisieren oder in irgend einer Form überhaupt Gemeinsamkeit zu verwirklichen.
An der Lösung, aus dieser Sackgasse herauszukommen, an diesem Problem mitzuwirken und uns nicht in völlige Untätigkeit und Resignation, hingenommene und letztlich geliebte Manipulation, Illusion von Bewegung durch bewegt werden, zu geraten, das Ei des Kolumbus zu finden, die Gemeinsamkeit aller Menschen zu verwirklichen, ohne sie dabei nicht sofort endgültig zu zerstören, ist jeder Mensch dieser Erde aufgerufen, seit eh, ja er erfüllt sein Menschentum nicht, wenn er mit seiner Lebensspur nie diese Menschheitsfrage streift, wenn er diese Frage nicht in seinen Körper und seinen Geist versenkt.
Letztlich ist die Frage, ob dieses eine Gemeinsamkeit sein kann auch mit den Cleveren, Schlaubergern, Gerissenen unter uns. Es bleibt sonst nur als letzte Möglichkeit, in einer erdumspannenden Gemeinschaft einen Mechanismus zu installieren, der nichts anderes macht, als die Cleveren dieser Erde in dem Moment zu vernichten, in dem sie